Die Bundesregierung hat das Gesetz über Sorgfalt und Verantwortung im Netz entwickelt, um dem Hass im Netz den Kampf anzusagen. Mit der Bekämpfung von Hassnachrichten im Internet hat der Gesetzesentwurf allerdings nur wenig gemein. Kurz nach dem Bekanntwerden der Hassnachrichten im medienöffentlichen Fall Sigi Maurer wurde ein Gipfel zu Hass im Netz abgehalten, bei dem führende ExpertInnen erst gar nicht eingeladen wurden. Angekündigt wurde ein Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Hassnachrichten, herausgekommen ist aber ein Gesetz, das darauf abzielt, regierungskritische Medien und deren DiskussionsteilnehmerInnen als auch ForenbetreiberInnen mit hohen UserInnenzahlen an die kurze Leine zu nehmen und so den Diskurs in der Öffentlichkeit klein zu halten. 

Die Umsetzung dieses Gesetzesentwurfs würde bedeuten, dass den PlattformbetreiberInnen für strafrechtliche und privatrechtliche Rechtsdurchsetzung ein enormes Risiko umgehängt wird. Abgesehen von den drakonischen Strafen, die hier verhängt werden können und die für kein Medium leistbar sind, wird hier der Versuch unternommen, Risiken und Pflichten einzelnen Medien aufzubürden, von denen diverse Hass-Verbreitungsportale völlig unbetroffen bleiben. Angriffe, wie sie die oben bereits genannte Sigi Maurer erlebt hat, bleiben weiterhin legal. Der Tatsache, dass die meisten Hassnachrichten ohnehin bereits mit Klarnamen abgesetzt werden, wurde beim Erstellen des Gesetzesentwurfes auch nicht besonders viel Augenmerk geschenkt. 

Südkorea ist hier kein Vorbild

Neben den wirtschaftlichen Aspekten, die vor allem neue Medienbetreiber davon abschrecken werden, überhaupt neue Medien zu schaffen, ist es höchst problematisch, privaten Unternehmen eine Speicherverpflichtung umzuhängen, die nicht klar geregelt ist. Der Gesetzgeber scheint nicht beachtet zu haben, dass der Gesetzesvorschlag Missbrauchspotential fördert und zu einer Datensammlung führt, die - wie bereits in Südkorea - irgendwann nach außen geraten könnte. Datensicherheit ist nicht 100%ig zu garantieren und so könnte es beispielsweise zu Identitätsdiebstählen, Ausforschung von Gewaltopfern, Stalking und anderen Folgeverbrechen kommen. 

Wer Zugriff auf personenbezogene Daten bekommen darf, sollen die PlattformbetreiberInnen entscheiden. Die Frage, ob ein privates Unternehmen eindeutig beurteilen kann, ob es auf straf- oder privatrechtlicher Ebene tatsächlich ein berechtigte Interesse gibt, stellt sich nicht, da selbst diese Prüfung nicht vorgesehen ist. Die Folgen können schwer sein: Angefangen von Menschen, die bei kritischen PosterInnen ungebetene Hausbesuche machen, bis zu einer möglichen späteren Ausweitung der Auskunftspflichten auf andere rechtliche Bereiche. Diese sogenannten „mission creeps“ waren bereits in der Vergangenheit bei diversen Gesetzen üblich und sind auch hier zu befürchten.

Die grundlegende gesellschaftliche Frage und das Redaktionsgeheimnis

Diese Art der Speicherung von Daten kann man getrost auch Vorratsdatenspeicherung nennen. Es werden Daten prophylaktisch gesammelt, um sie im Falle des Falles zu haben. Diese Art der Speicherung von Daten ist aber laut EuGH unzulässig und nicht mit demokratischen Grundwerten vereinbar. Zudem ist es laut E-Commerce-Richtlinie unzulässig, Überwachungspflichten dieser Art abzuverlangen. Insgesamt stellt der Gesetzesentwurf eine Verletzung des Rechts auf Achtung der Privatsphäre dar und stellt unsere Gesellschaft vor eine grundlegende Frage: Wollen wir, dass Menschen nicht mehr das Gefühl haben, sich frei äußern zu können und brauchen wir dieses Gesetz tatsächlich in unserer demokratischen Gesellschaft? Unsere Antwort darauf ist ganz klar: Nein. Die Verhältnismäßigkeit des Gesetzes ist nicht gegeben, der Gesetzgeber hat bereits zahlreiche andere Mittel, die Herausgabe von Daten von InternetnutzerInnen einzufordern. Der Gesetzesentwurf stellt also nicht das gelindeste Mittel zur Verfolgung strafrechtlich relevanter Nachrichten oder Foreneinträge dar. 

Daneben sollte auch das Redaktionsgeheimnis gewahrt werden. Eine Redaktion lebt nicht zuletzt davon, dass sie mit ihren LeserInnen interagiert und auch von dieser Gruppe Informationen bekommt oder zumindest Hinweise darauf, welche Inhalte die LeserInnen besonders interessieren. Das Redaktionsgeheimnis wird durch die Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert und ist eine Grundbedingung der hoch geschätzten Pressefreiheit. Da dies aber weder Erwähnung noch Relevanz im Gesetzesvorschlag findet, ist ein problematisches Verhältnis zum Redaktionsgeheimnis anzunehmen - ob erwünscht oder durch schlechte Legistik. 

Als Grundrechts-NGO möchten wir darauf hinweisen, dass dieses Gesetz in seiner jetzigen Form nicht nur teilweise oder stellenweise, sondern gänzlich abzulehnen ist. Der Versuch oder scheinbare Versuch, Hass im Netz zu minimieren, bedeutet nämlich hier in Wirklichkeit die Drangsalierung von Medien- und Forenbetreibenden und eine Schmälerung des öffentlichen Diskurses.

Unsere volle Stellungnahme steht hier zum Download bereit. Auch aus der Wirtschaft gibt es Kritik, so hat zum Beispiel die ISPA eine Stellungnahme veröffentlicht, die ein paar andere Aspekte detaillierter analysiert.  Weiters lesenswert ist die Stellungnahme von Amnesty International.

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