Die Parlamentsklubs von Grünen und von NEOS haben im Rahmen des Projektes HEAT (Handlungskatalog zur Evaluierung von Anti-Terror-Gesetzen) des AKVorrat (Arbeitskreis Vorratsdaten) 43 Anfragen an insgesamt sieben Ministerien eingebracht, um Details über das Ausmaß der Überwachung von Österreichs Bürgerinnen und Bürgern zu erfahren. Die Antworten sind in den vergangenen Tagen eingetroffen. Das Gesamtbild ist beschämend: Neben ausweichenden Antworten vor allem mit Hinweis auf das Amtsgeheimnis, sind teilweise schwerwiegende Wissenslücken – etwa beim Justizministerium – zu beklagen. Vor diesem Hintergrund warnt der AKVorrat nachdrücklich vor einer Erweiterung behördlicher Ermittlungsbefugnisse, wie sie etwa im zur Diskussion stehenden Entwurf für ein neues Staatsschutzgesetz enthalten sind. Im vergangenen Jahr hat ein bahnbrechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Aufhebung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung und in der Folge zur Abschaffung des Gesetzes in Österreich geführt. Der AKVorrat hat mit intensiver Aufklärungsarbeit, einer Bürgerinitiative und vor allem einer Klage, die von 11.141 Einzelpersonen mitgetragen wurde, zu diesem Erfolg beigetragen. Die Urteilsbegründung ist eine wichtige Leitschnur zur Abwägung behördlicher Überwachungsbefugnisse mit allgemeinen Grundrechten. Der AKVorrat hat um den Jahreswechsel das Projekt HEAT gestartet, das im Geiste der Urteilsbegründung eine Gesamtschau sämtlicher österreichischen Überwachungsgesetze und -praktiken vornimmt. Im Rahmen des Projektes haben die Parlamentsclubs von Grünen und NEOS die Anfragen eingebracht. Die Antworten liefern die Basis für einen Handlungskatalog, der für die Evaluierung bestehender und geplanter Gesetze in diesem Bereich eingesetzt werden soll. Der AKVorrat will diesen bis Ende des Jahres vorlegen.

Intransparenz, Unwissenheit und mangelnder Rechtsschutz
"Die eingelangten Antworten bestätigen leider unsere schlimmsten Vermutungen. Die heimischen Ministerien üben sich in Intransparenz und zeigen teilweise enorme Wissenslücken. Der Justizminister antwortet etwa, dass er keine Kenntnis von einem Antrag der Kriminalpolizei habe, im Rahmen eines Gerichtsprozesses einen so genannten Staatstrojaner einzusetzen. Uns liegen Akten aus einem Prozess vor, die eindeutig belegen, dass es eine derartige Anfrage an das Ministerium gab", so Christof Tschohl, Vorstand des AKVorrat, im Rahmen einer Pressekonferenz mit dem grünen Justizsprecher Albert Steinhauser und Niko Alm, dem Sicherheits- und Netzpolitiksprecher von NEOS. In den Antworten gibt es noch zahlreiche weitere Unstimmigkeiten: Die Frage nach dem Einsatz von IMSI-Catchern wurde mit dem Hinweis beantwortet, dass derartiges Gerät zur Verfügung steht, dieses aber keine Inhalte aufzeichnet, was aber nicht der Definition von IMSI-Catchern entspricht. Eine Recherche auf der Website des Innenministeriums zeigt, dass es sehr wohl Kennzeichenerkennung über Video gibt, obwohl die Frage verneint wurde.

Rund ein Fünftel der Anfragen wurde nur mit Hinweis auf die Amtsverschwiegenheit beantwortet. Das Verteidigungsministerium beruft sich besonders oft auf dieses Argument, sogar wenn es um Fragen nach dem Rechtsschutz geht.

Staatsschutzgesetz muss zurück an den Start
Angesichts der eklatanten Mängel bei der Anwendung bestehender Rechtsmittel, kaum vorhandenen Datenmaterials über ihre Wirksamkeit, etwa bei der Funkzellenabfrage, und struktureller Unzuständigkeiten der Ministerien, ist es absolut unverständlich, dass mit dem neuen Staatsschutzgesetz die Befugnisse der Behörden ausgebaut werden, während der dafür vorgesehen Rechtsschutz mangelhaft ist. "So wie der Entwurf derzeit aussieht, werden Behörden mit geheimdienstlichen Befugnissen ausgestattet und sie können sich mit Hinweis auf den Verdacht eines ,verfassungsgefährdenden Angriffes' jeglicher Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragten entziehen", fasst Tschohl seine Kritik am bestehenden Gesetzesentwurf zusammen. Für ihn stellt sich die Frage, warum die Innenministerin dem Rechtsschutzbeauftragten in ihrem Ressort so misstraut, dass Behörden ihm so einfach die Akteneinsicht verweigern können.

Nur ein Viertel der Fragen vollständig beantwortet
Die eingebrachten Anfragen beinhalten 355 Einzelfragen. Nur etwas mehr als ein Viertel wurde vollständig beantwortet, knapp 28 % jedoch gar nicht und etwa ein Fünftel nur mit Hinweis auf Amtsverschwiegenheit. "Innenministerin Mikl-Leitner ist vor einigen Tagen lautstark für eine Aufklärung eingetreten, inwiefern Österreich von den Machenschaften von NSA und Co. betroffen ist. Diese Forderung nach Transparenz sollte auch für die Überwachung durch heimische Behörden gelten", so Tschohl abschließend. Der AKVorrat und die beiden Oppositionsparteien werden weitere Anfragen einbringen und im ständigen Unterausschuss die Themen weiter bearbeiten.

Sämtliche Anfragen, die im Rahmen von HEAT gestellt wurden, sowie die Antworten der Ministerien sind auf der Parlamentswebsite mit den Aktenziffern (4008/J bis 4044/J und 4084/J bis 4090/J) auffindbar.

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