Plattformen im Netz bleiben ein kompliziertes Thema. Erst recht, wie man mit diesem quasi öffentlichen Raum umgeht. Noch dazu, wo jede:r mit entsprechender Reichweite innerhalb von Millisekunden viele Tausende ansprechen und mobilisieren kann. Zu analogen Zeiten brauchte man dafür eine Sendelizenz und nicht umsonst waren diese Lizenzen an die Einhaltung gewisser Regeln gebunden. Heute kann jede:r Sender und Empfänger:in sein und das birgt neue Herausforderungen.

Wahrscheinlich ist die Sache ähnlich komplex und folgenreich, als hätte man heute noch keine Straßenverkehrsordnung und würde feststellen, dass man eine einführen sollte. Spätestens seit dem Selbstmord der von Hasspostings verfolgten Ärztin Dr. Lisa-Maria Kellermayr ist klar: auch in Österreich muss Öffentlichkeit im Netz reguliert werden. Das nationale Mittel dazu ist in Österreich aktuell das KoPl-G – das Kommunikationsplattformen-Gesetz.

Das KoPl-G und der DSA

Das KoPl-G fordert eine einfach auffindbare Meldefunktion für User:innen. Beanstandete Posts müssen innerhalb von 24 Stunden entfernt werden, schwierige Fälle innerhalb von sieben Tagen. Beweise müssen bis zu 10 Wochen aufgehoben werden. Das Verfahren kann überprüft werden, zuständig sind die Regulierungs- und Aufsichtsbehörde KommAustria und der ihr zugehörige Teil der RTR (Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH).

Anders als im europäischen Digital Services Act (DSA) ist der Geltungsbereich jedoch kleinteiliger. Unter das KoPl-G fallen Kommunikationsplattformen ab 100.000 Nutzer:innen oder 500.000€ Umsatz in Österreich. Nicht dazu gehören bzw. gehörten Diensteanbieter von Video-Sharing-Plattformen sowie Online-Marktplätze, nicht an Gewinn orientierte Online-Enzyklopädien oder Bildungs- und Lernplattformen sowie Medienunternehmen, die journalistische Inhalte anbieten.

Die europäische Version der Plattformregulierung ist der DSA, welcher am 1. Jänner 2024 in kraft treten wird. Die EU hat die Notwendigkeit einer Regulierung erkannt und mit dem DSA einen europaweiten Rechtsrahmen dazu geschaffen. Das bedeutet: wie die DSGVO auch, ist diese in allen Staaten ab Inkrafttreten auch ohne nationale Gesetze anwendbar.

Unterschiede

Im wesentlichen unterscheiden sich der DSA und das KoPl-G nur in feinen Details, die für viele User:innen irrelevant sein dürften. Nicht jedoch für Firmen, denn von den Regulierungen im KoPl-G sind kleinere Unternehmen viel stärker betroffen. Das mag user:innenfreundlich wirken, da es mehr Möglichkeiten einzuräumen scheint. Allerdings ist das ein Trugschluss, denn die Folge dürfte sein, dass sich Unternehmen gar nicht gründen oder - Stichwort Telegram - einfach von fragwürdigen Ländern aus agieren und sehr lange nicht erreichbar sind, obwohl der gesetzliche Rahmen auch diese Unternehmen verpflichten würde Hasspostings zu unterbinden. Natürlich steht die Drohung einer Sperre immer noch als letzte Maßnahme im Raum, aber welches europäische Land will mit Methoden von Autokratien agieren? Letztendlich hat also so ein vermeintlich kleines Detail doch Auswirkungen auf die Nutzenden. So wie viele andere kleine Unterschiede auch, beispielsweise Fristen und Behörden, die mit der Durchsetzung betraut sind.

Die Grafik gibt einen Überblick über die wichtigsten Unterschiede zwischen KoPl-G und DSA:

Infografik

Apropos Durchsetzung

Für den nationalen Rahmen in Österreich ist die Zuständigkeit wichtig. Derzeit sieht das KoPl-G vor, dass die KommAustria und der ihr zugehörige Teil der RTR die zuständige Behörde sind. Nach einer validen Beschwerde leitet die Aufsichtsbehörde ein Aufsichtsverfahren ein und fordert ein Abstellen der Pflichtverletzungen. Am Sitz der Diensteanbieter im Ausland können relativ rigide Geldstrafen eingetrieben werden.

Gemäß des DSA hingegen können die Mitgliedsstaaten die zuständigen Behörden in ihrem Land selbst benennen. Es benötigt allerdings viel Expertise, denn diese Behörden sind auch für den Datenschutz, Telekomfragen, AGBs und Verbraucherschutz zuständig. Die Telekom-Control-Kommission, kurz TKK hat in dieser Hinsicht schon aktuell viel Expertise. Bleibt zu hoffen, dass die Expertise des Telekom-, Datenschutz- und Verbraucherrechts nicht durch eine neue Zuständigkeitsverteilung zersplittert wird. Außerdem müssen laut DSA nationale Digital Service Officers benannt werden. Diese haben die Aufgabe, ähnlich einer Datenschutzbehörde, auf nationaler bzw. europäischer Ebene zusammenzuarbeiten und für Kohärenz zu sorgen.

Wie geht es nun weiter? Ist das KoPl-G mit dem DSA hinfällig?

Es gibt einige Wiedersprüche zwischen KoPl-G und DSA, aber der DSA ist eine Verordnung mit Spielräumen. Vieles baut auf dem KoPl-G auf, muss aber noch verwirklicht werden. Allerdings ist der DSA viel spezifischer im Bezug auf Berichtspflichten und Plattformgröße, insofern muss das KoPl-G an diesen Stellen modifiziert werden, auch im Hinblick auf die Behörden und das Sanktionsregime. Wahrscheinlich ist der DSA die bessere Lösung im Hinblick auf Hass im Netz, weil die Strukturen großer Konzerne besser ins Visier genommen wurden. Das KoPl-G ist hier viel enger gefasst und hat die Straftaten auf 18 konkretisiert. Das KoPl-G ist mit Inkrafttreten des DSA nicht automatisch hinfällig, es muss jedoch an einigen Stellen modifiziert werden. Warum also nicht gleich abschaffen und sich auf die von vornherein gute Umsetzung der EU-Regulierung konzentrieren?

Natürlich ist es wie bei der Straßenverkehrsordnung, man kann nicht alle noch kommenden Eventualitäten voraussehen. Aber es ist ein überfälliger Schritt nach vorne, mit klaren und rechtsfesten Regularien nun den Grundstein für einen sicheren und hoffentlich viel weniger toxischen digitalen Raum in der EU zu legen. Insbesonders was die Regulierung der großen, wirkmächtigen Plattformen betrifft, ist der DSA besser als das KoPl-G. Jetzt muss Österreich in der nationalen Umsetzung des DSA für eine gute Ausgestaltung sorgen, auch bezüglich der Institutionen.

Wenn euch das Thema jetzt so richtig interessiert, hat unsere Juristin Maria ein sehr detailreiches Paper auf Englisch und Deutsch mit dezidierten Einschätzungen zum KoPl-G vs. DSA verfasst.

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