Fremdenrecht: Innenminister Kickl will Schutzsuchenden ihre Menschenrechte aberkennen
Grund- und Menschenrechte sind universell. Sie gelten für alle Menschen gleichermaßen – egal wo sie geboren sind. Im Entwurf für die Novelle des Fremdenrechtsgesetzes wird dieses Prinzip gleich in mehreren Punkten missachtet. Die ärztliche Schweigepflicht soll eingeschränkt werden, wenn es um Menschen geht, deren Abschiebung bevorsteht. Damit würden Betroffene Krankenanstalten zu früh verlassen oder sie gar nicht erst aufsuchen. Das berührt das Recht auf Leben gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention. Für Asylwerberinnen und Asylwerber ist eine digitale Hausdurchsuchung bei Geräten aller Art vorgesehen. Damit sollen Reiserouten oder ihre Fluchtgründe nachvollzogen werden können. Diese umfassende Durchsuchung stellt eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, des Rechts auf Achtung der Privatsphäre sowie des Rechts auf Datenschutz dar. Die Grundrechts-NGO epicenter.works wendet sich entschieden gegen diese Vorhaben. Menschen, die in ihrem Heimatland verfolgt werden, brauchen besonderen Schutz. Es ist zynisch, sie zusätzlichen Gefahren auszusetzen.
"Nachdem mit dem Überwachungspaket die Grund- und Freiheitsrechte aller Menschen in Österreich eingeschränkt wurden, nimmt sich Innenminister Kickl nun gezielt Schutzsuchende vor. Mit den neuen Regelungen werden faire Asylverfahren weiter erschwert. Die Botschaft ist verheerend: Asylwerberinnen und Asylwerber werden als Menschen zweiter Klasse betrachtet. In dieser Form darf das Gesetz nicht beschlossen werden",
so Angelika Adensamer. Die Juristin von epicenter.works hat die Stellungnahme zu diesem Gesetzesvorschlag mitverfasst. Die Stellungnahme von epicenter.works beschränkt sich nur auf die Aspekte, zu denen die Organisation auch entsprechende Expertise hat. Es gibt noch zahlreiche weitere Problembereiche im Gesetzesvorschlag, die von anderen Institutionen thematisiert wurden und werden (siehe >>hier). Der gesamte Text ist >>hier zu nachzulesen.
Gefahr für Gesundheit und Leben
Die ärztliche Schweigepflicht soll nicht mehr gelten, wenn die Abschiebung von Menschen bevorsteht. Dann sollen Ärztinnen und Ärzte einer Krankenanstalt nämlich verpflichtet werden, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf Anfrage Auskunft den Zeitpunkt der Entlassung mitzuteilen. Jede Verpflichtung, Daten von Patientinnen oder Patienten weiterzugeben, erschüttert das Vertrauen in den medizinischen Berufsstand. Das kann dazu führen, dass die Betroffenen die Krankenhäuser zu früh verlassen, oder sich gar nicht mehr in medizinische Behandlung begeben.
Digitale Hausdurchsuchung mit weitreichenden Konsequenzen
Künftig sollen bei unschuldigen Asylwerbenden Methoden eingesetzt werden, wie sie nur für die Aufklärung schwerster Straftaten bekannt sind. Alle Geräte wie Smartphones, Kameras oder USB-Sticks, die diese Menschen bei sich führen, können beschlagnahmt und vollständig ausgewertet werden. Auch eine komplette Sicherungskopie darf erstellt werden. Eine besondere Verpflichtung zur Löschung von Daten, die nicht dem gesetzlich vorgesehenen Zweck (der Feststellung der Identität und der Fluchtroute) dienen, ist nicht vorgesehen. Es muss bezweifelt werden, dass das Mittel diesen Zweck überhaupt erfüllt. Das UN-Flüchtlingskommissariat bestätigt, dass Handys während einer langen Flucht oft von mehreren Menschen genutzt werden. Besonders problematisch ist die geplante Weitergabe der erhobenen Daten an Strafverfolgungsbehörden. Grundsätzlich müssen die Ermittlungsbefugnisse der Strafprozessordung nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit eingesetzt werden. Das bedeutet, dass beim Verdacht auf weniger schwer wiegende Straftaten besonders eingriffsintensive Ermittlungsbefugnisse nicht zulässig sind. Beweisverwertungsverbote verhindern in der Regel, dass Beweise zum Nachweis von Straftaten zu verwendet, die nicht Gegenstand der angeordneten Ermittlungsmaßnahme sind. Ein solches Verbot fehlt in diesem Gesetzesvorschlag.
Lebensgefährliche Folgen
Wer in seinem Heimatstaat verfolgt wird, hat ein besonderes Interesse daran, dass Details über die Flucht, oder auch über das Verhalten, das die Verfolgung ausgelöst hat (sei es politische Betätigung, Religionszugehörigkeit, oder auch sexuelle Orientierung) geheim bleiben. Gelangen solche sensiblen Informationen wieder zurück in das Heimatland, kann dies für Angehörige, die sich noch dort befinden oder – im Fall einer Abschiebung – für die Person selbst lebensgefährliche Konsequenzen haben. Ebenso lebensgefährlich kann es sein, wenn Menschen befürchten müssen, dass die ärztliche Schweigepflicht in ihrem Fall nicht mehr gilt und sie sich deshalb nicht mehr medizinisch behandeln lassen.
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