Das Handelsabkommen ACTA hat meine Generation nachhaltig politisiert. Jugendliche, die noch nie zuvor auf einer Demo waren, gingen mit Anonymous-Maske auf die Straße, um ihre Lebensrealität in einem freien Internet zu verteidigen. Damit war ein Präzedenzfall geschaffen. Zum ersten Mal wurde eines der unzähligen, undemokratischen Handelsabkommen aus dem Schatten von Geheimverhandlungen ins Licht der Öffentlichkeit gebracht und mit überwiegender Mehrheit in den Parlamenten Europas abgelehnt. Aber die Gegenseite hat von uns gelernt: So wie wir den YouTube Link eines Protestvideos kopieren, haben ACTA-Textpassagen in anderen Handelsabkommen überlebt. Datenschutz oder Gläserner Konsument Trotz aller Beteuerungen der EU-Kommission ist Datenschutz Teil des Freihandelsabkommen TTIP mit den USA. Immer mehr Firmen haben großes Interesse Daten über uns zu sammeln. Das Geschäftsmodell von Google und Facebook – möglichst genaue Profile über alle unsere Lebensbereiche zu bilden – weckt zusehends das Interesse von Versicherungen, Arbeitgebern, Banken-, Gesundheits- und Handelsbranche.  Ohne Schutz der Privatsphäre fließt bald jedes intime Detail unseres Lebens in die Berechnung unserer Versicherungskosten, Chancen auf den nächsten Job oder das Kreditrating beim neuen Handyvertrag. Was dabei herauskommen kann, sehen wir bereits heute im sogenannten "Safe Harbour" -Abkommen zwischen Europa und den USA. Anders als der Name vermuten lässt, garantiert dieses Abkommen keinen sicheren Hafen für Daten europäischer Bürger*innen auf den Servern amerikanischer Firmen. Vielmehr ist es ein Blankoscheck, der zwar vorgibt, für Datenschutz zu sorgen, nur in Realität noch nie zu einer Verurteilung oder Strafe für ein amerikanisches Unternehmen geführt hat. Wenn in TTIP über Datenschutz verhandelt wird. ist die Gefahr sehr groß, dass am Ende ein solcher Blankoscheck für amerikanische Firmen steht, der jeglichen europäischen Datenschutz umgeht. In Europa wird gerade ein neues Datenschutzgesetz verhandelt. Ein längst überfälliges Update für unsere veralteten Datenschutzregeln. Das Ziel: Informationelle Selbstbestimmung. Nur mit effektivem Datenschutz können wir selbst entscheiden wer, wie lange, wofür unsere Daten verwenden darf. Kein Zwei-Klassen-Netz mit Überholspur für Konzerne Netzneutralität heißt der Grund wieso das Internet sich jemals zu einer vielfältigen und offenen Plattform entwickeln konnte. Das simple Prinzip besagt: alle Daten im Netz sollen gleich behandelt werden. Meine Webseite wird im Internet genauso schnell übertragen und ist genauso billig abrufbar, wie Facebook.com, Google oder Spotify. Wenn jemand heute einen neuen Dienst im Internet erfindet, ist der von Tag 1 sofort für alle Internetnutzer weltweit genauso gut verfügbar, wie Dienste großer etablierter Konzerne. Netzneutralität ist die Vorbedingung für unsere Meinungs-, Informations- und Versammlungsfreiheit im Internet. Sie garantiert komplette Wahlfreiheit für Kunden und gleichzeitig Wettbewerb zwischen Firmen. Beile zusammen sind Grund der vorher nie da gewesenen Innovationskraft im Netz. Internet-Providern (ISPs) würden aber gerne Datenströme diskriminieren, um „ein paar Prozent Umsatzbeteiligung“ von allen Inhalte-Anbietern in ihrem Netz zu erpressen. Früher nannte man so etwas Wegelagerei. Gesetze zur Netzneutralität verbieten diese Diskriminierung und stellen sicher, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz im Internet bestehen bleibt. In den USA gibt es seit kurzem ein Gesetz zur Netzneutralität, der Kampf dafür war hart. In Europa liegt das Härteste noch vor uns. Deshalb ist es sehr besorgniserregend zu sehen wenn dieses wichtige Thema Teil von Handelsabkommen wird. Wir wissen aber leider aus einem Leak vom Dezember 2014, dass Netzneutralität Teil der Verhandlungen im Handelsabkommen TiSA ist und die TTIP Verhandlungen basieren auf demselben Text. Gesellschaftstaugliches Urheberrecht unmöglich machen Unsere Regeln für den Austausch kreativer Güter erfüllen die Anforderungen unserer modernen Gesellschaft nicht. Ein modernes Urheberrecht muss (mindestens) zwei Dinge leisten: 1) die Anerkennung real stattfindender nicht kommerzieller Nutzungsarten sowie 2) die gerechte Entlohnung der Kunstschaffenden. Aktuell versagen wir an beiden Fronten. Immer mehr alltägliche Handlungen werden ins kriminelle Eck gerückt. Jeder Facebook-Nutzer, der Bilder teilt, Handyvideos mit Musik im Hintergrund hochlädt oder jemandem ein eBook borgen will, stößt an rechtliche oder technische Grenzen. Zwar wird mit Musik, Filmen und Literatur immer noch viel Geld verdient, doch immer weniger davon kommt bei den Künstler*innen an, besonders bei den heimischen. Das System ist kaputt und für eine Reparatur fehlen der Mut und die Vision.  Beide Seiten der Debatte sind auch mehr damit beschäftigt sich gegenseitig zu diskreditieren anstatt an Lösungen zu arbeiten. Worauf wir uns aber hoffentlich einigen können ist, dass es niemandem in Europa hilft, wenn die amerikanische Unterhaltungsindustrie ihre Regeln über TTIP & Co in Europa durchsetzt. Die Verhandlungen über ein Europäisches Urheberrecht haben gerade erst begonnen, mit den Amerikanern am Tisch ist eine sinnvolle Einigung noch viel unwahrscheinlicher. Das sind nur einige der roten Linien der TTIP Verhandlungen in der EU. Deshalb, tun wir was am 18. April 2015 Ihr findet das alles schrecklich? Dann tut was! Am 18. April ist österreichweiter Aktionstag gegen die Handelsabkommen TTIP, CETA & Co. In über 11 Städten gehen Leute auf die Straße und protestieren. Ihr glaubt als gelernte Österreicher das hilft ja eh nix? Falsch! Bei ACTA haben wir es auch geschafft. Politik ist was ihr daraus macht.
Der Autor Thomas Lohninger arbeitet für den AKVorrat, ein Verein der darum bemüht ist die Vorratsdatenspeicherung und andere verfassungswidrige Überwachungsgesetzte abzuschaffen, und er engagiert sich bei der Initiative für Netzfreiheit, wo er europaweit für Netzneutralität kämpft. (CC-by-nd)

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