Auswirkungen des Ukraine Kriegs auf das offene Internet
Als Netzaktivist*innen, die sich für ein freies und offenes Internet einsetzen, beobachten wir den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die weltweiten Reaktionen darauf sehr genau. Ein freies und offenes Internet ermöglicht dem Grunde nach den weltweiten Austausch aller Menschen über Ländergrenzen, Ideologien, Klassen oder Bildungsgrad hinweg. Diese direkte Völkerverständigung ist friedensstiftend und wird unterlaufen durch Abschottungstendenzen, wie wir sie etwa in China beobachten. Seit vielen Jahren sehen wir eine Verschlechterung der Presse- und Meinungsfreiheit auch in Russland. Diese Entwicklung hat sich im aktuellen Konflikt durch fortschreitende Internetzensur, brutale Einschränkungen der Versammlungsfreiheit und drakonischen Zensurgesetzen gegen unabhängige Berichterstattung über den unprovozierten Angriffskrieg Russlands leider nochmal drastisch verschlimmert.
In Russland sind die einzigen unabhängigen Nachrichtenquellen oft nur noch über das Internet oder sogar nur noch über soziale Netzwerke erreichbar. Vor diesem Hintergrund wäre eine Abschottung Russlands vom Internet ein sehr gefährlicher Schritt, der vor allem die Menschen im Land trifft, deren Protest gegen Wladimir Putin wohl der einzige Weg aus dieser Krise ist. Die Menschen in Russland von unabhängigen Online-Nachrichtenquellen auszuschließen, verlängert den Konflikt und schadet der Friedensbewegung im Land. Darüber hinaus wäre ein Ausschließen Russlands von unabhängigen Kommunikationsnetzwerken wie Signal eine Gefahr für die Bürger*innen in Russland. Die Sicherheitsbehörden in Russland durchsuchen inzwischen die Mobiltelefone von Menschen auf der Straße. Messengerdienste wie Signal haben die wichtige Funktion, dass sich Nachrichten automatisch nach kurzer Zeit selbst vernichten. In dieser Situation kann der richtige Messenger und ausreichend Kompetenz in digitaler Selbstverteidigung entscheidend für die eigene Sicherheit sein.
Eine komplette Abschottung des russischen Internetes nach dem Vorbild von China erscheint uns kurzfristig nicht sehr realistisch. Damit würde Russland die fundamentalen Grundideen des freien Internets aufgeben: Globalität und Dezentralität.
Die zuletzt diskutierten Ankündigungen der russischen Medienbehörde Roskomnadsor könnten auch als Aufforderung zur Vorbereitung russischer Webseitenbetreiber auf künftige Sanktionen des Westens verstanden werden. Es ist essenziell, die russische Bevölkerung nicht noch stärker von unabhängiger Berichterstattung über den Krieg von Wladimir Putin abzuschneiden, was derzeit nur über das Internet und Anonymisierungsnetzwerke wie Tor für die Menschen in Russland möglich ist. Leider hat uns die Geschichte gezeigt, dass wann auch immer der Zugang zum Internet eingeschränkt wird, die Wahrscheinlichkeit von Menschenrechtsverletzungen steigt. Facebook und Twitter sind in Russland bereits gesperrt. Wikipedia gerät wegen seiner unabhängigen Information über den Angriffskrieg Russlands immer mehr unter Druck. Anonymisierungstechnologien wie Tor sind deshalb unerlässlich für die Bevölkerung, um die Zensur des russischen Regimes zu umgehen. Umso besorgniserregender ist es, dass die Sperre von Russia Today in der EU scheinbar nicht nur Internetanbieter und Plattformen wie YouTube betrifft, sondern auch den Anonymisierungsdienst Tor ins Visier (siehe Artikel 12 von COUNCIL REGULATION (EU) 2022/350) nimmt.
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