Kritik soll als staatsfeindliche Handlung bestraft werden
Mit der geplanten Strafgesetznovelle von Justizminister Brandstetter wird zivilgesellschaftliche Kritik an Behörden oder Politikern mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht. epicenter.works fordert die ersatzlose Streichung dieser Regelung. Einen Busfahrer anzurempeln wird so hart bestraft wie die fahrlässige Tötung mehrerer Menschen. Der Justizminister begründet diese Verschärfung mit erhöhtem "Aggressionspotenzial gegen Beamte". epicenter.works veröffentlicht Zahlen, die das widerlegen.
"Wir sind über diese komplette Entgleisung des Justizministers entsetzt. Hier soll ein Feindstrafrecht1 eingeführt werden, das Gesinnungen unter Strafe stellt. Wir befinden uns offensichtlich im Übergang weg von einer 'Strafrechtgesetzgebung', die inkriminiertes Verhalten sanktioniert, hin zu einer 'Bekämpfungsgesetzgebung', die 'unsere Feinde' schon im Vorfeld erkennen und ausschalten soll. Das ist eine enorme Gefahr für unsere Demokratie",
so Alexander Czadilek, Jurist bei epicenter.works und einer der Verfasser der Stellungnahme.
Wenn das Gesetz in der geplanten Form beschlossen wird, kann man sehr einfach zum Staatsfeind erklärt werden. Es reicht, einen unliebsamen Bürgermeister zu kritisieren oder gegen politische Entscheidungen aktiv zu werden. Wer aus Umweltschutzgründen gegen ein geplantes Bauprojekt demonstriert und dabei mit friedlichem Protest versucht, die Bauarbeiten zu behindern, wird mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht.
"Viele Österreicherinnen und Österreicher sind stolz darauf, dass es 1984 gelungen ist, die Hainburger Au mit friedlichem Protest zu retten. Hätte es damals ein derartiges Gesetz gegeben, wäre heute wahrscheinlich ein Flusskraftwerk an dieser Stelle",
beschreibt Thomas Lohninger, Geschäftsführer von epicenter.works die Probleme einer derartigen Regelung.
Auch epicenter.works könnte als eine staatsfeindliche Bewegung gelten. Die Kundgebung gegen das – nach Meinung des Vereins verfassungswidrige – Staatsschutzgesetz vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung könnte als Gesinnungsstraftatbestand gewertet werden. Im Asylbereich ist es üblich, zu versuchen, die drohende Abschiebung von Flüchtlingen zu verhindern. Von dem neuen Gesetz wären Organisationen, die sich in diesem Bereich engagieren ebenso betroffen wie Autoren von Büchern, auf die sich diese NGOs berufen, oder sogar Vermieter der Vereinslokale, die sie nutzen.
"Die Schaffung eines solchen Gesinnungsstrafrechts öffnet für künftige Generationen die Tore, die schleichende Abschaffung der freien Demokratie auf der Basis von Gesetzen rechtsstaatlich formal korrekt zu betreiben",
warnt Christof Tschohl, Jurist und Obmann von epicenter.works.
Bestimmung zu "staatsfeindlichen Bewegungen" ersatzlos streichen
Die potentielle Kriminalisierung von Bürgerinnen und Bürgern, die ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und auf freie Meinungsäußerung ausüben, ist in einem liberalen Rechtsstaat nicht hinnehmbar. Ein aufgeklärter Rechtsstaat darf keine Gesinnung unter Strafe stellen. Daher fordert epicenter.works die ersatzlose Streichung der Bestimmung zu den "staatsfeindlichen Bewegungen" aus dem Gesetzesvorschlag.
Unverhältnismäßig hohe Strafen für tätliche Angriffe auf Beamte
Der Angriff auf Beamte, Schaffner und Busfahrer wird mit der Novelle des Strafgesetzbuches ebenfalls mit sehr hohen Strafen versehen. Wer einem Beamten einen Kratzer zufügt, wird mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Zum Vergleich: Eine vorsätzliche leichte Körperverletzung ist nur mit einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht. Das hier vorgeschlagene Strafmaß entspricht dem Strafmaß für die fahrlässige Tötung mehrerer Menschen.
Fehlende Belege
Begründet wird diese Verschärfung in den Erläuterungen damit, dass hiermit "ein rechtspolitisches Zeichen gesetzt und ein erhöhtes Aggressionspotenzial gegenüber Beamten hintangehalten werden." Die Antwort des Justizministeriums auf eine Anfrage von epicenter.works belegt, dass die Zahl der Straftaten gegen Beamte in den letzten Jahren stabil geblieben beziehungsweise seit 2013 sogar leicht gefallen ist. Die wahre Begründung für diese Anlassgesetzgebung bleibt der Justizminister also schuldig.
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