Was uns 2021 netzpolitisch erwartet
Wenig überraschend wird auch 2021 von der Corona-Pandemie dominiert werden und die politischen Geschehnisse sich auf die Bekämpfung der Infektionskrankheit konzentrieren. Nichtsdestotrotz gibt es viele Themen, die im Hintergrund weiterlaufen und an denen gearbeitet werden muss. Viele dieser Themen haben wir bereits seit längerer Zeit am Schirm, einiges Neues wird aber sicher auch kommen. Wenn uns das letzte Jahr etwas gelehrt hat, dann die schnelle Reaktion und Einstellen auf spontane und kurzfristige Gesetzesänderungen.
In unserem Jahresrückblick 2020 könnt ihr nachlesen, was uns vergangenes Jahr beschäftig hat. Vieles aus diesem Artikel wird in dieser Liste wieder unterkommen, denn wir haben weiterhin einige offene Baustellen auf europäischer als auch nationaler Ebene. Und: Natürlich wird dazwischen etwas völlig Ungeahntes auftauchen - wie das eben auf dem politischen Spielfeld so vorkommt.
Internationale Themen
Nationale Themen
- Das „Hass im Netz“-Paket und seine Auswirkungen
- Die österreichische Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie
- Der elektronische Impfpass
- BVT-Reform
- E-ID und der elektronische Führerschein
- Beschwerdestelle für Polizeigewalt
- AMS-Algorithmus
- Novellierung des Telekommunikationsgesetzes TKG
- ReclaimYourFace/Gesichtserkennung
- Transparenzgesetz
Digital Services Act (DSA)
Schon seit einiger Zeit wird am DSA herumgeschraubt. Die EU will damit eine europäische Plattformregulierung schaffen, die Kommunikationsplattformen wie Facebook, Twitter & Co. in die Pflicht nehmen soll. Wir haben uns in den Prozess schon sehr früh eingebracht, auch immer wieder Fragen dazu beantwortet und werden weiterhin dranbleiben. Natürlich haben wir auch eigene Vorschläge geliefert, die wir auf platformregulation.eu vorgestellt haben. Uns ist eine grundrechtskonforme Regulierung wichtig und dafür werden wir uns auch weiterhin einsetzen.
Digital Markets Act (DMA)
Der DMA soll vor allem die wettbewerbsrechtliche Situation digitaler Angebote in der EU regulieren. Hier wird es vor allem darum gehen, die Verantwortung, die Unternehmen mit einer bestimmten Marktposition haben, zu bestimmen.
TERREG
Viel wurde über diese Verordnung gesprochen, denn Uploadfilter waren auch hier wieder mal ein Thema. Damit soll verhindert werden, dass terroristische Inhalte im Internet weiterverbreitet werden. Erst vor wenigen Tagen hat der Innenausschuss des Europäischen Parlaments der Verordnung mehrheitlich zugestimmt. Die Uploadfilter-Pflicht ist zwar offenbar vom Tisch, aber eine 1-Stunden-Löschfrist halten wir für unrealistisch und eine grenzüberschreitende Löschanordnung ohne Richtervorbehalt für höchstproblematisch für unsere Meinungs- und Pressefreiheit. Diese Regelung wird zu Overblocking führen.
ePrivacy Interim Regulation
Leider verschiebt sich seit Jahren die Etablierung einer ePrivacy Richtlinie, immer wieder zeigen wir auf, wie notwendig sie ist. Die EU-Kommission hat aber im September 2020 einen Vorschlag für eine „Interim Regulation“ gemacht. Der Fokus liegt dabei auf der Bekämpfung von sexueller Ausbeutung und Darstellung Minderjähriger im Internet. Damit wird die rechtliche Grundlage für Provider geschaffen, ihre Netzwerke und Traffic nach problematischem Content dieser Art zu durchsuchen. Anfang Februar soll im Plenum darüber abgestimmt werden.
Verschlüsselungsverbot
Für viele Furore hat gegen Jahresende auch ein geplantes Verschlüsselungsverbot gesorgt. Der EU-Rat hat dazu eine nicht-bindende Resolution verabschiedet, damit das Thema aufrecht bleibt und weiter gezogen wird. Leider gibt es auf der derzeitigen Stufe des Prozesses keine gute Möglichkeit für die Öffentlichkeit, sich zu beteiligen. Die Innenminister*innen haben hinter verschlossenen Türen eine nicht-bindenden Resolution verhandelt. Trotzdem haben wir uns bereits gemeinsam mit anderen NGOs mit einem offenen Brief an den Rat der EU gewandt. Wir sind unermüdlich in Gesprächen hinter den Kulissen, um auf die desaströsen Konsequenzen dieses Vorschlags hinzuweisen und auf die Entscheidungsträger*innen mit Argumenten einzuwirken. Dahinter steckt jedoch auch ein strukturelles Problem der Intransparenz im Rat der EU. Freiheitsrechte haben im Rat oft so gut wie keine Chance. Genau deshalb haben wir einen offenen Brief an die derzeitige portugiesische Ratspräsidentschaft unterzeichnet. Es bemühen sich gerade europaweit viele zivilgesellschaftliche Organisationen auf nationalen Ebenen, diese Entscheidung in die richtige Richtung zu lenken.
Das „Hass im Netz“-Paket
Das bereits beschlossene „Hass im Netz“-Paket umfasst drei Gesetzesteile: Einen, der Plattformen regulieren soll (KoPl-G) und der dem europäischen DSA zuvorkommt. In einem Teil wurde das Strafrecht angepasst (z.B. wurde upskirting, also das Fotografieren unter den Rock, illegal) und der letzte Teil ist als „Hass im Netz Bekämpfungsgesetz“ bekannt. Viele unserer Kritikpunkte wurden zum Glück berücksichtigt. Uns stört allerdings weiterhin, dass Unternehmen für Arbeitnehmer*innen Persönlichkeitsrechte einklagen können. Wir werden jedenfalls auch mit Spannung beobachten, wie dieses Gesetz dann angewandt werden wird.
Copyright
Wir haben lange gegen Artikel 17 gekämpft und wollten somit bereits auf EU-Ebene Uploadfilter verhindern. Da uns das nicht gelungen ist, haben wir auch in Österreich an der Umsetzung dieser Urheberrechtsrichtlinie mitverhandelt und am 28. Dezember, also knapp vor Jahresende, noch unsere Stellungnahme zur Regierungsvorlage abgegeben. Aus unserer Sicht braucht es noch einige Nachbesserungen. Wir bleiben auf jeden Fall dran.
Der elektronische Impfpass
Der bereits längere Zeit geplante elektronische Impfpass ist schon teilweise umgesetzt und soll nun Fahrt aufnehmen. Das zentrale Impfregister soll eine Datenbasis für Entscheidungen und Effizienzsteigerungen im Gesundheitswesen schaffen. Wir haben bereits kritisiert, dass es kein Opt-out aus diesem Impfpass gibt. Was wir ebenfalls gut gefunden hätten: die Pflicht zur Registrierung der Impfung nur auf jene Impfungen zu beschränken, die eine Fremdgefährdung darstellen (also Krankheiten, mit denen man andere anstecken kann).
BVT-Reform
Lange wurde darüber geredet, nun soll es tatsächlich in Angriff genommen werden: Eine lange überfällige Reform der Geheimdienste. Nicht zuletzt, weil der Terroranschlag in Wien diese Institution wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt hat. Wir machen uns bereits seit längerem Gedanken darüber, wie so eine Reform aussehen müsste. Eine unserer Forderungen ist es, keine neuen Überwachungsbefugnisse zu etablieren, da die jetzigen aus unserer Sicht bereits ausreichen. Das und elf weitere Prüfsteine für eine BVT-Reform haben wir Ende des Jahres veröffentlicht. Wir werden genau verfolgen, wie diese Reform ausgestaltet wird. Auch das wirst du hier und in einem unserer Newsletter erfahren - jetzt anmelden!
E-ID und der elektronische Führerschein
Eine e-ID (elektronische Identität) war in Österreich bereits viele Jahre in Planung. Nun soll sie Wirklichkeit werden und zunächst als Basis für den elektronischen Führerschein dienen, der noch im Frühjahr 2021 eingeführt werden soll. 2017 gab es eine Novelle des eGovernment-Gesetzes, bei dessen Begutachtung wir ganz klar unsere Forderungen formuliert haben, die immer noch aktuell und aufrecht sind. Unter anderem ist es uns wichtig, dass dieses System dezentral ist und Public Private Partnership - also die Nutzung dieser Identität für private Unternehmen - muss streng kontrolliert werden. Wir sind gespannt, wie die Umsetzung tatsächlich funktionieren wird.
Beschwerdestelle für Polizeigewalt
Lange vor der jetzigen türkis-grünen Regierung gab es aus der Zivilgesellschaft die Forderung, eine unabhängige Beschwerdestelle einzurichten, die Fälle von Polizeigewalt untersucht. Hoffnungsschimmer gab es, als diese Forderung im Regierungsprogramm aufgetaucht ist. Noch immer gibt es diese Stelle nicht und die Bestrebungen dahingehend verlaufen langsam. Gemeinsam mit Amnesty International und zig weiteren Organisationen und Expert*innen haben wir Forderungen für eine Polizeireform aufgestellt. Auch 2021 werden wir auf dieses Thema hinweisen und die Verantwortlichen in die Pflicht nehmen.
AMS-Algorithmus
Nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie haben wir gefordert, den Einsatz des AMS-Algorithmus zu verbieten. Dieses System soll Arbeitssuchende in drei Kategorien einteilen und ist hochgradig diskriminierend. Auch eine Studie hat ergeben, dass das System so nicht zum Einsatz kommen sollte. Die Datenschutzbehörde hat das auch so gesehen, doch das Bundesverwaltungsgericht hat anders entschieden und den Einsatz wieder erlaubt. Wir haben bereits Kontakt zum neuen Arbeitsminister aufgenommen und hoffen, dass in dieser Sache auch wir angehört werden, denn wir haben mehrfach aufgezeigt, warum dieses System ungerecht ist und abgedreht gehört. Unsere Petition dazu kannst du weiterhin unterschreiben!
Novellierung des Telekommunikationsgesetzes TKG
Nachdem sich der europäische Rechtsrahmen durch den Electronic Communications Code geändert hat, wird es eine Neufassung des Telekommunikationsgesetzes geben. Das TKG regelt viele Bereiche der digitalen Kommunikation und ist deshalb auch für uns ein wichtiges Gesetz, das wir genau unter die Lupe nehmen müssen. Das Recht hinkt der technologischen Entwicklung meist hinterher, deshalb ist die Modernisierung dieses Gesetzes und die Anpassung an heutige Umstände wichtig. Noch bis 10. Februar läuft die Begutachtungsfrist zu dem Gesetz, das u.a. auch Verbesserungen im Verbraucherschutz und Wettbewerbsrecht bringen soll. Wir arbeiten bereits an einer Stellungnahme.
ReclaimYourFace/Gesichtserkennung
Auf europäischer Ebene wurde Anfang Jänner eine Art „Volksbegehren“ - eine sogenannte European Citizens Initiative (ECI) zugelassen, das den Einsatz von biometrischen Daten (u.a. Gesichtserkennung) verbieten soll. Wir unterstützen dieses Vorhaben und werden regelmäßig über den Stand berichten. Es müssen über eine Million Stimmen aus sieben EU-Ländern gesammelt werden. Auf reclaimyourface.eu wird es laufend Infos geben - und natürlich auch auf unseren Kanälen! Auch in Österreich werden wir am Thema Gesichtserkennung dranbleiben, denn für den momentanten Einsatz der Gesichtserkennung gibt es keinerlei explizite Rechtsgrundlage.
Transparenzgesetz
Ein großer Teil unserer Arbeit besteht aus dem Einholen von Informationen. Dazu verwenden wir einerseits fragdenstaat.at, andererseits natürlich auch die parlamentarischen Anfragen der Nationalratsabgeordneten. Wir sind auf Informationsfreiheit angewiesen und hoffen, dass nun nach jahrelangen Gesprächen dieses Jahr - wie von Justizministerin Alma Zadić angekündigt - ein gutes Transparenzgesetz auf den Weg gebracht wird.
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