Am 29. Februar 2024, hat das EU-Parlament die eIDAS-Verordnung verabschiedet, die die Grundlage für eine "European Digital Identity Wallet" schafft. Diese digitale Brieftasche wird es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, sich rechtsverbindlich auszuweisen – online und offline. Bis August 2026 muss jeder Mitgliedstaat seiner Bevölkerung eine solche „Wallet“ bereitstellen.

Nach fast drei Jahren Verhandlung wurde am Donnerstag, 29. Februar 2024, die EU-Reform zur digitalen Identität (eIDAS) im Europaparlament beschlossen. Während dieser Meilenstein gefeiert wird, ist es wichtig, auch einen kritischen Blick auf die Implikationen der Verordnung zu werfen. Denn mit der breiten Verfügbarkeit von eID-Systemen entsteht auch ein neues Potential für Missbrauch und Überwachung. Wenn die Pläne der EU umgesetzt werden und bis 2030 etwa 80 % der Bevölkerung diese Systeme nutzen und dabei alle Lebensbereiche von Arztbesuch, Google-Login bis öffentlichen Verkehr damit vernetzt werden, kommen wir einem Panopticon der digitalen Überwachung immer näher. Mit der eIDAS werden auch staatlich beglaubigte, kryptographisch signierte personenbezogene Daten in Umlauf gebracht und die Kosten der Identifizierung eines Menschen sinken damit von mehreren Euro auf null.

Die eIDAS-Verordnung enthält zwar viele wichtige Schutzmaßnahmen, aber es ist entscheidend, dass niemand zur Verwendung dieser digitalen Identität gezwungen wird. Das ist in dem Gesetz auch für staatliche Leistungen, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt abgesichert. Die Praxis wird zeigen, ob diese Garantien in der Realität auch eingehalten werden. In einer öffentlich zugänglichen Liste werden alle Anwendungsfälle der eID aufgelistet, um transparent zu machen, welche Daten von den Nutzenden abgefragt werden dürfen. Mittels einer App kann man auch die Löschung der eigenen Daten veranlassen und sich über missbräuchliche Verwendung des Systems beschweren. Firmen kann dadurch ein Rauswurf aus dem eID System drohen. Was wir im Gesetz jedoch vermissen, ist ein Verbot Biometrie bei eID Systemen verpflichtend zu machen.

Wie geht es weiter?

Spannend wird auch die technische Umsetzung des Systems. Die EU-Kommission muss im Sommer Leitlinien für die technische Ausgestaltung vorlegen. Wir haben in einem ausführlichen Report analysiert, welche Schutzmaßnahmen in diesem Zusammenhang umgesetzt werden sollten. Eine ausführlichere Zusammenfassung des Verhandlungsergebnisses findet ihr hier:

ZUM BLOGPOST

Die Debatte um die digitale Identität hört jedoch nicht bei der eIDAS-Verordnung auf. Im Zuge eines neuen Projekts arbeiten die Vereinten Nationen an Mindeststandards für den Einsatz von eID-Systemen auf globaler Ebene. Angesichts vergangener Verletzungen von Menschenrechtsstandards in solchen Systemen ist es entscheidend, dass die höchstmöglichen Schutzschranken implementiert werden. Unter den Begriff „Digital Public Infrastructure“ fällt aber nicht nur die eID, sondern auch andere digitale Systeme wie der Digitale Euro und der Austausch von Daten in einem noch viel größeren Rahmen. Thomas Lohninger wurde als Vorsitzender der Governance-Gruppe für diese Initiative der Vereinten Nationen bestellt und wird sich für die höchstmöglichen Schutzmaßnahmen einsetzen und sich für die Zivilgesellschaft stark machen.

Fazit

Insgesamt markiert der 29. Februar 2024 einen wichtigen Schritt hin zu einer digitalen Identität in Europa. Anhand der technischen Leitlinien der EU und den Bemühungen der Vereinten Nationen, wird sich zeigen in welche Richtung sich die „Digital Public Infrastructure“ entwickelt. Entscheidend ist, dass Fortschritte mit Augenmaß und unter Einhaltung der höchsten Datenschutzstandards erfolgen. Nur so können wir sicherstellen, dass die digitale Identität ein Instrument der Freiheit und nicht der Überwachung wird.

Update 26. März 2024

Heute wurde das Gesetz auch von den Mitgliedstaaten im Rat der EU angenommen und ist damit beschlossen, sodass es in wenigen Wochen in Kraft treten kann. Vollständig umgesetzt soll die Verordnung bis 2026 werden.

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