Staatliches Hacken ist in Österreich verfassungswidrig. Innenminister und Staatsschutz fordern trotzdem Zugriff auf vertrauliche Kommunikation.

Mit Erhöhung der Terrorwarnstufe stellt Innenminister Karner einmal mehr die Überwachung von privaten Chats durch Bundestrojaner in den Raum. Dabei wurde der Einsatz derartiger Spionagesoftware erst 2019 vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben.

Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ist es, die Gesellschaft vor Bedrohungen zu schützen. Dafür haben sie umfassende forensische Mittel, die sie gezielt und effektiv einsetzen können. Dass Ministerium und Behörden dabei erfolgreich sind, zeigt z.B die effektive Vereitelung eines Anschlags auf die Regenbogenparade diesen Juli.

Alles im Griff

Auch Staatsschutz-Chef Haijawi-Pirchner betont die Zusammenarbeit zwischen DSN (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst), Polizei und Bundesheer. Er kommt zum Schluss: „Durch die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen ist der Schutz und die Freiheit der Bevölkerung Österreichs weiterhin gegeben.“ Konkrete Anschlagspläne gibt es auch laut Innenminister Karner in Österreich nicht. Behörden und Regierung haben die Lage offenbar trotz erhöhter Terrorwarnstufe gut unter Kontrolle.

Dennoch fordern Innenminister und Staatsschutzchef immer wieder weitreichenden Zugriff auf private Kommunikation. Sie scheinen nicht zu sehen, dass die Polizei bereits mit ihren vorhandenen, verfassungskonformen Mitteln z.B. gezielt herausfinden kann, wer mit wem kommuniziert.

Statt ständig Verfassungsbruch zu fordern, scheint es angebracht, dass Innenministerium und Behörden ihre aktuellen Befugnisse ernst nehmen – Möglichkeiten haben sie bereits genug. Wenn Synagogen nicht ordentlich bewacht werden, hilft auch keine digitale Überwachung gegen das Herunterreißen von Israelfahnen. Das letzte Mal als ein Terroranschlag nicht abgewehrt werden konnte (2020), war einer der Hauptgründe, dass die Behörden Warnungen ignoriert hatten. Die angeblich fehlenden Überwachungsmöglichkeiten hätten auch hier nicht geholfen. Vor diesem Hintergrund scheinen Innenminister und DSN umso mehr die Terrorgefahr als Vorwand zu nehmen, der verfassungswidrige Überwachung rechtfertigen soll.

Der Staat als Hacker

Der staatliche Zugriff auf private Nachrichteninhalte ist abseits klassischer Forensik nur durch einen Bundestrojaner möglich. Dasselbe gilt für Informationen darüber, wer mit wem kommuniziert. Dafür muss der Staat teure Spionagesoftware benutzen, um heimlich in Smartphones und Computer einzudringen. Um wirksam zu sein, muss diese so tief in den Geräten sitzen, dass sie einer Totalüberwachung weit über betroffene Chatverläufe hinaus gleichkommt – Fotos, Dokumente, Kommunikation mit nicht involvierten Dritten, etc.. Ein derartiger Vollzugriff auf Geräte ist nicht nur ein schwerer Eingrifft in die Persönlichkeitsrechte und eine Katastrophe für die Demokratie. Er macht auch die gewonnenen Informationen als Beweis wertlos, weil man sie nicht mehr von künstlich platziertem, belastendem Material unterscheiden kann.

Bewusste „Schlaglöcher“ für die IT-Sicherheit

Da die Spionagesoftware durch Sicherheitslücken der Geräte eingeschleust wird, hat der Staat gar kein Interesse daran, dass die Schwachstellen in den Smartphones und Co. rasch geschlossen werden. Er arbeitet so gegen die IT-Sicherheit aller Menschen, denn dieselben nicht reparierten Schwachstellen können auch von Kriminellen für alle Formen der Computerkriminalität missbraucht werden.

Weite Teile der Bevölkerung sind privat und geschäftlich auf Computersysteme angewiesen. Sie bewusst unsicher zu halten ist in etwa so, als würde man Schlaglöcher auf der Straße absichtlich nicht reparieren, um ggf. Kriminellen die Flucht mit dem Auto zu erschweren. Dass die Schlaglöcher – bzw. im Fall von Bundestrojanern: die IT-Sicherheitslücken – auch die restliche Bevölkerung inkl. der Politiker:innen selbst treffen, scheint Innenminister und Staatsschutz egal zu sein.

Im Gegensatz dazu sollten Sicherheitsbehörden im Zeitalter stark zunehmender Computerkriminalität die IT-Sicherheit erhöhen, statt sie bewusst zu schwächen.

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