Smart Meter: Überwachungstechnologie für jeden Haushalt
Ursprünglich hatte sich die österreichische Bundesregierung vorgenommen, europäisches Musterland bei der Ausstattung der heimischen Haushalte mit der neuen Überwachungstechnologie zu werden. Mittlerweile mehren sich die Meldungen über Projektverzögerungen beim Rollout der elektronischen Stromzähler. Leider gibt es auch auch Schwierigkeiten, den Einbau eines Smart Meters zu verweigern. Obwohl du dich auf das Recht auf Opt-out berufen kannst, erzwingen die Energieversorgungsunternehmen die Installation der Überwachungsgeräte mit dubiosen Methoden. Unterm Strich bleibt: Smart Metering ist ein Millionengeschäft für die Anbieter der Technologie. Ob es tatsächlich bei der Senkung des Energieverbrauchs hilft, darf bezweifelt werden. Sicher ist hingegen, dass es zur Überwachung genutzt werden kann und es ein zusätzliches Sicherheitsrisiko für die gesamte Stromversorgung darstellt.
Begründet wird Smart Metering mit besseren Steuerungsmöglichkeiten und angeblichem Einsparungspotenzial im Energiebereich. Während das von vielen Expertinnen und Experten bezweifelt wird, steht eines fest: Mit den neuen Stromzählern lassen sich sehr detaillierte Rückschlüsse auf das Verhalten der Personen im Haushalt ziehen. Am Stromverbrauch lässt sich ablesen, zu welchen Zeiten die Bewohnerinnen und Bewohner anwesend sind. Anhand des zeitlichen Verlaufs sind auch aufschlussreiche Aussagen über Freizeit und Konsumverhalten möglich. Zwar ist in Österreich vorgesehen, dass Haushalte die Installation dieser Überwachungsgeräte verweigern können. Der Einbau gegen ihren Willen stellt eine Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz dar. Einige Energieversorger wenden sehr dubiose Methoden an, um das zu umgehen. Sie berufen sich dabei auf eine Verordnung, die aus unserer Sicht grundrechtwidrig ist.
Die Mogelpackungen der Netzbetreiber
Wenn Kundinnen bzw. Kunden bekannt geben, dass sie keinen Smart Meter wollen, teilen ihnen manche Netzbetreiber mit, dass sie einen Smart Meter mit deaktivierter 15-Minuten-Aufzeichnung eingebaut bekommen. Man hat nämlich das Recht, die Viertelstunden-Abrechnung zu verweigern, aber nicht auf die grundsätzliche Ablehnung des Smart Meters. [1] Da die Geräte über Fernwartung zugänglich sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Funktion nachträglich aktiviert wird.Es gibt Berichte, dass bei Abwesenheit der Kunden frei zugängliche Zähler trotz Ablehnung getauscht wurden oder man hat sich über nicht informierte Familienmitglieder Zugang verschafft hat, um damit Tatsachen zu schaffen.
Die Probleme mit Smart Metering
- Überwachung in jedem Haushalt
- Manipulationsmöglichkeiten und Zugriff von außen
- Messgenauigkeit nicht gegeben
- Nutzen für die Stromersparnis ist nicht belegt
- Enorme Kosten
Details siehe unten!
Was kannst du tun?
Sobald du von deinem Netzbetreiber die Information über den Austausch des Zählers erhältst (die Information muss schriftlich erfolgen), kannst du dieses Formular nutzen, um dein Widerspruchsrecht wahrzunehmen:
OPT-OUT SMART METERING
Verwende diesen Musterbrief, um von deinem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen. Du berufst dich dabei auf §83 Abs. 1 ElWOG 2010: „Im Rahmen der durch die Verordnung bestimmten Vorgaben für die Installation intelligenter Messgeräte hat der Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen.“
>>Formular als Libre-Office-Datei downloaden<<
(kann auch mit Microsoft Word bearbeitet werden)
Dein Netzbetreiber wird die Ablehnung bestätigen, dir aber wahrscheinlich mitteilen, dass er einen Smart Meter mit deaktivierter 15-Minuten-Aufzeichnung bzw. ohne Abschalte- bzw. Leistungsbegrenzungsfunktion einbauen will. Daraufhin solltest du noch einmal klarstellen, dass du gar keinen Smart Meter haben willst. Wenn trotz vorheriger Ablehnung ein Montageteam zu dir kommt, musst du diesem Zugang zum Zähler gewähren, weil das meist so in den Vertragsbedingungen geregelt ist. Weise höflich, aber bestimmt darauf hin, dass du keinen intelligenten Stromzähler mit Fernauslesefunktion haben willst. Es kann auch sein, dass man versucht, Druck aufzubauen. Lass dich nicht verunsichern! Du kannst den Spieß auch umdrehen und eine Haftungserklärung zur Unterschrift vorlegen, in der festgehalten wird, dass die Monteurinnen und Monteure die volle Verantwortung für alle Schäden übernehmen. Falls dein Zählerkasten von außen frei zugänglich ist, versperre ihn.
Probleme mit Smart Metering
- Überwachung in jedem Haushalt: Ein Smart Meter misst den Stromverbrauch eines Haushalts alle 15 Minuten und speichert diese Messdaten 60 Kalendertage lang im Gerät. Der Stromnetzbetreiber übermittelt die Messdaten einmal im Monat an den Stromlieferanten. (Wichtig: Der Netzbetreiber ist nicht der Stromlieferant!) Mit diesen Daten liegen sehr präzise Informationen über einen Haushalt vor. Man kann daraus schließen, ob gekocht wird, ob der Fernseher läuft oder ob die Kinder allein zu Hause sind. Anhand des Stromverbrauchs kann z.B. die Marke der Waschmaschine erkannt werden. Bei sekundengenauer Auslesung könnte man sogar erkennen, welches Fernsehprogramm geschaut wird. Auch das Ausbleiben des Verbrauchs erlaubt Rückschlüsse auf dein Verhalten, beispielsweise ob es ein Frühstück gibt oder die Dusche benutzt wurde. Diese Daten sind nicht nur für die Stromversorger, sondern auch für viele andere interessant.
- Manipulationsmöglichkeiten und Zugriff von außen (Hackerangriffe, Fernabschaltung): Smart Meter sind vernetzte Geräte. Sie können aus der Ferne ausgelesen und auch abgeschaltet werden. Damit sind sie auch Einfallstor für Missbrauch und Manipulation. So haben z. B. Kriminelle auf der Insel Malta etwa 1.000 Smart Meter manipuliert und Strom im Wert von 30 Millionen Euro gestohlen und spanische Sicherheitsforscher haben auf der Konferenz „Black Hat Europe“ einen Hack eines intelligenten Stromzählers gezeigt, mit dem sogar ein Blackout verursacht werden kann. Auch die FH in Münster hat bereits gezeigt, wie einfach man Smart Meter manipulieren kann.
- Messgenauigkeit nicht gegeben: Teilweise messen Smart Meter knapp 600 Prozent mehr als tatsächlich verbraucht wird. (Studie „Static energy meter errors caused by conducted electromagnetic interference“)
- Zweifelhafter Nutzen für Kundinnen und Kunden: Die österreichische Bundesregierung stützt sich auf eine Studie von PWC, wonach das Einsparungspotenzial im Strombereich bei etwa 3,5 Prozent liegt. Es gibt massive Zweifel, ob diese Berechnungen valide sind. Auf der Seite der Kundinnen und Kunden ist die Idee dabei, dass sie sich durch die detaillierte Aufzeichnung intensiver mit ihrem Energieverbrauch auseinandersetzen, damit Stromfresser identifizieren und diese nur zu Zeiten in Betrieb nehmen, zu denen Überschüsse vorhanden sind. Kampagnen zur Bewusstseinsbildung kosten nur einen Bruchteil eines flächendeckenden Ausbaus mit Smart Metern und haben wahrscheinlich einen größeren Effekt. Nicht zuletzt verbrauchen die Geräte selbst auch Strom. Die im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erarbeitete Kosten-Nutzen-Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass sich mit intelligenten Zählern in Durchschnittshaushalten keine Kosten einsparen lassen. Dieser Studie zufolge übertreffen die Kosten die möglichen Einsparungen erheblich. Eine Einbauverpflichtung wird als unzumutbar bewertet.
- Enorme Kosten: Die Zähler kosten ein Vielfaches der heute verbreiteten Ferraris-Zähler, haben aber eine deutlich kürzere Lebenszeit.
Gesetzliche Grundlagen
Im Jahr 2006 wurde eine EU-Richtlinie über „Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen“ beschlossen. Diese sieht die Ausstattung von Haushalten mit „intelligenten“ Stromzählern (so genannten Smart Metern) vor. 2009 wurde in der Richtlinie über gemeinsame „Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt“ konkretisiert, dass es dabei um „aktive Beteiligung der Verbraucher“ geht, also darum, dass du besser über deinen Stromverbrauch Bescheid wissen sollst. Gleichzeitig wurde aber auch festgeschrieben: „Die Einführung dieser Messsysteme kann einer wirtschaftlichen Bewertung unterliegen, bei der alle langfristigen Kosten und Vorteile für den Markt und die einzelnen Verbraucher geprüft werden sowie untersucht wird, welche Art des intelligenten Messens wirtschaftlich vertretbar und kostengünstig ist und in welchem zeitlichen Rahmen die Einführung praktisch möglich ist. […] Wird die Einführung intelligenter Zähler positiv bewertet, so werden mindestens 80 % der Verbraucher bis 2020 mit intelligenten Messsystemen ausgestattet.“
Österreich hat diese Änderungen im Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz 2010 vorgenommen und gehört damit zu den 16 Mitgliedsstaaten (Österreich, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Polen, Rumänien, Spanien, Schweden und Großbritannien), die sich für einen schnellen Rollout von 80 % Abdeckung mit Smart Metern bis 2020 entschieden haben. Bis zum Jahr 2022 sollen 95 % der Haushalte mit Smart Metern ausgestattet sein. [2]
Die Politik reagierte 2013 auf die Datenschutzbedenken und schuf die klare gesetzliche Möglichkeit, den Einbau eines Smart Meters abzulehnen (Opt-out). Leider wird die verbraucherfeindliche Argumentation der Netzbetreiber, dass eine Deaktivierung der 15-Minuten-Aufzeichnung ausreicht, von der Politik gedeckt. Das Wirtschaftsministerium unter Führung von Harald Mahrer hat 2017 eine Verordnung zu Smart Metering veröffentlicht, die diese problematische Auslegung des „Opt-outs“ durch die Netzbetreiber legitimiert. Es handelt sich dabei vermutlich um eine gesetzwidrige Verordnung, die der Verfassungsgerichtshof aufheben könnte.
Riesengeschäft für die Anbieter
In Österreich war die Industrie schon von Beginn an eng in den Gesetzgebungsprozess eingebunden. „Die Anforderungen an intelligente Messgeräte, wie sie nun in der Verordnung stehen, haben Siemens und Kapsch hinein lobbyiert“, erzählte ein Verhandlungsteilnehmer dem Nachrichtenmagazin profil. Für Herstellerfirmen und Systemlieferanten geht es um riesige Umsätze. Die enge Verflechtung von Wirtschaft und Politik bei diesem Thema liefert auch die Erklärung dafür, warum Österreich die EU-Ziele bei der Abdeckung übererfüllen will – sogenanntes Goldplating. Die Regierung hat sich grundsätzlich gegen Goldplating und eine Übererfüllung von EU-Vorgaben ausgesprochen und angekündigt dies im Gegensatz zur Vorgängerregierung nicht mehr tun zu wollen. Wie man im ersten Regierungsjahr von Schwarz-Blau gesehen hat, ist sie aber auch weiterhin dafür, wenn es sich mit ihren Interessen trifft.
[Hinweis zur Entstehungsgeschichte dieses Artikels: In der ursprünglichen Version wurde der Verordnung, auf die sich die die Netzbetreiber berufen, wenn sie auf Einbau eines Smart Meters drängen, nur ein Nebensatz eingeräumt. Dies wurde nun detaillierter dargestellt. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass diese Regelung grundrechtswidrig ist.]
[1] Siehe: EIWOG 2010 § 84a. (1): „Eine Auslesung samt Verwendung von Viertelstundenwerten der Endverbraucher durch den Netzbetreiber ist nur bei ausdrücklicher Zustimmung des Endverbrauchers oder zur Erfüllung von Pflichten aus einem vom Kunden gewählten, auf Viertelstundenwerten basierenden Liefervertrag zulässig.“
[2] Siehe: Einführungsverordnung für „Intelligente Messgeräte“: IME VO §1 (1) z3
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