Sieben Fragen an den künftigen Innenminister Wolfgang Sobotka
Eigentlich sollte sich jede Kandidatin und jeder Kandidat für ein Ministeramt einem öffentlichen Hearing stellen. Da das in Österreich nicht der Fall ist und Innenminister vom niederösterreichischen Landeshauptmann nominiert werden, richtet der AKVorrat folgende sieben Fragen an den künftigen Innenminister Wolfgang Sobotka.
Sehr geehrter Herr Sobotka,
der Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich, kurz AKVorrat, versteht sich als kritische und konstruktive Kraft, die sich dafür einsetzt, dass Grund- und Menschenrechte auch im Digitalen eingehalten werden. Ein besonderer Schwerpunkt unserer Arbeit liegt darin, mit allen Mitteln, die einer zivilgesellschaftlichen Initiative zur Verfügung stehen, eine evidenzbasierte Sicherheitspolitik einzufordern und unsere juristische und technische Expertise in den politischen Prozess einzubringen.
Wir würden uns daher sehr freuen, wenn Sie uns und den Bürgerinnen und Bürgern Antworten auf diese Fragen geben.
1. Überwachungsmöglichkeiten wurden über die letzten Jahre immer weiter ausgebaut, gleichzeitig ist die Digitalisierung der Gesellschaft weiter vorangeschritten. Dadurch hat sich der Eingriff in die Privatsphäre der Bevölkerung um ein Vielfaches verstärkt (siehe Urteilsbegründung des EuGH zur Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung). Wie gedenken Sie, das Gleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit wieder herzustellen und unsere Überwachungsgesetze auf ihre Verfassungskonformität hin zu überprüfen?
2. Wie werden Sie sicherstellen, dass bei künftigen legistischen Maßnahmen die Erklärung der Menschenrechte, die europäische Grundrechtscharta, das Grundrecht auf Datenschutz und die Erkenntnisse der österreichischen und europäischen Höchstgerichte berücksichtigt werden?
3. Kürzlich wurde bekannt, dass sämtliche Exekutivbeamte Österreichs direkten Zugriff auf hochsensible Sozialversicherungsdaten haben. Dieser unterliegt offenbar keiner ständigen Kontrolle, sondern wird lediglich stichprobenartig überprüft. Die Kontrolle verläuft noch dazu völlig ungeregelt und wird von den einzelnen Behörden unterschiedlich gehandhabt. Was werden Sie unternehmen, dies zu ändern?
4. Das BMI soll nach dem jüngst vom BMJ vorgelegten Gesetzentwurf für die Umsetzung der Überwachung von Nachrichten, die im Wege eines Computersystems übermittelt werden (kurz: Bundestrojaner), sorgen. Unter der irreführenden Bezeichnung einer Wirkungsfolgenabschätzung wurden die jährlichen Kosten mit 450.000,- Euro beziffert. Halten Sie eine derart hohe Summe für gerechtfertigt? Wissen Sie, wie diese berechnet wurde?
5. Die Kosten für derartige Software-Systeme werden zu einem guten Teil vom Grad ihrer Komplexität bestimmt. Werden Sie dafür sorgen, dass die technischen Konzepte, die dahinter stehen, offengelegt werden?
6. In den ersten Monaten Ihrer Amtszeit wird das Polizeiliche Staatsschutzgesetz in Kraft treten. Was werden Sie in der Umsetzungsphase tun, um dieses grundrechtlich höchst problematische Gesetz in Einklang mit der Verfassung zu bringen?
7. Laut Anfragebeantwortungen Ihres Ministeriums hat Österreich ein größeres Problem mit rechtsextremer Gewalt [1] als mit islamistisch motiviertem Terror. Bieten Staatsschutzgesetz und Bundestrojaner die richtigen Instrumente und Ansatzpunkte, diese wirkungsvoll zu bekämpfen? Auf welchen Quellen oder Studien basiert Ihr Standpunkt?
Wir freuen uns auf einen offenen Dialog mit Ihnen und wünschen Ihnen alles Gute für Ihre neuen Aufgaben!
Ihr AKVorrat
[1] Das zeigen die Antworten des BMI auf eine parlamentarische Anfrage.
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