Staatsschutzgesetz
Widerstand gegen den neuen österreichischen Inlandsgeheimdienst
Am 1. Juli 2016 wurde in Österreich ein neuer Inlandsgeheimdienst mit weitreichenden Überwachungsbefugnissen etabliert. Grundlage dafür liefert das Polizeiliche Staatsschutzgesetz (PStSG). Wir haben von Beginn an großen Widerstand gegen dieses Gesetz geleistet und werden das auch weiterhin tun.
Schon der erste Entwurf des Gesetzestextes, der Anfang März 2015 vom Innenministerium vorgelegt wurde, ließ bei uns alle Alarmglocken schrillen. Die darin vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen sollten schon sehr weit im Vorfeld von Straftaten ansetzen. Und das ohne Kontrolle durch unabhängige Richter. Seither wurde einiges verbessert, manches gemildert oder zumindest eingegrenzt. Dennoch erlaubt das Gesetz in seiner beschiossenen Form noch immer viel zu weitreichende Überwachungsmaßnahmen bei viel zu schwachem Schutz der bürgerlichen Rechte.
Mit dem neuen Gesetz rücken ganze gesellschaftliche Gruppen ins Fadenkreuz des Inlandsgeheimdienstes. Fußballfans, Tierschützer*innen oder religiöse Minderheiten können aufgrund der schwammigen Definition des Begriffes "Gruppierung" überwacht werden. Ein konkreter Verdacht ist angesichts des unzureichend beschriebenen "verfassungsgefährdenden Angriffs" nicht mehr nötig. Damit wurde eine mächtige, intransparente und weitgehend unkontrollierte Polizeibehörde mit den tiefgreifenden Überwachungsbefugnissen eines Inlandsgeheimdienstes geschaffen.
Im Lauf des Jahres 2015 wurde - infolge unserer juristischen Analysen aller vier vorgelegten Versionen des Gesetzesentwurfes und dank zahlreicher öffentlichkeitswirksamer Aktionen, viel über dieses Vorhaben diskutiert. Leider haben weder die 30.078 Unterschriften auf unserer Petitionsseite www.staatsschutz.at noch die zahlreichen Stellungnahmen unserer Rechtsexpert*innen zu einem Gesetz geführt, das mit unseren Grundrechten in Einklang steht. Auch wenn immerhin einige signifikante Verbesserungen zum ursprünglichen Vorschlag erreicht werden konnten.
Daher haben wir im Auftrag der Parlamentsklubs von Freiheitlichen und Grünen eine Verfassungsklage ("Drittelbeschwerde") ausgearbeitet, die Ende Juni beim Österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingebracht wurde. Noch ist nicht bekannt, wann sie behandelt wird. Wir bleiben dran!
Unsere Hauptkritikpunkte
- Österreich bekommt einen unkontrollierbaren Inlandsgeheimdienst
- Überwachung ohne richterliche Kontrolle
- Extrem lange Speicherfristen für erfasste Daten
- Überwachung ganzer "Gruppierungen"
- Überwachung beginnt sehr weit im Vorfeld möglicher Straftaten
- Uneingeschränkte Internetüberwachung
- Einführung eines bezahlten Spitzelwesens
- Fehlende Evaluation bestehender Überwachungsinstrumente
Unsere fünf Forderungen
Die Unterzeichner*innen der Petition gegen das Polizeiliche Staatsschutzgesetz haben sich hinter unsere Forderungen gestellt. Diese wurden im Zuge der Adaptionen am Gesetzestext nicht berücksichtigt. Sie sind nach wie vor aufrecht.
- Faktenbasierte Sicherheitspolitik – Das Staatsschutzgesetz muss zurück an den Start und nach einer umfassenden Evaluierung der Überwachungssituation, der Ermittlungsstatistiken und einer faktenbasierten Erhebung des Sicherheitsbedarfs neu ausgerichtet werden. Bevor die Bundesregierung Grundrechte einschränken darf, muss sie nachweisen, dass ihr Vorhaben notwendig und verhältnismäßig ist.
- Klare Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten – Der Staatsschutz darf nicht gleichzeitig Polizei sein und die Überwachungsbefugnisse eines Geheimdienstes haben. Es braucht eindeutige Zuständigkeiten.
- Keine Repression gegenüber Zivilgesellschaft, Journalisten und "Whistleblowern" – Die Aufgabe des Staatsschutzes darf sich nicht bis auf "Wald und Wiesen"-Delikte erstrecken. Die Definition "verfassungsgefährdenden Angriffs" muss scharf eingegrenzt und auf wirklich schwere Straftaten reduziert werden. Es darf zu keiner Einschränkung allgemeiner Grundrechte wie des Demonstrationsrechts oder der Pressefreiheit kommen.
- Starker Rechtsschutz, kein "pre-crime" – Für jede Überwachungsmaßnahme müssen konkrete Verdachtsmomente, sowie die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs schriftlich begründet und richterlich genehmigt werden. Die parlamentarische Kontrolle muss ausgebaut und die Transparenz sicherheitsbehördlicher Tätigkeiten erhöht werden.
- Keine bezahlten Spitzel – Erfahrungen im In- und Ausland zeigen, dass der Einsatz von "Vertrauenspersonen" im rechtsstaatlichen Verfahren oft zu Schwierigkeiten – und bei bezahlten Spitzeln nicht selten zu skandalösen Auswüchsen – führt. Österreich sollte aus den Erfahrungen anderer Länder lernen, anstatt deren Fehler zu wiederholen. Aber auch der Einsatz unbezahlter "V-Leute" (Spitzel) muss im Einklang mit der Strafprozessordnung sauber geregelt werden.
Weitere Informationen und Details zum Polizeilichen Staatsschutzgesetz finden sich auf www.staatsschutz.at.
Medienbeiträge zum Thema
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