Die Änderungen am Wehrrechtsänderungsgesetz und der Umgang mit Kritik
Am 26. Februar endete die parlamentarische Begutachtungsfrist für einen Gesetzesentwurf des Verteidigungsministeriums, den wir umfassend kritisiert haben. Mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz 2019 (WRÄG) sollte vorgesehen werden, die Befugnisse des Bundesheeres auszuweiten: Das Militär sollte bei Beleidigungen des Heeres Personenkontrollen durchführen können, die Befugnis erhalten, unter bestimmten Voraussetzungen IP-Adressen, Verkehrs- und Standortdaten abzufragen, zur Observation technische Mittel zu verwenden und Computersysteme als Mittel der Zwangsgewalt einzusetzen. Schließlich wird auch der Aufgabenbereich des Wachdienstes erweitert und die Datenübermittlung an inländische Behörden erleichtert.
Schon am 27. Februar in der Früh wurde die Regierungsvorlage mit einigen Änderungen veröffentlicht.
Die wichtigsten Änderungen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Personenkontrolle durch das Militär bei Beleidigungen entfällt. Wir begrüßen diese Änderung ausdrücklich, da dies eine verfassungswidrige und inakzeptable Vermischung von Polizei- und Militärbefugnissen dargestellt hatte. Wir sind froh, dass die kritischen Stimmen in diesem Punkt gehört wurden.
Ganz klar ist uns aber noch nicht, was die Strategie hinter diesem Vorstoß war. Prinzipiell gibt es drei Möglichkeiten: 1. Die Regierung hat absichtlich diese aufsehenerregende und medial längere Zeit aufbereitete Kontrollbefugnis von Anfang an inkludiert, um von den anderen "nicht so wichtig erscheinenden" Änderungen abzulenken und sie dann selbst zurückgezogen, um die Kritik im Sand verlaufen zu lassen. 2. Die Regierung hat diese Änderung tatsächlich rechtlich für möglich gehalten und wurde mit Stellungnahme zu Stellungnahme ob der Probleme ihres eigenen Vorschlags einsichtig und hat diesen deswegen entfernt oder es handelt sich 3. um den Versuch, umstrittene Befugnisse gesetzlich zu verankern, in der Hoffnung, dass das Vorhaben unter der Flut an problematischen Gesetzen untergeht und abseits des Blicks der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Debatte einfach und schnell beschlossen werden kann.
- Von vielen Seiten wurde stark kritisiert dass der Rechtsschutzbeauftragte bei einer der neuen Befugnisse zur Datenauskunft gar nicht eingebunden werden sollte. In einer Aussendung vom 27.2. schreibt das Verteidigungsministerium, die Einbindung des Rechtsschutzbeauftragten sei nun gesichert. Tatsächlich wurde aber nur eine Bestimmung eingeführt, nach der der Rechtsschutzbeauftragte von den Maßnahmen informiert werden muss. Das heißt, dass die Maßnahmen auch ohne seine Zustimmung gesetzt werdem können. Das ist nicht im Sinne der Kritik, die es von vielen Seiten gab und ändert auch nichts an der Grundrechtswidrigkeit, die aus diesem Mangel an Rechtsschutz folgt.
Folgende unserer Kritikpunkte wurden gar nicht beachtet und bleiben daher vollständig aufrecht:
- Digitale Gegenangriffe, die nun ermöglicht werden sollen, gefährden die allgemeine Sicherheit und können zur Instrumentalisierung der Fähigkeiten des Bundesheeres durch Dritte und zu unkontrollierbarer Eskalation führen. Sie sind daher strikt abzulehnen.
- Diese Novelle ist ein weiterer Schritt in der ständigen Ausweitung von Überwachungsbefugnissen. Ohne Durchführung einer Überwachungsgesamtrechnung und detaillierten Begründungen zur Notwendigkeit weiterer Überwachungsbefugnisse ist ihre Ausweitung grundsätzlich abzulehnen.
- Es wird außerdem empfohlen, für die Datenabfrage und -übermittlung die Durchlaufstelle (DLS) zu verwenden, siehe dazu ausführlich auch die Stellungnahme der Internet Service Providers Austria.
Das Wehrrechtsänderungsgesetz und der Umgang mit Kritik
Als Grundrechts-NGO versuchen wir uns auch transparent in Begutachtungsprozesse einzubringen und legen großen Wert darauf, unsere Kritik an geplanten Gesetzesänderungen unter die Menschen zu bringen und auch bei zuständigen PolitikerInnen anzubringen.
Im Falle des geplanten Wehrrechtsänderungsgesetzes waren wir aber überrascht über die Vorgehensweise der Regierung. Die Begutachtungsfrist des Gesetzesentwurfs war bis 26. Februar 2019 anberaumt. Am 25. Februar haben wir unsere Stellungnahme innerhalb dieser gesetzten Frist an das Parlament und die zuständigen Ministerien übermittelt. In der offiziellen Presseaussendung war von 18 Stellungnahmen die Rede, es waren aber bis zum Begutachtungsschluss 24 vorhanden. Wurde unsere Stellungnahme also nicht gelesen und unsere Arbeit damit umsonst?
Die rasche Veröffentlichung der Regierungsvorlage aus dem Verteidigungsministerium schon in der Früh am Tag nach dem Schluss der Begutachtungsfrist hat uns überrascht, denn es ist unwahrscheinlich, dass alle Stellungnahmen in so kurzer Zeit sorgfältig geprüft werden konnten. Wir sehen diese eine Vorgangsweise ungern und betrachten es als undemokratisch, den Begutachtungsprozess nicht abzuwarten und nicht alle Stellungnahmen zu berücksichtigen. Die Begutachtung von Gesetzen ist ein demokratisch wichtiges Mittel, auf das wir auch in Zukunft setzen werden, um uns am Gesetzgebungsprozess proaktiv zu beteiligen und somit unsere Expertise im Bereich digitaler Rechte und Grundrechte einfließen zu lassen.
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