Wer freut sich nicht über einen Brief vom Bürgermeister? Oder ein gratis Magazin vom Seniorenbund? Die Menschen in Wr. Neustadt und Vorarlberg dürften das allerdings anders sehen.

Aus guten Grund müssen in einer Demokratie Staat und Parteien klar getrennt sein, auch bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Mit großer Sorge beobachten wir aber, dass die ÖVP zusehends Daten der staatlichen Verwaltung für parteipolitische Zwecke missbraucht.

Quer durchs Land

In Wr. Neustadt haben sich Bewohner:innen gegen die zunehmende Versiegelung der Böden engagiert. Die Betroffenen haben dazu letzten Dezember einen Initiativantrag gegen einen neuen Stadtentwicklungsplan eingereicht. Bürgermeister Klaus Schneeberger schien das gerade recht zu kommen. Denn dieser bediente sich gleich freizügig am Datensatz der besorgten Bewohner:innen und schickte ihnen – mitten im niederösterreichischen Wahlkampf – einen Brief, in dem er ihre Bedenken zu relativieren versuchte. Die Stadt Wiener Neustadt hat hier also ganz klar mit Hilfe des Landes Niederösterreich eine rote Linie überschritten, indem sie Daten eines direkt-demokratischen Instruments für Wahlkampfzwecke missbrauchte. Die unrechtmäßige Nutzung der Daten wurde inzwischen auch von der Datenschutzbehörde bestätigt.

In einem ähnlichen Fall hat die Vorarlberger ÖVP allem Anschein nach Daten aus der Wählerevidenz für ihre kommerziellen und wahlwerbenden Interessen missbraucht. Eine zentrale Rolle spielt hier das Konstrukt zweier „Seniorenbünde“: einer als Teil der Partei, der andere ein Verein und Herausgeber eines Magazins, laut eigenen Angaben völlig unabhängig von der Partei. Die Partei dürfte die personenbezogenen Daten der Wähler:innen über den Seniorenbund an den gleichnamigen, angeblich unabhängigen Verein zum Versenden des Mitgliedermagazins „Express“ weitergegeben haben. Wir haben diesen Fall des Vorarlberger Seniorenbunds aufgearbeitet und mit einer Beschwerde an die Datenschutzbehörde weitergeleitet.

Freibrief für öffentliche Stellen?

Abseits der groben Ignoranz der Partei lässt auch die gesetzliche Lage noch zu wünschen übrig. Müsste die öffentliche Hand dieselben Strafen für Datenschutzverstöße befürchten wie jedes Unternehmen, dann würden sich Parteien wohl nicht so ungeniert an den Daten der Bevölkerung bedienen. Menschen müssen sich in einer Demokratie darauf verlassen können, dass ihre Daten nicht von einzelnen Parteien zweckentfremdet werden.

In jedem Fall sieht die Datenschutzgrundverordnung aber schon jetzt eine klare Zweckbindung für den Gebrauch von Daten vor. Diese Zweckbindung hat eine Schutzfunktion, z.B. wenn sich Menschen für oder gegen etwas politisch engagieren. Die Menschen müssen sich sicher sein können, dass ihre Daten nicht einfach weiterverwendet, zu lange gespeichert oder für andere Zwecke verwendet werden – auch wenn sie sich politisch beteiligen.

Diese Schutzfunktion wurde in Wr. Neustadt klar missachtet, indem der Vertreter einer Partei die Unterzeichner:innen direkt angeschrieben hat. Schon eine gute und ordentliche Datenorganisation innerhalb der Behörde hätte das leicht verhindern können. Auch im Vorarlberger Fall hat die Partei unserer Meinung nach diese Zweckbindung klar missachtet.

Einstellungssache

Speziell staatliche bzw. öffentliche Stellen sollten eine Vorbildfunktion haben, wenn es um die Einhaltung von (Datenschutz-) Gesetzen geht, auch jenseits von angedrohten Sanktionen.

Die beiden Fälle von Datenmissbrauch durch politische Parteien mögen klein erscheinen, doch sie werfen ein Licht darauf, wie achtlos und unverschämt mancherorts mit sensiblen Daten umgegangen wird. Helfen würde dagegen u.a., die betreffenden Lücken im österreichischen Datenschutzgesetz zu schließen. Denn obwohl die DSGVO einen bestimmten Regelungsspielraum zulässt, sieht das österreichische Datenschutzgesetz keine Sanktionen für Behörden vor. Damit haben Behörden quasi einen Freibrief für Datenschutzverstöße. Auch beim Bewusstsein für den hohen Wert von persönlichen Daten – auch im politischen Diskurs – und den daher erforderlichen Schutz gibt es noch Nachbesserungsbedarf.

Da du hier bist!

… haben wir eine Bitte an dich. Wenn Regierungen laufend neue Überwachungsmaßnahmen fordern, immer mehr Daten über uns sammeln, oder Konzerne auf unsere Kosten ihre Profite steigern, dann starten wir Kampagnen, schreiben Analysen oder fordern unsere Rechte vor Gerichten ein. Dafür brauchen wir deine Unterstützung. Hilf uns, eine starke Stimme für die Zivilgesellschaft zu sein!

Spenden

Ähnliche Artikel: