Sobotkas "Sicherheitsdoktrin" lässt Ausgewogenheit vermissen
Über der gestern präsentierten "Sicherheitsdoktrin" des Bundesministers für Inneres steht der Slogan "Mehr Freiheit. Mehr Sicherheit." Der Verein epicenter.works (vormals AKVorrat) weist erneut darauf hin, dass das geplante Überwachungspaket der Bundesregierung die Freiheit aller Menschen in Österreich einschränkt, ohne dass auch nur ansatzweise belegt ist, dass dies mehr Sicherheit bringen wird. Genau unter diesem Gesichtspunkt muss auch die Selbstinszenierung von Innenminister Sobotka betrachtet werden. Sie enthält einige begrüßenswerte Punkte wie etwa die bessere personelle Ausstattung der Exekutive und den verstärkten Fokus auf Prävention. Diese sollte aber beim gesellschaftlichen Klima in diesem Land ansetzen und nicht bei Überwachung und dem Schüren von Misstrauen.
Im Kapitel "Extremismus, Terrorismus und Spionageabwehr" stehen Überschriften, die die Alarmglocken läuten lassen: Ausbau der gesetzlichen Instrumente zur Vorbeugung und Bekämpfung des Terrorismus, Bekämpfung staatsfeindlicher Organisationen, Überwachung von Gefährdern, rasche Umsetzung der PNR (Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten), Anpassung des Versammlungsgesetzes an neue Entwicklungen oder volle Nutzung des Polizeilichen Staatsschutzgesetzes weisen alle in eine Richtung, die das Gegenteil von "Mehr Freiheit" bedeuten. Auch in den anderen Abschnitten steckt jede Menge Sprengstoff.
Sicherheit bedeutet auch Sicherheit vor polizeilicher Willkür
"Die Show, die Innenminister Sobotka hier inszeniert, mag vielleicht gut aussehen. Sie führt aber auf direktem Weg in einen Polizeistaat, wo jeder Mensch ganz einfach zum Gefährder oder Extremisten erklärt werden kann. Wir haben ein gänzlich anderes Verständnis von Sicherheit. Wir brauchen die Sicherheit, unsere demokratischen Rechte ohne Angst wahrnehmen zu können. Einschränkungen des Rechts auf Privatsphäre, oder auf Versammlungsfreiheit können niemals mehr Freiheit bringen. Im Gegenteil: Sie gefährden die Demokratie",
so Thomas Lohninger, Geschäftsführer von epicenter.works.
Gefahren realistisch einschätzen
Österreich ist eines der sichersten Länder der Erde. Dennoch ist in der politischen Debatte immer öfter von abstrakten Gefahren die Rede. Innenminister Sobotka argumentiert an der Realität vorbei. Es gibt keine Notwendigkeit, Freiheiten aller Menschen in diesem Land einzuschränken.
"Wir brauchen kein Überwachungspaket, sondern ein echtes Sicherheitspaket",
fordert Lohninger. Dieses sollte mehr gut ausgebildete Polizeikräfte statt mehr Kameras beinhalten. Es braucht verbesserte Analysekapazitäten bei den Sicherheitsbehörden – also mehr Intelligenz statt mehr Daten. Vor allem braucht es einen sorgsamen Umgang mit den Grundrechten. Für jede Erweiterung behördlicher Befugnisse muss eine umfassende Wirkungsfolgenabschätzung vorgenommen werden. Außerdem müssen bestehende Befugnisse laufend evaluiert und gegebenenfalls auch zurückgenommen werden. Wie schon in der Vergangenheit steht epicenter.works zur Verfügung, mit juristischer und technischer Expertise bei der Bewältigung dieser Aufgabe zu helfen. HEAT, das Handbuch zur Evaluation der Anti-Terror-Gesetze von epicenter.works wird auch bei der Bewertung der konkreten Umsetzungsvorschläge des Überwachungspakets zur Anwendung kommen.
Eckpunkte eines echten Sicherheitspakets
- mehr gut ausgebildete Polizeikräfte statt mehr Kameras
- verbesserte Analysekapazitäten für Sicherheitsbehörden: Mehr Intelligenz statt mehr Daten
- mehrsprachige Polizeikräfte bzw. mehr Dolmetschkapazitäten
- mehr Präventionsarbeit gegen Radikalisierungstendenzen
- bessere Vernetzung mit Communities als vertrauensbildende Maßnahmen und zur frühzeitigen Erkennung radikaler Tendenzen
- "Sunset Clauses" für alle neuen Überwachungsgesetze (laufende Evaluierung und Rücknahme wirkungsloser Maßnahmen)
- Wissenschaftliche Folgenanalyse aller vorgeschlagener Maßnahmen
- Evaluierung aller bestehenden Überwachungsgesetze
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