
Bundestrojaner führt zur Massengefährdung der Bevölkerung
Der Datenschutzverein epicenter.works ist empört über den erneuten Versuch der Legalisierung von staatlicher Spionagesoftware. Zum fünften Mal hat die Bundesregierung gestern einen Versuch gestartet, die umstrittene Messenger-Überwachung in Österreich zu legalisieren. Seit 2016 sind bereits vier solcher Gesetzesvorhaben gescheitert. Die Regierung steuert damit erneut in eine Sackgasse, trotz bekannter verfassungsrechtlicher Bedenken, hoher Kosten und vieler Skandale in anderen EU-Staaten. Dieser Gesetzesentwurf untergräbt nicht nur das Grundrecht auf Datenschutz und gefährdet die gesamte IT-Sicherheit unseres Landes, sondern stellt letztendlich auch eine Bedrohung für unsere Demokratie dar. Die NGO ruft dazu auf die Petition auf www.bundestrojaner.at zu unterzeichnen und sich in der parlamentarischen Begutachtung zu äußern.
Um Spionagesoftware unbemerkt auf ein Smartphone einzuschleusen, müssen gezielt Sicherheitslücken ausgenützt werden. Diese Sicherheitslücken betreffen jedoch nicht nur das Gerät der Zielperson, sondern alle baugleichen Geräte desselben Herstellers. Um ein einzelnes Gerät angreifen zu können, müssen also Millionen Geräte absichtlich unsicher gehalten werden. Oftmals zahlen staatliche Stellen regelmäßig an Hersteller von Spionagesoftware, um zu gewährleisten, dass bekannte Sicherheitslücken bewusst offengelassen werden – damit sie für staatliche Überwachungszwecke nutzbar bleiben. Daraus entsteht eine Massengefährdung der gesamten Bevölkerung. Anstatt den Bürger und die Bürgerin, vor Cyber-Angriffen zu schützen, öffnet der Staat Kriminellen Tür und Tor.
Der erste Versuch der Legalisierung eines Bundestrojaners scheiterte bereits 2016 aufgrund von massiver Kritik in der Begutachtung. 2017 gab es einen zweiten Anlauf, der im Parlament scheiterte. 2018 wurde unter Innenminister Kickl ein Bundestrojaner beschlossen, den der Verfassungsgerichtshof jedoch 2019 aufhob, noch bevor das Gesetz in Kraft trat. 2024 schickte Innenminister Karner einen Entwurf in Begutachtung zu dem sich knapp 100 Stellungnahmen äußerten. 94% dieser Stellungnahmen waren kritisch, darunter die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, OGH, Datenschutzbehörde, Datenschutzrat, mehrere universitäre Institute und große Teile der Zivilgesellschaft.
Auf www.bundestrojaner.at gibt es eine Zusammenfassung aller Stellungnahmen und eine Petition gegen das Vorhaben der Regierung.
Innenminister Karner und Staatssekretär Leichtfried haben gestern auch fälschlicherweise den Bundestrojaner mit einer Telefonüberwachung verglichen. Dieser Vergleich ist schlichtweg irreführend, gibt doch ein durch den Bundestrojaner überwachtes Smartphone viel mehr über einen Menschen preis, als das bloße Abhören eines einzelnen Telefonats. Auf den meisten Smartphones finden sich Adressbuch, Fotos, Standort, Mikrofon, Kalendereinträge, Entwürfe von niemals gesendeten Nachrichten oder Gesundheitsdaten. Passender wäre deshalb ein Vergleich mit einer verwanzten Wohnung oder einer Überwachungsdrohne, die der Zielperson überall hin folgt.
Wegen dieser enormen Eingriffstiefe hat der Verfassungsgerichtshof 2019 das damalige Gesetz auch aufgehoben. Inzwischen wurden viele Skandale aus anderen EU-Ländern bekannt, in denen Journalist:innen, Richter:innen, Anwält:innen, Oppositionelle oder Aktivist:innen unrechtmäßig überwacht wurden. Somit wurden gerade jene Personen ungerechtfertigterweise bespitzelt, die für das Funktionieren einer liberalen Demokratie unentbehrlich sind. Deshalb ruft epicenter.works dazu auf den geplanten Bundestrojaner abzulehnen und sich auf eine faktenbasierte Sicherheitspolitik zu besinnen, die angesichts der hohen Kosten und des geringen Nutzens dieser Maßnahme eine sinnvollere Verwendung von Steuergeld liefern würde.
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