ÖH Uni Wien und epicenter.works warnen vor Datenschutzproblemen bei Bildungsdokumentation
Ministerialentwurf verdreifacht Aufbewahrungsfrist und schafft Zugriff auf Passfotos
"Mit einer verkürzten Begutachtungsfrist von vier statt sechs Wochen und ohne Datenschutzfolgenabklärung möchte Bundesminister Faßmann ein neues Bildungsdokumentationsgesetz verabschieden", so Hannah Lea Weingartner vom Vorsitzteam der ÖH Uni Wien. "Dabei bedeutet das jetzige bereits einen intransparenten Umgang mit Daten und Untergrabung von Rechten wie dem Recht auf Vergessenwerden."
Darin wird die Aufbewahrungsfrist für statistische Daten aus der Bildungsdokumentation verdreifacht und damit bis ins Pensionsalter ausgedehnt."Diese vollständige Dokumentation aller Betragensnoten oder Leistungsbeurteilungen vom Kindergarten bis zur AMS-Schulung erwecken ein enormes Missbrauchspotential", so Daniel Lohninger von epicenter.works.
"Sogleich wir den hohen Stellenwert von einer guten Datenlage im Bildungsbereich für die Hochschulforschung sehen - womit beispielsweise Ausschlüsse von Frauen beim Übergang von Bachelor- zu Masterstudien sichtbar werden, pochen wir hier auf maximalen Datenschutz, da mit jeder zentralen Zusammenführung von Daten die Missbrauchsgefahr steigt", erklärt Felix Schmidtner vom Referat für Bildung und Politik der ÖH Uni Wien.
Ausweitung der personenbezogenen Speicherung
Die Daten aller Schüler*innen und Student*innen sollen nun für 60 Jahre statt 20 Jahre mit Personenbezug gespeichert werden und mit Daten aus dem weiteren Leben wie Erwerbskarrieren verknüpft und ausgewertet werden. Die dreimal solange Speicherdauer wie bisher wird nur mit dem Wunsch nach Langzeitanalysen begründet.
Dabei ist die Missbrauchsgefahr selbst ohne direkten Personenbezug groß: Sind die Daten einmal vorhanden, können sie in Zukunft auch für jetzt noch nicht absehbare Zwecke genutzt werden. Mit einem solchen Datenberg über die gesamte Bevölkerung wachsen Begehrlichkeiten und das Missbrauchspotential. Künftige Arbeitgeber*innen, das AMS oder Kreditauskunftssysteme hätten enormes Interesse an diesen Daten. Sie könnten auch für Profiling, die automatisierte Entscheidung über Personen, genutzt werden und zum Beispiel Förderungen oder Sanktionen könnten an diese Entscheidungen geknüpft werden.
Zudem darf nicht vergessen werden, dass solch umfassende Datensätze auch ohne Sozialversicherungsnummer oder bereichsspezifischen Personenkennzeichen auf Personen rückführbar bleiben.
Zugriff auf Passfotos
Neu ist auch der Zugriff und die Verarbeitung von biometrischen Bilddaten: Künftig soll für das Ausstellen von Schüler*innen- und Studierendenausweisen der Zugriff auf zentrale Bilddatenbanken möglich sein.
"Für uns ist das eine absolute Grenzüberschreitung, dass ohne Strafanlass auf die Pass-, Führer*innenschein- und Fremdenregisterbestände zugegriffen werden soll.", so Zissi Fritsche von der ÖH Uni Wien und Pressesprecherin des KSV-LiLi.
"Ein solcher Zugriff ist ein weiterer Schritt zur Vernetzung der zentralen Datenbank von biometrischen Gesichtsfotos mit hunderten von Bildungseinrichtungen in Österreich, der nicht ausreichend begründet ist und zu einer weiteren Normaliserung der Verwendung von biometrischen Bilddaten führt", sagt Daniel Lohninger von epicenter.works.
Sonderpädagogischer Bedarf, Sprachen und Staatsangehörigkeit
Auch ein sonderpädagogischer Förderbedarf soll nun dauerhaft für statistische Anwendungen mit Personenbezug gespeichert werden. Bisher hat man bei diesen sensiblen Daten aus gutem Grund von einer langfristigen Speicherung abgesehen. "Für uns zeigt das klar, dass der Grundsatz der Datenminimierung nur sehr stiefmütterlich seitens der Regierung behandelt wird, da sensible und weitreichende Daten wie Sprachen oder Sprachförderung 60 Jahre lang gespeichert werden sollen", so Magdalena Taxenbacher, Referentin für Bildung und Politik der ÖH Uni Wien.
Die massiven Maßnahmen werden im Gesetz nicht begründet, da das Bildungsministerium es trotz der Grundrechtseingriffe nicht geschafft hat, die dazugehörige Datenschutzfolgenabschätzung rechtzeitig fertigzustellen. "Wir fordern daher Bundesminister Faßmann auf, den Entwurf zurückzuziehen und gründlich zu überarbeiten", so ÖH Uni Wien und epicenter.works unisono.
Stellungnahme der ÖH Uni Wien:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/SNME/SNME_18338/index.shtml
Blogpost epicenter.works:
https://epicenter.works/content/verschlechterungen-fuer-datenschutz-an-schulen-und-unis-das-neue
epicenter.works Stellungnahme von 2019:
https://epicenter.works/document/1986
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