Heute veröffentlichen wir unsere Stellungnahme zu den geplanten Änderungen von Gesundheitsminister Anschober zum Epidemiegesetz und dem COVID-19 Maßnahmengesetz.  Leider fällt unser Zeugnis vernichtend aus. Wir verorten massive Datenschutzprobleme im geplanten Contact-Tracing für Betriebe und Veranstalter und befürchten, dass die Einführung der Rechtsgrundlage als Folge der erst kürzlich aufgehobenen Covid-19-Verordnungen wieder verfassungwidrig sein könnten. Aufgrund der sehr kurzen Begutachtungsfrist von 16 Tagen konnten wir nur zu zwei Regelungen eine ausführliche Stellungnahme abgeben.

Groß angelegte Datenspeicherung riskiert das Vertrauen der Bevölkerung

Die wahrscheinlich umfangreichste und überraschenste Änderung des vorliegenden Gesetzes ist die Einführung einer Datenspeicherung der Gästen-, Besucher-, Kunden- und Mitarbeiter*innendaten von 28 Tagen und die Datenweitergabe an die Behörde durch Betriebe/Veranstalter/Vereine für den Zweck der Kontaktnachverfolgung. Ob eine Datenerhebung auch verpflichtend ist, ist völlig unklar. Sollte auch eine Datenerhebung verpflichtend eingeführt werden, würde das alle Geschäfte, Restaurants, Bars oder Vereinslokale betreffen. Das Gesetz ist so breit anzuwenden, dass sogar Anwaltskanzleien oder Arztpraxen davon betroffen sein können. Die Geheimhaltung von Daten dieser Berufsgruppen sind besonderes geschützt, weshalb es zu Recht kritische Stellungnahmen gibt. Ob es sich um eine Erhebungs- oder Aufbewahrungspflicht handelt, ist auch maßgeblich für den Verwaltungsaufwand der Betriebe, Veranstalter und Vereine, die durch die wirtschaftliche Lage ohnehin schon enorm betroffen sind und denen jetzt die Verantwortung für die Datensicherheit überantwortet wird.

Die Rechtsgrundlage dieser Datenverarbeitung (analog und digital) ist die ausdrückliche Einwilligung durch die/den Betroffene/n. Diese muss ernsthaft, freiwillig (ohne Zwang und Druck) und vollständig sein, da eine Datenverarbeitung sonst nicht rechtmäßig ist und einen ungerechtfertigten Grundrechtseingriff darstellt. Diesen Punkt sehen wir zB bei Minderjährigen und Mitarbeiter*innen sehr problematisch. Zwar können die Betroffenen ihre Datenweitergabe verweigern, es wird jedoch kein strenges Kopplungsverbot eingeführt. Es gibt also kein Verbot den Betroffenen aufgrund der Zustimmung zur Datenverarbeitung Vorteile zu gewähren oder sie mit Nachteilen zu bestrafen. Für die Sicherstellung einer freiwilligen Zustimmung als gültige Rechtsgrundlage braucht es klare Regelungen und die gesetzliche Verankerung der Freiwilligkeit. In Bezug auf die Stopp-Corona App des Roten Kreuzes haben wir bereits einen Gesetzesvorschlag zur Absicherung der Freiwilligkeit erarbeitet und in die Debatte eingebracht.

Vorratsdatenspeicherung - Anlassdatenweitergabe

Im Fall einer Epidemie ist das legitime Ziel der Aufbewahrung von Kontaktdaten von Gästen, Besuchern, Kunden und Mitarbeiter*innen, um schnelleres Contact-Tracing zu gewährleisten. Zwar werden die Daten erst bei Auftreten einer COVID-19-Infektion an die Behörde weitergegeben, jedoch erlaubt das vorliegende Gesetz eine pauschale und präventive Speicherung von Kontaktdaten auch ohne konkreten Anlassfall. Da die Regelung im Epidemiegesetz verankert wird, gilt sie auch bei Vorliegen weiterer im Epidemiegesetz oder durch Verordnung genannten Krankheitsfälle.

Ein Grundrechtseingriff darf nur für einen legitimen Zweck durch geeignete und erforderliche und mit den gelindesten zum Ziel führenden Mitteln vorgenommen werden. Im Fall zB einer COVID-19-Infektion erschließt es sich uns nicht, warum Daten von Gästen, Besuchern, Kunden und Mitarbeiter*innen weitergeben werden müssen, die weder zum gleichen Zeitpunkt noch in unmittelbarer Nähe der infizierten Person im Betrieb, Veranstaltungs- oder Vereinsraum anwesend waren. Die Weitergabe von Kontaktdaten der letzten 28 Tage an die Behörde bewerten wir daher als überschießend. Weiters wird auch nicht auf die Örtlichkeit eingegangen, wie z.B. Räume mit Trennscheiben, große oder mehrere Räume in Betriebs-, Veranstaltungs- oder Vereinsstätten, sowie Outdoorbereiche. Aus diesen Gründen weisen wir darauf hin, dass eine unterschiedslose und anlasslose (wenn auch nur kurzzeitige) Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig erkannt wurde. So war auch unsere Einschätzung zur Standortdatenverwendung.

Diese Regelungen schädigt das Vertrauen in der Bevölkerung enorm, da die Bestimmungen oft unklar sind und damit nicht dem Legalitätsgrundsatz entsprechen. Genauso unbestimmt bleiben die Bedingungen der Weitergabe dieser Daten in internationale Contact-Tracing Stellen, welche mit diesem Gesetz ebenfalls möglich wird.

Betretungsverbote per exekutivem Verordnungsrecht

Mit der vorgeschlagenen Änderung des COVID-19 Maßnahmengesetz Art. 3 reagiert der Gesetzgeber auf die vom VfGH am 14.7.2020 zur Gänze aufgehobenen Verordnung der Beschränkung des öffentlichen Raums. Der Gesetzgeber möchte jedoch an seinem Konzept von Betretungsregeln festhalten. In der Zusammenschau des vorliegenden Gesetzestextes und Erläuterungen kritisieren wir scharf die Möglichkeiten für Grundrechtsbeschränkungen, die allesamt per exekutivem Verordnungsrecht erlassen werden können, zumal eine große Rechtsunsicherheit durch die verfassungsrechtlich bedenklichen Gesetzesbegriffe gegeben ist.

In § 1 werden Betretungsregeln für spezifisch genannte Orte (Betriebsstätten, Arbeitsorte und Verkehrsmittel) verankert. In § 2, der gleichlautenden Verordnungsermächtigung, wird das Betreten von „bestimmten Orten“ geregelt. Somit stellt sich unweigerlich die Frage, ob unter „bestimmten Orten“ auch private Orte wie Vereinslokale oder Wohnungen zu verstehen sind? Eine solche Auslegung lehnen wir ab, da Regelungen über den höchstpersönlichen Wohnbereich verfassungswidrig wären. Diese Problematik haben wir schon bei der COVID-19-Lockerungsverordnung angemerkt. Wir fordern eine gesetzliche Klarstellung, damit die Kompetenz des Verordnungsgebers, bei dieser ohnehin schon eingriffsintensiven Regelung, klar eingegrenzt wird. Eine präzise gesetzliche Formulierung ist unerlässlich, um eine verfassungskonforme Regelung zu schaffen. Die vorliegende legistische Umsetzung führt unweigerlich zu großer Rechtsunsicherheit.

Als legitimes Ziel für mögliche Grundrechtsbeschränkungen wird der Gesundheitsschutz herangezogen. Der neue § 2 Abs 1 Z 2 schafft die Möglichkeit den gesamten öffentlichen Raum per Exektutivrecht einem nicht näher definierten Regelregime zu unterwerfen. In den Erläuterungen befinden sich so gut wie keine Erklärungen, die die Erforderlichkeiten aufzeigen würden. Konkrete Gründe, die ein „grundsätzliches Betretungsverbot für öffentliche Orte (mit Ausnahmen)“ rechtfertigen, werden nicht genannt. Nach aktuellem Wissensstand zur Verhinderung von COVID-19 Verbreitung gibt es gelindere Mittel, um die Zielerreichung zu gewährleisten (Abstandregelung, Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes). Deshalb ist es unverständlich, dass solch eine Grundrechtseinschränkung, wie ein absolutes Betretungsverbot des öffentlichen Raums, verfassungskonform sein kann. Lediglich „Auflagen für das Betreten von öffentlichen Orten“ wären in diesem Fall legitim. Ein gänzliches Betretungsverbot für den öffentlichen Raum scheint keinesfalls erforderlich und wäre somit verfassungswidrig.

Keine zivilgesellschaftliche Partizipation im Gesetzwerdungsprozess

Es wirkt so, als ob das Gesetz gänzlich ohne Einbeziehung von Betroffenen geschrieben wurde. Genau dafür gibt es Vorbegutachtungen und gerade in diesem Thema wäre eine kooperative Gesetzwerdung anhand des geteilten gesamtgesellschaftlichen Ziels der COVID-19-Bekämpfung einfach machbar und fachlich notwendig gewesen. Jedenfalls hat sich die Gesetzgebung auch in Krisenzeiten immer an den grundrechtlichen Maßstäben zu messen. Abschließend bleibt einfach nur zu hoffen, dass diese Begutachtung zu massiven Änderungen dieser Gesetze führt. Zielführender wäre es gewesen mit runden Tischen die relevanten Stakeholder schon frühzeitig einzubeziehen. Ohne inhaltliche und legistische Verbesserungen riskiert die Bundesregierung eine weitere Aufhebung ihrer Gesetze durch die Höchstgerichte.

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