Die türkis-blaue Koalition hat seit Ende 2017 viele netzpolitische Themen berührt, davon ging aber sehr vieles in die falsche Richtung. Einer der Themenschwerpunkte von ÖVP und FPÖ war die Etablierung neuer und stärkerer Formen von Überwachung und der Abbau von Grundrechten. Wir haben jene Gesetze und Maßnahmen unter die Lupe genommen, die wir in dieser Zeit kritisiert haben, um eine Zusammenfassung dessen zu haben, was die nächste Regierung besser machen kann. 

Digitaler Ausweiszwang: Gesetz über Sorgfalt und Verantwortung im Netz

Noch nicht abgeschlossen ist die Causa des digitalen Ausweiszwangs. Der aus dem Kabinett Gernot Blümel stammende Gesetzesentwurf dazu befand sich bis 23. Mai in Begutachtung. Auch wir haben eine Stellungnahme publiziert, du findest sie hier. Wir haben darin kritisiert, dass das Gesetz nicht nur gegen EU-Gesetze verstößt, sondern auch einige Grundrechte nicht beachtet werden. Die drakonischen Strafen als auch die Verantwortung und Haftung, die man bestimmten Medienhäusern mit diesem Gesetz übertragen würde, stehen nicht in Relation zu dem, was man sich erhofft. Da Hassnachrichten im Internet bereits vorwiegend unter Klarnamen abgesetzt werden, ist zu bezweifeln, dass dieses Gesetz Hassrede eindämmen wird. Es wird aber ganz sicher viele davon abhalten, frei ihre Meinung zu äußern. Es bleibt zu hoffen, dass das Gesetz gar nicht erst verabschiedet wird.

Sozialhilfegrundsatzgesetz und Sozialhilfestatistikgesetz

Das wohl am meisten diskutierte Gesetz der vergangenen Legislaturperiode dürfte das Sozialhilfegesetz gewesen sein, mit dem die Bundesregierung die Mindestsicherung neu aufstellen wollte. 147 Stellungnahmen gab es dazu, so viele wie nur selten. Auch wir haben uns eingeschaltet, denn wir haben hier dringenden Handlungsbedarf in Sachen Datenschutz gesehen. Nach der Begutachtung wurde zwar verbessert, dass Daten über Sozialhilfebezieher von den Ländern nicht mehr über den Bund an die Statistik Austria erfolgen, sondern direkt, viel Kritisierenswertes blieb aber oder kam gar noch hinzu. So wird nun auch das Herkunftsland der Eltern der SozialhilfebezieherInnen erhoben und viel mehr Daten müssen viel häufiger von den Ländern an diverse Behörden übermittelt werden. Dem Bund fehlt aus unserer Sicht außerdem die Kompetenz dafür. Lest die genauen Kritikpunkte hier nach. Weiters haben wir gemeinsam mit dem Forum Informationsfreiheit kritisiert, dass die Transparenzdatenbank, die ursprünglich für die Vergabe von Fördergeldern vorhergesehen war, nun auch sämtliche Sozialleistungen von Bürgerinnen und Bürgern akkumulieren soll. „Zum einen gehen die Zwecke der Verarbeitung von Daten im Gesetz weit über die Statistik hinaus. Der Bund hat zudem keine Kompetenzgrundlage für die Vollziehung der Sozialhilfe, ist also nicht zur im Statistikgesetz genannten ‚Aufrechterhaltung des Sozialwesens und der Feststellung der Voraussetzungen und Höhe der Leistung der Sozialhilfe‘ berechtigt“, so lautetet unsere Kritik.

Digitalsteuer: Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür

Nachdem wir ja dafür bekannt sind, wirksam gegen die Vorratsdatenspeicherung vorgegangen zu sein, schauen wir uns alle neuen möglichen Formen dieser grundrechtswidrigen Einrichtung an. So haben wir auch festgestellt, dass die Digitalsteuer ein erneuter Versuch ist, diese Form der Datenspeicherung zu errichten. Sieben Jahre nämlich sollen IP-Adressen bei der Auslieferung von Online-Werbung aufgehoben werden. Was dem Gesetzesvorschlag gänzlich fehlt, ist eine Alternative zu dieser Form der Besteuerung - wieder einmal auf Kosten der Grundrechte.

Das Abwürgen einer ePrivacy-Verordnung auf EU-Ebene

Kurz vor Ende der österreichischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 haben wir gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern diverser Organisationen das Vorantreiben der ePrivacy-Verordnung gefordert. Mit einem offenen Brief forderte ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis die österreichische Bundesregierung auf, endlich für effizienten Schutz der Kommunikation im Internet zu sorgen. Die EU-ePrivacy-Verordnung sollte unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft endlich angegangen werden. Mehr als 20 Organisationen, darunter die Arbeiterkammer, Gewerkschaften, Amnesty International Österreich und wir haben das Schreiben unterzeichnet. Nach über 700 Tagen nachdem der Vorschlag für diese Verordnung da war, ist trotzdem nichts passiert.

Weitergabe von Daten über Asylsuchende an die Bundesagentur

Mit dem Gesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen wollte die türkisblaue Bundesregierung das Asylwesen wieder aus der privaten in die öffentliche Hand geben. Die Rechtsberaterinnen und -berater, die bisher AsylwerberInnen betreut haben, sollen unmittelbar alle Daten, die sie über diese Menschen haben, an die neue Bundesagentur weitergeben. Dieser Paragraf wurde überhaupt erst nach der Begutachtung eingeführt. Der freiwilligen Übergabe von Akten, Protokollen und erneuten Aussagen durch die Asylsuchenden an ihre neuen Rechtsberaterinnen und Rechtsberater des Bundes stünde dabei prinzipiell nichts im Wege. Die Weiterleitung im Rahmen des neuen Gesetztes soll aber gerade ohne eine derartige Zustimmung passieren. Hier kannst du die gesamte Kritik an diesem Gesetz lesen.

Wehrrechtsänderungsgesetz: Mehr Befugnisse fürs Militär

Es kommt nicht oft vor, dass noch während der Begutachtungsphase eines Gesetzes eine Regierungsvorlage entsteht. So ist das beim Wehrrechtsänderungsgesetz der Fall gewesen, nachdem heftig kritisiert wurde, dass dem Militär nun Polizeibefugnisse erteilt werden sollten. Unsere Kritik daran kannst du hier lesen. Dieser Teil ist dann rausgefallen, viele weitere problematische Inhalte sind aber nach wie vor im Gesetz enthalten. Kritisiert haben wir auch den Umgang mit Kritik am Gesetz, denn die rasche Regierungsvorlage hat die vielen Kritiken nicht wirklich einfließen lassen. Zudem scheinen nicht alle Stellungnahmen beachtet worden zu sein.

Fotos auf E-Cards

Das geplante Vorhaben, ab 2020 nur noch E-Cards mit einem Foto auszustellen, hat dazu geführt, dass den Sozialversicherungen der Zugriff auf die Bilddatenbanken von Reisepass- und Führerscheinbehörde erlaubt wird. Die hohen Kosten von angeblich über 32 Millionen Euro stehen nicht in Relation zum kolportierten Schaden. Wir haben die Zentralisierung dieser Datenbanken kritisiert und auch den sogenannten „mission creep“ wieder ins Gedächtnis gerufen, der nämlich dann eintritt, wenn man Anwendungen über ihren eigentlich Zweck hinaus ausweitet (in diesem Fall den Zugriff für) die SV-Träger.

Das Überwachungspaket

Das Überwachungspaket wurde im April 2018 beschlossen und beinhaltet folgende Punkte:
  • Staatliche Spionagesoftware (Bundestrojaner); ab 1. April 2020
  • Verstärkte Videoüberwachung; seit 1. März 2019
  • IMSI-Catcher; seit 1. Juni 2018
  • Überwachung im Straßenverkehr; seit 1. Juni 2018
  • Vorratsdatenspeicherung 2.0; seit 1. Juni 2018
  • Registrierungspflicht für Wertkarten; seit 1. Jänner 2019
  • Einschränkung des Briefgeheimnisses; seit 1. Juni 2018
Diese Bestandteile des Überwachungspakets wurden von uns analysiert und kritisiert. Der einzige Teil, der noch nicht wirksam ist, ist der sogenannte Bundestrojaner, also eine staatliche Überwachungssoftware, die verschlüsselte Kommunikation knacken soll. Leider fehlen für dieses Vorhaben des Innenministerium noch sämtliche Details. Höchst bedenklich ist am aktuellen Vorschlag, dass in Zukunft jeder Opfer des Bundestrojaners werden kann: Laut Gesetzesentwurf können die Sicherheitsbehörden in Computersysteme jeder Person, jeder Firma oder jedes Vereins einbrechen, von denen sie annehmen, dass diese mit Verdächtigen kommunizieren

Einschränkung der Menschenrechte von Asylwerbenden

Der damalige Innenminister Herbert Kickl wollte mit Hilfe einer Fremdenrechtsnovelle Menschenrechte von Asylwerbenden einschränken. Die ärztliche Schweigepflicht sollte eingeschränkt werden, wenn es um Menschen geht, deren Abschiebung bevorsteht. Damit würden Betroffene Krankenanstalten zu früh verlassen oder sie gar nicht erst aufsuchen. Das berührt das Recht auf Leben gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention. Für Asylwerberinnen und Asylwerber ist eine digitale Hausdurchsuchung bei Geräten aller Art vorgesehen. Damit sollen Reiserouten oder ihre Fluchtgründe nachvollzogen werden können. Diese umfassende Durchsuchung stellt eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, des Rechts auf Achtung der Privatsphäre sowie des Rechts auf Datenschutz dar. Unsere Kritik daran haben wir in einem Blogpost zusammengefasst.

Österreich setzt DSGVO mangelhaft um

Seit Mai 2018 ist die Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Und auch wenn sie viele fast an den Rand des Wahnsinns getrieben hat, so stellt sie einen europaweiten hohen Datenschutzstandard fest. Deine Rechte dazu solltest du kennen: Wir haben sie hier zusammengefasst. Wir kritisieren aber weiterhin, dass der Umgang mit der DSGVO in Österreich mangelhaft ist und zu wünschen übrig lässt. So setzt man hier lieber auf Verwarnungen statt auf Strafen. Das werden wir natürlich auch weiterhin kritisieren!

Rasterfahndung in Gesundheitsdaten

Im Sommer 2018 hat die Bundesregierung eine weitere Aufweichung des Datenschutzes verabschiedet: Im Zuge der Einführung des 12-h-Arbeitstages wurden Krankenversicherungsträger zur Rasterfahndung in den sensiblen Gesundheitsdaten ihrer Versicherten verpflichtet. Auch dagegen haben wir uns immer wieder ausgesprochen, da diese Art des intransparenten Profilings zu Missbrauch von Daten bzw. auch falschen Positiva führen kann.

Telekommunikationsgesetz: Neue Form der Vorratsdatenspeicherung (verhindert)

Gemeinsam mit den Internet Service Providers Austria (ISPA) haben wir dafür gesorgt, dass eine neue Form der Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür verhindert wird – diese wurde nämlich auf Betreiben des Innenministeriums nach der Begutachtung der Novelle des Telekommunikationsgesetzes in den Gesetzesentwurf eingearbeitet.

Die Übererfüllung der Fluggastdatenspeicherung

Die Übererfüllung von EU-Richtlinien, sogenanntes Gold Plating, war uns besonders bei der Fluggastdatenspeicherung ein Dorn im Auge. Die sogenannte Passenger-Name-Record-Richtlinie, kurz PNR-Richtlinie, sieht vor, dass Daten von Flugreisenden nicht nur vor und nach dem Flug gespeichert, sondern gleich auch analysiert werden. In Österreich wird das sogar bei innereuropäischen Flügen gemacht, auch wenn das nicht Teil der Richtlinie ist. Gegen diesen Grundrechtseingriff gehen wir jetzt auch juristisch vor. Lies mehr darüber, wie wir die PNR-Richtline zu Fall bringen werden!

Das Digitale Amt österreich.gv.at

Vor wenigen Wochen startete das neue E-Government-Portal oesterreich.gv.at. Digitalisierte Behördenwege sollen zentral angeboten werden. Mittelfristig sollen dort, so Digitalministerin Schramböck in einem Vortrag an den Ministerrat, die zehn gängigsten Use Cases abgebildet werden (z.B. Beantragen eines Reisepasses, Ummelden eines Wohnortes, Ummelden von Kraftfahrzeugen etc.). Denkbar sind für Schramböck auch "Services aus Dienstleistungsbereichen wie Bankwesen und Versicherungen". Wie sicher die Verwaltung der personenbezogenen Daten dort sein wird, bleibt abzuwarten. Wir werden auch dieses Projekt kritisch verfolgen! Bedenklich ist auf jeden Fall, dass man diese App so kurz vor einer EU-Wahl gestartet hat, denn es gab wieder Probleme mit Anträgen für Wahlkarten.

Gesetz zur Bildungsdokumentation

Genauso aktuell wie das Gesetz zum digitalen Ausweiszwang, ist das Gesetz zur Bildungsdokumentation, welches noch in der Schwebe ist. Seit Regierungsbildung wurde geplant, "Herkunft, Berufsstand der Eltern und soziale Situation" von Schülerinnen und Schülern mittels Fragebogen zu erörtern. Der Datenschutz wird dadurch deutlich verschlechtert. Wir sind gerade dabei, die Stellungnahme zu diesem Gesetz fertigzustellen!

Österreichs Abstimmungsverhalten bei Uploadfiltern

Die Abgeordneten der ÖVP haben für den Antrag der Urheberrechtsreform gestimmt, inklusive Uploadfilter. Entgegen unserer Erwartungen haben auch die Mitglieder der FPÖ nach längerem Hin und Her den Antrag doch nicht abgelehnt, sondern haben sich ihrer Stimme enthalten. Somit waren in Österreich nur Grüne, SPÖ und NEOS auf der Seite jener, die Uploadfilter ablehnen. Wir haben dazu eine große Kampagne gemacht, unser Fazit dazu könnt ihr in unserem Blog nachlesen.

AMS Algorithmus

Vielfach in den Medien besprochen, hat der AMS Algorithmus, der Arbeitssuchende in drei Kategorien einteilt, für Furore gesorgt. So werden Frauen - erst recht mit Kindern - automatisch schlechter bei den Fördermöglichkeiten gestellt, was natürlich weitere Auswirkungen auf ihre Jobchancen haben kann. Zwar kann man die Kategorie, in die man kommt, beanstanden, diese Information kennt aber nicht jeder und zudem sollte ein Algorithmus ohne diese Diskriminierungen auskommen. Wir haben beim Netzpat einen interessanten Vortrag dazu gehört, den wir dir ans Herz legen möchten, wenn du mehr über den AMS-Algorithmus erfahren möchtest.