Dein Recht auf Bargeld und der digitale Euro
epicenter.works hat die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Einführung eines digitalen Euro und zum Status des gesetzlichen Zahlungsmittels von Euro-Banknoten und -Münzen analysiert, die beide am 06.06.2023 eingeführt wurden. In unserer Analyse betrachten wir die Vorschläge aus dem Blickwinkel der Grundrechte und konzentrieren uns insbesondere auf die Belange des Datenschutzes. Wir begrüßen das „Recht auf Bargeld“ aufgrund seines Potenzials, die finanzielle Privatsphäre und die Stabilität der Eurozone zu verbessern. Darüber hinaus befürworten wir generell die Idee hinter dem digitalen Euro als Alternative zu datenschutzwidrigen digitalen Zahlungsmitteln wie PayPal oder Visa. Um diesen Zweck zu erfüllen, muss der digitale Euro jedoch die folgenden drei Anforderungen erfüllen:
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Er muss eine dem Bargeld vergleichbare Privatsphäre bieten.
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Er darf die Stabilität der Eurozone nicht gefährden, indem er z.B. den Schutz vor Doppelausgaben bei Offline-Transaktionen gewährleistet.
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Er sollte als öffentliche digitale Infrastruktur entwickelt werden, die auf freier und quelloffener Software, transparenten Standards und partizipativen Verfahren basiert.
Das Recht auf Bargeld
Bargeld in Form von Banknoten und Münzen ist seit langem die Grundlage für finanzielle Transaktionen. Es bietet einen unvergleichlichen Schutz der Privatsphäre und fördert die Finanzkompetenz. Sein greifbarer Charakter vermittelt ein Gefühl der Sicherheit und Widerstandsfähigkeit, insbesondere bei Stromausfällen. Außerdem gewährleistet Bargeld die gesellschaftliche Teilhabe von Randgruppen wie älteren Menschen, Menschen ohne Ausweise und Dokumente und Menschen ohne Bankverbindung. Angesichts ihrer Bedeutung muss die Europäische Union die breite Verfügbarkeit und Akzeptanz analoger Zahlungsmittel priorisieren.
Die Absicht des Vorschlags, den Status der Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel zu festigen, ist lobenswert. Allerdings ist der Umlauf von Bargeld in mehreren EU-Mitgliedstaaten bedroht, was nicht mit den Normen der Nichtdiskriminierung vereinbar ist. Das Problem ist nicht der Trend zum bargeldlosen Zahlungsverkehr, sondern der Trend, Bargeldzahlungen als Alternative abzulehnen. Wenn Bargeld nicht ohne weiteres verfügbar ist oder nicht akzeptiert wird, werden schutzbedürftige Gruppen potenziell ausgeschlossen. Wir begrüßen daher, dass der Vorschlag die Bedeutung eines effektiven Zugangs zu Bargeld und seiner Verwendbarkeit im gesamten EU-Gebiet hervorhebt. Die einseitige Verweigerung von Bargeld durch Händler ist ein großes Problem für schutzbedürftige Gruppen. Die zunehmende Verbreitung von „No Cash“-Schildern in Geschäften in der gesamten EU ist ein Beleg für die wachsende Herausforderung. Bargeld kann aus vorübergehenden und berechtigten Gründen verweigert werden, aber die Mitgliedstaaten haben weitreichende Befugnisse, um weitere Ausnahmen zuzulassen. Kurz gesagt: Der Erfolg des Rechts auf Bargeld lässt sich daran messen, ob die „Bargeldverbot“-Schilder der Vergangenheit angehören und inwieweit sich die Verfügbarkeit von Bargeld verbessert (z.B. Geldautomaten in ländlichen Gebieten).
Der Wert jeder Rechtsvorschrift hängt von ihrer Durchsetzung in der Praxis ab. Wir möchten daher die Bedeutung des strukturierten Durchsetzungsmechanismus hervorheben, der in dem Vorschlag skizziert wird und die Mitgliedstaaten verpflichtet, nationale zuständige Behörden zu benennen, die aber leider keine unabhängigen Regulierungsbehörden sein müssen. Diese Behörden müssen einen ausreichenden und effektiven Zugang zu Bargeld gewährleisten, über ihre Bemühungen Bericht erstatten und bei Bedarf eingreifen. Ein wesentlicher Bestandteil des Durchsetzungsmechanismus ist die Befugnis der Kommission, die Situation in jedem Mitgliedstaat unabhängig zu bewerten und Maßnahmen vorzuschreiben, wenn der Mitgliedstaat nicht handelt. Darüber hinaus sind wir der Meinung, dass Beschwerden betroffener Gruppen ein integraler Bestandteil jeder angemessenen Durchsetzungsinfrastruktur sind. Hier muss der Vorschlag drastisch erweitert werden, um Verfahrensgarantien für Beschwerdeführer:innen zu schaffen, und Organisationen der Zivilgesellschaft müssen in den Beschwerdemechanismus einbezogen werden.
Neben der Durchsetzung ist auch die Transparenz für den Erfolg jedes Legislativvorschlags von entscheidender Bedeutung. Die jährlichen Berichtspflichten der Mitgliedstaaten könnten als Grundlage für eine EU-weite Diskussion über den Zugang zu Bargeld dienen. Daher plädieren wir zusätzlich zu den Berichtspflichten für die obligatorische Veröffentlichung und Übersetzung dieser Berichte durch die Europäische Kommission, um sicherzustellen, dass sie zugänglich sind. Darüber hinaus empfehlen wir, Beschwerdedaten (z.B. über die Art der Betroffenen), Methoden der Datenerhebung und ergriffene Abhilfemaßnahmen in diese Berichte aufzunehmen, um die Transparenz weiter zu erhöhen.
Digitaler Euro
Die weltweite Umstellung auf digitale Währungen hat die Europäische Union dazu veranlasst, den digitalen Euro zu konzipieren. Der digitale Euro ist als elektronisches Gegenstück zum Bargeld gedacht und soll sowohl online als auch offline verfügbar sein. Die digitale Welt bietet zwar zahlreiche Transaktionsmöglichkeiten, aber der digitale Euro versucht, die Privatsphäre in den Vordergrund zu stellen. Allerdings wirft der digitale Euro in der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Form einige grundlegende Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes auf. Dies betrifft vor allem Transaktionsdaten und Identifikatoren, die mit dem Abwicklungsmechanismus und Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche („AML“, Anti Money Laundering) begründet werden.
Die vorgeschlagene Architektur für den digitalen Euro beinhaltet die Abwicklungsinfrastruktur des Eurosystems, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) überwacht wird. Offline-Transaktionen bieten zwar Flexibilität, doch es fehlt Klarheit in Bezug auf Aspekte wie die Haftung im Falle betrügerischer Aktivitäten.
Der digitale Euro soll ein mit Bargeldtransaktionen vergleichbares Maß an Datenschutz bieten und sich damit von anderen digitalen Zahlungssystemen abheben. Der Vorschlag muss jedoch tiefer gehen, um verlässliche Datenschutzgarantien zu gewährleisten, insbesondere in Bezug auf Nutzer:innendaten und Interaktionen mit der EZB und Zahlungsdienstleistern („PSPs“, Payment Service Providers).
Ein bemerkenswerter Aspekt des Vorschlags ist die Integration der „Europäischen Brieftasche für digitale Identität“ (European Digital Identity Wallet) mit dem digitalen Euro. Diese Verknüpfung zielt darauf ab, Transaktionen zu vereinfachen und die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern. Die möglichen Auswirkungen dieser Integration eines Zahlungssystems in ein EU-weites System zur Identifizierung aller Personen wirft jedoch ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes auf. Nach den Plänen der Kommission wird so eine einzige App zum kritischen Flaschenhals für Zahlungen, Gesundheitsdienste, öffentliche Verkehrsmittel, Anmeldungen in sozialen Medien und alle elektronischen Behördendienste werden.
Für die breite Akzeptanz und das Vertrauen in den digitalen Euro ist es von entscheidender Bedeutung, dass er gegenüber Bedrohungen und Schwachstellen abgesichert ist. Es ist von größter Bedeutung, dass der digitale Euro auch die Stabilität der Eurozone nicht untergräbt, insbesondere durch den Schutz vor Problemen wie Doppelausgaben. Der Vorschlag befasst sich daher mit den möglichen Auswirkungen des digitalen Euro auf die Geldpolitik und die Finanzstabilität. Gegenwärtig beruht die Sicherheit des digitalen Offline-Euros hingegen vollständig auf proprietären Sicherheitschips in gängigen Smartphones, die alle außerhalb der EU hergestellt werden.
Der Weg in die Zukunft
Während das Recht auf Bargeld ein begrüßenswerter und unumstrittener Gesetzentwurf ist, der schnell umgesetzt werden könnte, muss am digitalen Euro noch viel gearbeitet werden, damit das Gesetz grundrechtskonform wird. Leider werden beide Vorschläge in einem Paket von derselben Gruppe von Abgeordneten verhandelt. Das Europäische Parlament plant eine öffentliche Anhörung am 28. November 2023 und der Berichtsentwurf soll bis zum 9. Jänner 2024 im federführenden ECON-Ausschuss durch den Berichterstatter Stefan Berger (Deutschland, EVP) vorgelegt werden. Am 23. Jänner 2024 läuft die Frist für Änderungsanträge ab, die Schlussabstimmung ist für den 9. April vorgesehen. Der LIBE-Ausschuss wird für die Datenschutzaspekte des digitalen Euro zuständig sein.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vorschläge der Europäischen Kommission zum digitalen Euro und zum Recht auf Bargeld wichtige Schritte in der Entwicklung der Finanzlandschaft darstellen. Die Analyse von epicenter.works hebt mehrere Bereiche hervor, in denen diese Vorschläge Verbesserungen in Bezug auf den Datenschutz, die Inklusivität und die Stabilität bieten. Da sich die Finanzwelt kontinuierlich verändert und weiterentwickelt, muss aber unbedingt sichergestellt werden, dass die Rechte und Interessen aller Menschen gewahrt bleiben.
Hier findet ihr die vollständige Analyse mit einer detaillierteren Aufschlüsselung der aufgeworfenen Fragen.
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