Seit zehn Jahren wird jeweils am 28. Jänner der Europäische Datenschutztag begangen. Datenschutz hat enorme grundrechtliche Relevanz. Das müssen wir uns heuer mehr als jemals zuvor vor Augen führen. Die Bestrebungen von Gesetzgebern zum Ausbau von Überwachung, Big-Data-Analysen als Basis für Manipulation von Meinungen, die zunehmende Vernetzung von Datenbeständen: All dies sind Entwicklungen, die nicht nur Einzelpersonen betreffen, sondern unsere gesamte Gesellschaft und damit auch unsere Demokratie. Hier geht es längst nicht mehr nur um das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, sondern auch um andere Grundrechte.

Unser Verein weist schon seit Jahren auf diesen Zusammenhang hin. Begonnen haben wir mit der Vorratsdatenspeicherung. Die wurde nicht zuletzt aufgrund unserer Arbeit vom Europäischen Gerichtshof für grundrechtswidrig erklärt. Das scheint manche Politiker aber nicht zu beeindrucken. Erst kürzlich haben sich einige Minister und auch der Vizekanzler für eine Neuauflage dieser Form anlasslosen Massenüberwachung ausgesprochen. Wir haben den Zusammenhang auch in unserer Kritik gegen das Polizeiliche Staatsschutzgesetz aufgezeigt. Der behördliche Zugriff auf personenbezogene Daten schon weit im Vorfeld möglicher Straftaten ohne starkem Rechtsschutz ist aus Grundrechtsperspektive höchst bedenklich. 

Ein Blick zurück

Angesichts der aktuelle Entwicklungen lohnt es sich, auch einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Wir haben das vor ziemlich genau einem Jahr getan. Am Tag, als das Staatsschutzgesetz im Parlament beschlossen wurde, haben wir Medienvertreter zu einer "Überwachungsrundfahrt" eingeladen. Sarah Kriesche von Ö1 war dabei. Sie hat dann weiter recherchiert und die Sendung "Zeitreise Überwachung" gestaltet. Für diese hat sie gestern, am Vorabend des Europäischen Datenschutztages, den "Surveillance Studies Preis 2017" erhalten.

Wie man es auch dreht und wendet, wie weit man auch in die Geschichte zurückblickt: In Epochen, in denen staatliche Institutionen sich Zugriff auf die Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern verschafft haben, hat das niemals zu mehr Freiheit und einer lebendigen Demokratie beigetragen. Warum soll das heute anders sein? Warum werfen uns Regierungspolitiker wie Vizekanzler Mitterlehner Sätze wie "Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit" vor die Füße und bleiben den Beleg dafür schuldig? Zum einen können sie nicht erklären, warum "in allen Fragen eine lückenlose Überwachung" (Innenminister Sobotka, ÖVP) mehr Sicherheit bringen soll. Zum anderen haben sie keine Beweise, warum diese vermeintliche Sicherheit zu mehr Freiheit führen sollte. Die Geschichte zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. 

Grundrechte in Gefahr

Daher müssen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diese Fehlinterpretation des Zusammenhangs zwischen Überwachung, Sicherheit und Freiheit ankämpfen. Wir tun dies auf Basis allgemein anerkannter Grundprinzipien unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention sind unsere Leitlinien. Und da geht es eben nicht nur um das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Es geht auch um Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Wenn Menschen noch keine Straftaten begangen haben, dürfen ihnen keine Fußfesseln angelegt werden, wie wir das mit verurteilten Personen tun. Kritik am Staat und seinen Institutionen muss möglich sein. Sie ist Teil des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung. Das Prinzip der Unschuldsvermutung ist eng mit dem Recht auf ein faires Verfahren verknüpft. 

Die Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung und der Einsatz von Fußfesseln für nicht Verurteilte sind nicht die einzigen Beispiele für die bewusste Einschränkung grundrechtlicher Prinzipien. Die Liste ist lang. Alleine das "Sicherheitspaket", das ganz oben auf der Agenda der österreichischen Regierung steht, beinhaltet viele Angriffe auf unsere Freiheiten. Auf EU-Ebene ist es nicht anders. Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten (PNR), die Ideen zur Einrichtung einer Zensurinfrastruktur für die Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen und vieles mehr lassen eine düstere Zukunft befürchten.

Die Gefahr für unsere Grundrechte kommt aber nicht nur von den Regierenden, sondern auch immer stärker von privaten Unternehmen. Besonders problematisch wird es dort, wo politische Meinungs- und Willensbildung durch Verwendung von Big-Data-Analysen auf Social-Media-Plattformen beeinflusst wird. Die jüngsten Beispiele aus dem Trump-Wahlkampf oder der Brexit-Kampagne lassen George Orwells "Doublethink" Realität werden. Mit Microtargeting, das perfekt auf bestimmte Persönlichkeitsmerkmale abgestimmt wird, lassen sich "alternative" Wahrheiten verbreiten. Objektiv überprüfbare Fakten weichen personalisierten manipulativen Argumenten. – Und die sind womöglich sogar wahlentscheidend.

Zivilgesellschaft wirkt!

Es gibt aber immer wieder auch Positives zu berichten. Und das meist dann, wenn sich die Zivilgesellschaft nicht einschüchtern lässt. Die Europäische Datenschutzgrundverordnung ist so zukunftsweisend und stark ausgefallen, weil auch Stimmen aus der Zivilgesellschaft gehört wurden. Die EU-Richtlinie für die Vorratsdatenspeicherung wurde nicht zuletzt deswegen annulliert, weil tausende Einzelpersonen die Klage unterstützt haben. Die neuen EU-Regeln für die Netzneutralität wurden dank der Beteiligung einer halben Million Menschen zu einem echten Schutz des freien und offenen Internets. Und das Safe-Harbor-Abkommen wurde gekippt, weil Max Schrems jahrelang dagegen gekämpft hat.

Unsere Botschaft zum Europäischen Datenschutztag ist daher:

Nicht Überwachung bringt mehr Freiheit, sondern Menschen, die sich aktiv für deren Bewahrung einsetzen.

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