Frauen sind nicht nur in der analogen Welt mit Ungleichbehandlung, weniger Rechten und Gewalt konfrontiert. Diskriminierung auf digitaler Ebene ist ebenso Bestandteil der Lebensrealität der meisten Frauen. Anlässlich des Internationalen Frauentags haben wir uns mit der digitalen Diskriminierung von Frauen auf der sozialen als auch wirtschaftlichen Ebene auseinandergesetzt und verorten dort akuten Handlungsbedarf, denn für viele Lösungen fehlt lediglich der politische Wille. Andere Phänomene wiederum wird man nur gesamtgesellschaftlich lösen können. Für uns steht jedenfalls fest, dass das Internet mit all seinen Räumen weit davon entfernt ist, diskriminierungsfrei zu sein. Wir haben einen kleinen Auszug verschiedener „Baustellen“ zusammengefasst. 

Cybergewalt ist eines der Themen, mit denen sich viele Frauen im Alltag herumschlagen müssen. Dabei gibt es zwei unterschiedliche Ausprägungen: Die eine richtet sich primär gegen die Partnerin, die andere Form der Cybergewalt auch gegen unbekannte Frauen. Expertinnen der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser haben zum Thema Cybergewalt eine informative Broschüre und Online-Information im Angebot, die nicht nur erklärt, was genau mit Cybergewalt gemeint ist, sondern auch Hilfestellung für Betroffene bietet. 

In Beziehungen ist Cybergewalt dadurch gekennzeichnet, dass sie meist dem Zweck dient, die Frau zu kontrollieren, zu demütigen oder zu beschimpfen - auf digitalem Weg. Vor allem kommen hier Tools zum Einsatz, die den Aufenthaltsort der Partnerin aufzeichnen/mitteilen oder deren soziale Kontakte nach außen kontrollieren, abfangen und verhindern sollen. Die Folgen sind ein Gefühl ständiger Beobachtung und Kontrolle, gefolgt von Angst, Panik, Hilflosigkeit. Hilfreich ist hier, alles zu dokumentieren. In der Dokumentationsmaske der AÖF (.doc) gibt es zahlreiche Hilfestellungen zur Dokumentation dieser Form der Gewalt, die bei einer strafrechtlichen Verfolgung wichtig und unumgänglich ist. 

Cybergewalt kann sich aber auch gegen Frauen richten, die in der Öffentlichkeit stehen. Hier fängt es bei Beleidigungen, übler Nachrede an und geht von gefährlicher Drohung bis hin zu Stalking. Diese verschiedenen Arten der Belästigung sind für Frauen im Internet mittlerweile Alltag. Sich dagegen zu wehren ist nicht immer einfach, weshalb man auch hier penibel auf eine Dokumentation achten sollte. Eine besonders schwerwiegende Form ist auch das Veröffentlichen privater und intimer Fotos und Details, die die Frau demütigen sollen. Sexualisierte Gewalt betrifft vor allem Frauen, das ist auch im Internet der Fall. Wo immer Frauen sich politisch und gesellschaftlich äußern, ist das „Dick Pic“ oder der Vergewaltigungswunsch nur einen Katzensprung entfernt. 

Klarnamenpflicht treibt Opfer in die Enge

Die von der Bundesregierung geplante Einführung einer Klarnamenpflicht würde den Effekt nur verschlimmern, denn viele Frauen sind im Internet mit Pseudonymen und Avataren unterwegs, die nicht auf ihre geschlechtliche Identität schließen lassen, um genau solchen Angriffen vorzubeugen bzw. sich dieser gänzlich zu entziehen. Die Argumentation, dass hier Täter rascher identifiziert werden können, hat den Nachteil, dass sich Opfer viel weniger schützen können und ebenfalls zur Angriffsfläche werden. Einer von vielen Gründen, sich gegen die Klarnamenpflicht einzusetzen.

Viele Probleme, denen Frauen ausgesetzt sind, würden sich durch eine Änderung von bestehenden Gesetzen lösen oder zumindest ansatzweise besser verfolgen lassen. Momentan ist es so, dass man versucht, Überwachung auszubauen, um bestehenden Problemen Herr zu werden. Dieser Ansatz vergisst aber, dass die Opfer zu schützen sind und ein Aufbrummen von mehr Überwachung diese Menschen in die Enge treibt.

Informationelle Selbstbestimmung

Neben den Tipps der Frauenhäuser möchten wir dir auch nahelegen, dich digital selbst zu verteidigen, indem du ein paar Tools ausprobierst, die dir dein Online-Leben etwas erleichtern. Informationelle Selbstbestimmung bedeutet, dass du selbst bestimmen kannst, welche Informationen über dich gespeichert, veröffentlicht und geteilt werden. Tipps dafür gibt es hier.

Arbeit

In der Arbeitswelt gibt es neben dem ohnehin bekannte Gender Pay Gap auch andere Baustellen: Algorithmen, die Frauen diskriminieren. Als Paradebeispiel kann man hier den AMS-Algorithmus anführen. Dieser Computercode des Arbeitsmarktservice teilt Arbeitslose nach verschiedenen Kriterien in drei Gruppen ein. Dabei werden Frauen per se schlechter gestellt, besonders wenn sie Betreuungspflichten haben. Bei Männern scheint dies überhaupt keine Rolle zu spielen. ExpertInnen sind sich einig, dass durch solche Maßnahmen bereits bestehende Vorurteile und Diskriminierungen noch weiter verfestigt werden. Dabei würde aber die Digitalisierung solcher Prozesse die Chance bieten, ohne Bias zu arbeiten. Notwendig wäre hier aber auch, bereits bei der Erstellung solcher Algorithmen divers und inklusiv zu arbeiten.

Apropos Digitalisierung: Immer wieder wird Digitalisierung als etwas verkauft, das besonders Frauen helfen soll. Telearbeit ist nur ein Teilbereich davon, aber bereits jetzt, nachdem es auch in Österreich endlich ankommt, ist festzustellen, dass sie wieder vor allem den Männern hilft. Frauen, die Home Office machen, kümmern sich dabei nebenbei auch noch um Haushalt und Kinder während Männer mehr Überstunden machen, wenn sie daheim arbeiten. Digitalisierung wird Frauen immer als Chance verkauft, verfestigt aber bestehende Geschlechterrollen. 

Care-Arbeit wird dabei auch gar nicht als Arbeit wahrgenommen. So gibt es beispielsweise einen Fragebogen, den sich die Bundesregierung überlegt hat, den Schülerinnen der 8. Schulstufe bekommen und Fragen zu ihrem Privatleben beantworten sollen. Ob die Mama arbeitet und was sie in der Arbeit macht. Völlig übersehen wird dabei, dass Pflege-Arbeit aber ebenfalls Arbeit ist. Klischee olé. 

Digitalisierung als vermeintliche "Chance"

Wie Nicole Schöndorfer im „Arbeit & Wirtschaft“ Blog schreibt, hat der Gender Pay Gap nicht nur mit der geschlechtsspezifischen Sozialisation von Kindern und Jugendlichen zu tun, weshalb Frauen dann später weniger verdienen (Stichwort: Bezahlung von typischen Männer- und typischen Frauenberufen), sondern auch mit der vermeintlichen Freiheit des Home Office. „Diese Freiheit ist ein Hoax und drängt Frauen weiter in eine Rolle, in der sie strukturelle Probleme wie die nach wie vor ungerechte Aufteilung unbezahlter Arbeit und zu wenig flächendeckende Kinderbetreuungsangebote individuell lösen sollen. Das hat mit Freiheit nur insofern zu tun, als Männer dank Frauen weiterhin die Freiheit haben, sorglos Karriere machen zu können“, so Schöndorfer. 

Dabei ist in männerdominierten Branchen für Frauen auch nicht alles so schön wie es gerne verkauft wird („bessere Bezahlung“). Gerade in diesen Bereichen sind Frauen mit sexueller Belästigung und Sexismus konfrontiert. Wie eine Studie zeigt, haben in Silicon Valley von 200 Managerinnen fast alle angegeben, sexistische Interaktionen zu erleben. Insgesamt fühlen sich Frauen in dieser Branche nicht sehr wohl, wenn man Umfragen und Studien glauben darf. Auch im Silicon Valley sieht es nicht besser aus, obwohl gerade dort viel unternommen wird, um Frauen zu rekrutieren. Arbeitsbedingungen und schlechte Aufstiegschancen lassen viele Frauen verzweifeln, weshalb deren Wahrscheinlichkeit, aus dem Beruf auszusteigen, doppelt so hoch wie bei Männern liegt. 

Männerdominierte Digital- und Tech-Branche

Kein Wunder also, dass über die letzten Jahrzehnte hinweg Frauen weniger gern in diesen männerdominierten Branchen arbeiten. Wo liegt aber eigentlich der Ursprung? Frauen haben bereits die Anfänge der Computerisierung mitgestaltet und maßgeblich geprägt, danach kam aber etwas völlig Überraschendes: Man hat sich in den 80ern dazu entschieden, PCs, also Computer für zuhause, hauptsächlich an Männer und Buben zu bewerben

Der Grund dafür ist vielschichtig, aber eines kann mittlerweile mit Sicherheit gesagt werden: Die Werbeindustrie hatte die Idee, Videospiele hauptsächlich an Buben zu vermarkten. Und das hat Wirkung gezeigt, denn schon einige Jahre später war der Gap unübersehbar: Während 1985 73% der Männer bereits wöchentlich einen Computer benutzt haben, waren es bei den Frauen gerade mal 45%. Die Wissenschaft bezeichnet dies als „Experience Gap“: Frauen haben einfach seltener die Chance bekommen, Computer zu „erleben“.

Daher unser Aufruf an alle Frauen: Schreckt nicht davor zurück, euch mit Digitalisierung, Technik, Software und Internet auseinanderzusetzen! 

Wie sich das Internet politisch entwickelt wird jetzt debattiert und entschieden! Informiert euch, redet mit, bringt euch ein, damit die Zukunft des Internets auch von Frauen mitgestaltet wird!

Die Frauen von epicenter.works

 

Solltest du von Gewalt oder Cybergewalt betroffen sein, bieten folgende Organisationen kostenfreie und unbürokratische Hilfe an, die du ohne Bedenken wahrnehmen kannst:

Autonome Österreichische Frauenhäuser

Frauen beraten Frauen

ZARA

Frauennotruf der Stadt Wien: + 43 1 71 71 9

Frauenhelpline: 0800 222 555

Da du hier bist!

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