Whistleblower:innen sind ein wichtiges Korrektiv in einer demokratischen Gesellschaft, denn sie decken Missstände, wie Korruption, Machtmissbrauch oder Wirtschaftskriminalität auf. Sie selbst setzen sich dabei meist einem hohen Risiko aus. Persönliche Drohungen gegen sich oder gar Angehörige sind dabei nur die Spitze des Eisbergs – Kündigungen und andere existenzgefährdende Folgen sind eher der Normalfall in einem ungleich gewichtetem Ringen um Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit. Fälle wie Edward Snowden, Frances Haugen oder Julian Assange sind aktuelle Beispiele.

Die Rolle, die Whistleblower:innen in unserer Gesellschaft zukommt, macht deshalb ein klares Gesetz nötig, mit dem klare Wege für mutige Menschen geschaffen werden, die helfen illegales Verhalten bei Unternehmen oder öffentlichen Stellen aufzudecken. Mit der EU-Richtlinie aus 2019 zum Schutz von "Whistleblower:innen" gibt es nun einen Mindesstandard auf EU-Ebene. Aber die EU hat den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gelassen, über ihren Rahmen hinauszugehen - man könnte also Goldstandards setzen, wenn man dies wollte!

Der politische Wille für den Schutz von Aufdecker:innen fehlt

In Österreich hat man es nicht rechtzeitig mit der Umsetzung geschafft und ein Vertragsverletzungsverfahren riskiert. Nun liegt seit dem 03. Juni 2022 endlich der Gesetzesentwurf zur Begutachtung vor, der sich aber stark an der RL orientiert und alles andere als ein "großer Wurf" ist. Goldstandards setzt das Hinweisgeber:innenschutzgesetz (HSchG) jedenfalls nicht und erweckt den Anschein, als wäre das Aufdecken von Missständen auch nicht das Ziel der türkis-grünen Regierung.

Eines der größten Bedenken, die wir zum HschG haben, ist die unnötige Komplexität in seinem Geltungsbereich, die für große Rechtsunsicherheit sorgt. Der Anwendungsbereich ist in der EU-Richtlinie schon sehr kompliziert und man sollte ein Studium in Europarecht abgeschlossen haben, um die Richtlinie zu verstehen. Aber leider wurde dies auch in der nationalen Umsetzung nicht besser gemacht. Man kann im Vorfeld ohne rechtliche Kenntnis kaum sagen, ob man mit seinen Enthüllungen geschützt ist oder nicht. Die Folge ist klar: jede:r wird es sich sehr gut überlegen, ob er/sie das Risiko eine Meldung abzugeben eingeht, wenn man letztendlich ohne Schutz dastehen kann, die Gefahr einer Kündigung droht und eventuell sogar Angehörige bedroht werden könnten.

Insofern wird das Gesetz seinen eigentlichen Zweck wohl verfehlen: Menschen einen klaren, rechtssicheren Raum zu bieten, um Gesetzesverstöße oder Korruption aufzudecken. Die geschaffenen Rahmenbedingungen sind nämlich weder rechtssicher oder transparenter noch nachvollziehbarer. Immerhin gibt es die Möglichkeit einer anonymen Meldung und es ist vorgesehen, Hinweisgeber:innen, deren Identität ohne eigenes Zutun bekannt wird, zu schützen. Gleichzeitig wird ein Einzelner aber alleine kaum durch den Paragraphendschungel finden. Daher sollen Unternehmen ab 50 Mitarbeiter:innen (erst dann ist das Gesetz anwendbar) und öffentliche Einrichtungen selbst Beratung vornehmen. Letztere müssen etwa ein Prozedere veröffentlichen, wie man Meldungen einreicht und wie man dies auch anonym machen kann. Potenzielle Hinweisgeber;innen sollen sich also von den potenziellen Täter:innen erklären lassen, wie man ihr Fehlverhalten am besten öffentlich macht? Das eröffnet gute Chancen, sich nach außen in schöner PR-Manier zu präsentieren. Warum hat der Gesetzgeber es versäumt, hier selbst ganz einfach für Klarheit zu sorgen und damit wirklich transparent und geschützt die Möglichkeit zur Offenlegung von Missständen zu schaffen?

Damit ja nix ans Tageslicht kommt!

So soll man sich mit einer Meldung zuerst an die in einem Unternehmen oder öffentlichen Einrichtung angesiedelte (interne) Meldestelle wenden. Nur wenn die untätig bleibt, ist die Meldung an eine unabhängige externe Stelle überhaupt vorgesehen. Diese "unabhängige" externe Stelle ist aber just das Bundesamt für Korruptionsprävention und -bekämpfung, das dem Innenministerium untersteht. Der abschreckende Effekt an Hinweisgeber:innen wird enorm sein, gibt es doch regelmäßig seit vielen Jahren Skandale um die parteipolitischen Besetzungen im schwarzen Innenministerium. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, wieso die viel unabhängigere und weisungsfreie Volkswanwaltschaft nicht die Anlaufstelle für Hinweisgeber:innen sein kann.Auch um die Meldung direkt an die Öffentlichkeit bzw. die Medien ist es nicht gut bestellt: An diese soll man sich nur sehr eigeschränkt wenden können, wodurch ein sehr wichtiger Rückhalt in vielen Fällen wegfallen dürfte. In der Praxis ist es für viele Hinweisgeber:innen vermutlich sicherer, auf das Redaktionsgeheimnis zu vertrauen, anstatt auf dieses neue Gesetz.

Außerdem sind die Strafen, die Unternehmen zu zahlen haben, wenn sie Whistleblower:innen behindern wollen, Vergeltungsmaßnahmen setzen oder die Vertraulichtkeitsverpflichtung verletzen, für Großunternehmen geradezu ein Schnäppchen. So riskiert man bis zu € 20.000 dafür, im Wiederholungsfall bis zu €40.000. Unterschieden wird dabei aber nicht zwischen großen, wirtschafltlich starken Unternehmen wie Telekom Austria, Strabag oder OMV und all den anderen. Erstere zahlen derartige Strafen wohl aus der Portokasse und sehen wohl wenig Anreiz, für eine Kultur von Transparanenz und Offenheit zu stehen. Hätte man doch einfach wie in der DSGVO prozentuale Strafen vom Jahresumsatz als Richtwert für Unternehmen genommen, dann könnte man auch von Verhältnismäßigkeit und abschreckender Wirkung sprechen.

Aber damit nicht genug: Derselbe Strafrahmen gilt für Whistleblower:innen im Fall einer wissentlichen Falschmeldung. Zwar ist klar, dass es in diesem Fall Maßnahmen geben muss. Aber eine Strafe von bis zu € 20.000 ist für Einzelpersonen wohl nicht so einfach zu verkraften. Eine Differenzierung fehlt im Gesetz leider, so dass der Interessensausgleich hier eindeutig zugunsten wirtschaftlich starker Unternehmen ausgeht.

Eine verpasste Chance, trotz EU Vorgaben

Es ist wirklich schade, dass eine mutige und weitreichende Umsetzung der EU-Richtlinie hier offenbar nicht gewollt wurde. Es scheint einfach nicht das Ziel vom zuständigen Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher gewesen zu sein, ein brauchbares und praxistaugliches Instrument zum Schutz von Hinweisgeber:innen zu bauen und Goldstandards zu schaffen, sondern im Interesse von Parteien und großen Konzernen möglichst wenige Missstände ans Tageslicht zu bringen. Das ist ein Versäumnis und wird wohl für eine anhaltend geringe Aufdeckungsquote sorgen.

Aufgeklärte, liberale Demokratien unterscheiden sich von autokratischen Staaten in vielen messbaren Indizen, darunter auch möglichst wenig Korruption. Große Unternehmen werden sich über dieses Gesetz freuen, da sie dank Minister Kocher auch künftig wenig von internen Aufdeckern zu befürchten haben. Für die Bevölkerung sieht die Bilanz düster aus: Wir sind weiterhin kaum vor Korruption geschützt und am Ende zahlen wir alle die Zeche dieser Hinterzimmerdeals. Theoretisch kann sich das noch ändern, wenn der grüne Koalitionspartner oder das Parlament dieses Gesetz nach der Sommerpause noch reparieren. Wir bleiben dran!

Unsere ausführliche juristische Stellungnahme im Begutachtungsverfahren findest du hier.

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