Der AKVorrat ist sehr enttäuscht über die heutige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Funkzellenabfrage. Die Verhältnismäßigkeit derartiger Maßnahmen ist grundsätzlich zu bezweifeln. Bewegungsprofile von Menschen gehören ebenso zu ihrer Privatsphäre wie ihre Wohnungen.

Damit wurde den Sicherheitsbehörden die Möglichkeit gegeben, ein umstrittenes Überwachungsinstrument einzusetzen – unabhängig von der enormen Streubreite dieser Maßnahme. Mit sogenannten Funkzellenabfragen werden nicht nur die Mobiltelefone von Verdächtigen geortet, vielmehr werden die Bewegungen aller Menschen, die sich in einem gewissen Umkreis befinden, genau nachverfolgbar. Dadurch zieht eine derartige Maßnahme gesellschaftliche Kollateralschäden nach sich. In urbanen Gebieten umfasst sie den Standort von hunderten unschuldigen Menschen als "Beifang" jeder Abfrage. In Deutschland gibt es unzählige Missbrauchsfälle dieser umstrittenen Ermittlungsmethode, was den Berliner Senat unlängst zu einem drastischen Schritt zu mehr Transparenz über den Eingriff in die Privatssphäre seiner Bevölkerung bewegt hat.

Offensichtlich ist das Gericht der Auffassung, dass Daten, die in Mobilfunknetzen anfallen, weniger schützenswert als eine Privatwohnung sind. Wenn ein Straftäter in einer Wohngegend vermutet wird, würde wohl kein Richter auf die Idee kommen, der Durchsuchung aller Wohnungen in der Gegend zuzustimmen. Die Bewegungen der Menschen gehören aus unserer Sicht ebenso zur ihrer Privatsphäre wie ihre Wohnungen. Eine großflächige Analyse der Daten aller Menschen ist aus unserer Sicht mit dem Recht auf Privatsphäre(siehe Artikel 8 EMRK) nicht vereinbar. Hinzu kommt, dass Menschen, die tatsächlich schwere Straftaten planen, nicht so unvorsichtig sind, ein auf ihren Namen registriertes Mobiltelefon zu verwenden. Umso mehr ist die Verhältnismäßigkeit des Instruments der Funkzellenabfrage zu bezweifeln.Weiters ungeklärt bleibt die Frage wie das vom Gericht geforderte "Verhältnismäßigkeitsgebot im Einzelfall" in der Praxis umzusetzen ist und ob dadurch Funkzellenabfragen in dicht besiedelten Gebieten oder über längere Zeiträume ausgeschlossen werden können.

"Wir fordern die Rückkehr zu einer faktenbasierten Sicherheitspolitik in Österreich, bei der die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe in die Privatsphäre der Bevölkerung mit dem zu erwartenden Gewinn an Sicherheit im Gleichgewicht stehen", erläutert Thomas Lohninger, Geschäftsführer des AKVorrat. "Ordentlicher Rechtsschutz und absolute Transparenz über den Einsatz dieser Ermittlungsmethode sind unbedingt nötig. Die Behörden sind dazu angehalten, eine zentrale Statistik über jede Abfrage zu führen. Die Öffentlichkeit muss wissen, wo, in wie vielen Fällen, aufgrund welcher Deliktsarten und mit welchem Beitrag zum Ermittlungsergebnis diese Maßnahme eingesetzt wird, genauso wie die Betroffenen im Nachhinein über ihre Ortung informiert werden müssen. Der Rechtsschutz ist bei dieser Maßnahme essentiell. Es gibt viele internationale Beispiele für den Missbrauch derartiger Daten. Gute Ansätze für den Rechtsschutz liegen bereits auf dem Tisch", so Lohninger.

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