10 Gründe gegen die Klarnamenpflicht
Die Bundesregierung plant – auch wenn sie diese nicht so nennen – die Einführung einer Klarnamenpflicht in Österreich und wir haben hier die zehn besten Argumente für dich aufgezählt, warum das eine schlechte Idee ist.
1. Klarnamenpflicht schützt die Opfer nicht
Wie die letzten Jahre gezeigt haben, hindert auch eine Klarnamenpflicht, wie sie beispielsweise auf Facebook bereits laut den AGB gegeben ist, übergriffige Täterinnen und Täter nicht daran, andere zu belästigen oder zu beleidigen. Eine allgemeine Klarnamenpflicht führt nur dazu, dass sich Opfer aus dem öffentlichen Diskurs zurückziehen, weil sie dadurch für Täterinnen und Täter sichtbarer werden. Den Opfern bleibt nur die Wahl sich gänzlich zurückzuziehen oder komplett ausgeliefert zu sein. Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 kennen die Hälfte aller Online-Hass-Opfer die Namen und Identität ihrer Angreifer – insofern würde Klarnamenpflicht nur wenig verhindern.
2. Massiver Eingriff in das Grundrecht auf Privatsphäre
Eine Klarnamenpflicht ist nur über eine Registrierung bei großen Plattformen oder einer staatlichen Stelle möglich. Die Bundesregierung kann nicht österreichische Internetnutzerinnen und -nutzer dazu anhalten, ihre Reisepässe oder Personalausweise bei US-Unternehmen vorzulegen. Eine zentrale staatliche Registrierstelle für Internetuser wäre ebenfalls ein Eingriff in Grundrechte und – wenn überhaupt – nur schwer möglich.
3. Klarnamen erleichtern politische Verfolgung
Verfolgung ist nicht nur dort zu befürchten, wo Aktivistinnen und Aktivisten arbeiten und aufgrund politischer Spannungen anonym bleiben wollen. Der türkische Gastarbeiter, der mit seinem Namen nicht kritisch über Erdoğan sprechen will oder die russische Homosexuelle, die sich für Rechte in ihrem Heimatland stark machen, sind besonders gefährdet sobald Anonymität im Internet nicht mehr erlaubt ist. Diesen Menschen muss es möglich sein, sich kritisch zu äußern, ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen.
4. Klarnamen schaffen Probleme im privaten/wirtschaftlichen Bereich
Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens haben ein Recht darauf, frei im Internet ihre Meinung zu äußern ohne befürchten zu müssen, dass sie am nächsten Tag deshalb gefeuert werden. Eine Lehrerin darf ihre Ansichten über ihre Arbeit schreiben ohne von Eltern dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Nicht nur im politischen, auch im privaten und beruflichen Umfeld sollte dieser Schutz gegeben sein.
5. Chilling Effekt
Randgruppen, marginalisierte Gruppen und dissidente Stimmen würden bei einer Klarnamenpflicht aus dem Diskurs fallen, weil sie sich aufgrund der Angst vor Verfolgung immer stärker zurückziehen würden. Diesen Menschen würde die Möglichkeit genommen werden, proaktiv ihre Recht zu verteidigen, ihre Meinung zu äußern und sich sichtbar zu machen. Damit würde ein wichtiger Bestandteil der öffentlichen Debatte wegfallen.
6. Vorurteilsfreie Bewegung im Netz nicht mehr gegeben
In bestimmten Kontexten ist Anonymität überhaupt erst der Beginn des Diskurses. Vorurteile, die zum Beispiel durch das Geschlecht entstehen, können hier geschickt umgangen werden. Manchen Frauen fällt es zum Beispiel einfacher, sich in männerdominierten Sphären anonym zu bewegen, um ernst genommen und in Ruhe gelassen zu werden. Die Expertise, die man so vielleicht dort lässt, wird dann neutraler behandelt und nicht mit Vorurteilen abgewertet. Viele Menschen möchten auch ihre ausländisch klingenden Nachnamen nicht zeigen, um der Diskriminierung zu entgehen.
7. Kinder und Jugendliche haben keinen Schutz mehr
Besonders schützenswert sind Kinder und Jugendliche, die mit den Gefahren des Internets nicht so vertraut sind wie erwachsene Nutzerinnen und Nutzer. So kann es durchaus sinnvoll sein, sich als Jugendlicher ein Pseudonym zuzulegen, um sich vor Übergriffen zu schützen oder die eigene – zu den Eltern oder Lehrenden konträre – Meinung kundzutun ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.
8. Das Internet ist ein öffentlicher Raum
Wie auch auf der Straße, auf der sich Menschen anonym bewegen dürfen und kein Namensschild vor sich her tragen müssen, gilt dieses Recht auch für das Internet, das ebenfalls ein öffentlicher Raum ist.
9. Schwächung des Wirtschaftsstandorts Österreich
Eine österreichweite Klarnamenpflicht ist nicht nur schwer umzusetzen. Stattdessen würden Nutzerinnen und Nutzer zu ausländischen Plattformen getrieben werden, womit österreichische Start-ups und Online-Plattformen ihre Existenzgrundlage verlieren.
10. Recht auf Pseudonym wird nicht geachtet
Viele Menschen hindert ihr eigener Name (weil er zB. sehr häufig oder sehr selten vorkommt) daran, sich eine Online-Präsenz aufzubauen. Sie verwenden bereits seit Jahren Pseudonyme, unter denen sie bekannt sind, agieren und arbeiten (Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Künstlerschaffende, Aktivistinnen und Aktivisten). Ein Zwang, sie dieser Freiheit zu berauben, ist deshalb auch ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre.
Da du hier bist!
… haben wir eine Bitte an dich. Für Artikel wie diesen analysieren wir Gesetzestexte, bewerten Regierungsdokumente oder lesen Allgemeine Geschäftsbedingungen (wirklich!). Wir sorgen dafür, dass möglichst viele Menschen sich mit komplizierten juristischen und technischen Inhalten befassen und auch verstehen, dass sie große Auswirkungen auf unser Leben haben. Diese Arbeit machen wir aus der festen Überzeugung, dass wir gemeinsam stärker sind als alle Lobbyisten, Machthabende und Konzerne. Dafür brauchen wir deine Unterstützung. Hilf uns, eine starke Stimme für die Zivilgesellschaft zu sein!
Jetzt Fördermitglied werden