Justizminister, Innenminister und Verteidigungsminister planen lückenlosen Überwachungsstaat
Die Regierung hat das neue Jahr mit einer Offensive zur Errichtung eines Überwachungsstaates begonnen. Am Samstag, den 7. Jänner haben Justizminister Brandstetter und Vizekanzler Mitterlehner (beide ÖVP) angekündigt, die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen zu wollen. Diese wurde vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) schon zwei Mal für grundrechtswidrig erklärt. Ein paar Tage zuvor hat Innenminister Sobotka (ÖVP) eine ganze Wunschliste für weitreichende Überwachungsbefugnisse präsentiert, darunter die Vernetzung aller privaten Überwachungskameras. Auch Verteidigungsminister Doskozil hat Anfang Jänner angekündigt, mit dem Innenministerium Gespräche über mehr Überwachung führen zu wollen. Es brauche laut Doskozil "den einen oder anderen Schritt" beim Datenschutz. Den Beleg, dass mehr Überwachung zu mehr Sicherheit führt, bleiben die Regierungspolitiker dabei schuldig.
Seriöse Wirkungsfolgenabschätzung
Vorratsdatenspeicherung: Grundrechtswidrig, teuer und wirkungslos
Besonders kritisch sieht epicenter.works die Ideen für eine Nachfolgeregelung der Vorratsdatenspeicherung. Der EuGH hat bereits zwei Mal festgestellt, dass die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten aller Menschen nicht mit der Grundrechtecharta vereinbar ist. Dennoch will der Justizminister einen weiteren Anlauf unternehmen, sie wieder einzuführen. Laut EuGH muss sich eine verdachtsunabhängige Speicherung von Standort- und Verkehrsdaten auf das absolut Notwendige beschränken, insbesondere auch in Hinblick auf den Kreis der betroffenen Personen. Eine Speicherung dieser Daten aller Menschen in Österreich auf Vorrat widerspricht also der europäischen höchstgerichtlichen Rechtsprechung und wäre rechtswidrig. Sobald ein entsprechender Umsetzungsvorschlag des Ministeriums vorliegt, wird epicenter.works sehr genau evaluieren, ob diese Vorgaben eingehalten werden. Eine konforme Umsetzung ist nur schwer vorstellbar. Insgesamt stellt sich die Frage, ob eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt effektiv ist. Ein entsprechender Bericht von EDRi (European Digital Rights) zeigt, dass die Maßnahme viel kostet, aber wirkungslos ist. Aus den Ländern, die Vorratsdatenspeicherung einsetzen, sind keine Beispiele bekannt, dass diese zur Verhinderung oder Aufklärung schwerer Verbrechen oder Terroranschläge beigetragen hätte.
Lückenlose Überwachung
Auch die lückenlose Überwachung durch die Vernetzung aller Videokameras, wie sie Innenminister Sobotka vorschwebt, ist höchst problematisch. Menschen, die vom Staat ständig beobachtet werden, bewegen sich nicht mehr frei. Diese sogenannten Chilling Effects führen zu Selbstbeschränkung und Selbstzensur. Kriminelle hingegen finden immer Wege, sich der Überwachung zu entziehen. Darüber hinaus ist das Zusammenschalten von (zumeist nicht genehmigten) Überwachungskameras privater Betreiber über das Internet mit enormen technischen Sicherheitsrisiken verbunden. Wie mit vielen weiteren Forderungen verlässt BM Sobotka hier den Boden des Rechtsstaats; die Berücksichtigung juristischer und technischer Machbarkeit scheint für ihn keine Rolle zu spielen.
Politik darf sich nicht zum Werkzeug der Terroristen machen lassen
International und leider auch in Österreich mehren sich die Tendenzen, die Grundrechte und Freiheiten der Menschen immer weiter einzuschränken. Die Politik macht damit genau das, was Terroristen nicht gelingt: Sie höhlt die Basis unserer Demokratie aus. epicenter.works setzt sich daher für einen breiten und sachorientierten Diskurs ein, wie wir als Gesellschaft dem Terror entgegentreten können, ohne dabei unsere Freiheit aufzugeben.
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