Was wir (nicht) in der ORF-Novelle brauchen
Der Österreichische Rundfunk (ORF) hat eine zentrale Rolle in unserer Informationsgesellschaft. Sein Kernauftrag besteht darin, qualitativ hochwertige Inhalte zu produzieren, die für eine moderne Demokratie unersetzlich sind und das Vertrauen der Bevölkerung genießen. Gerade in einer von Desinformation geprägten Zeit sind vertrauenswürdige und für alle zugängliche Informationsangebote ein wichtiger Anker, der Orientierung bietet.
Wir freuen uns deshalb, gemeinsam mit Wikimedia Österreich (dem Förderverein der Wikipedia und anderer Projekte des freien Wissens in Österreich) eine Stellungnahme zum neuen ORF-Gesetz abzugeben. In Anbetracht der großen Bedeutsamkeit dieser Gesetzesnovelle kritisieren wir jedoch die sehr knappe Begutachtungsfrist von drei Wochen.
Im Dezember 2021 haben wir bereits ein Positionspapier zur bevorstehenden Reform des ORF-Gesetzes unterbreitet. In der Zwischenzeit hat der Verfassungsgerichtshof im Juni 2022 entschieden, dass der gebührenfreie Empfang von ORF-Programmen über das Internet verfassungswidrig ist. Auch er betont die demokratische und kulturelle Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und hebt wichtige Prinzipien wie Unabhängigkeit, Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit der Programme hervor.
Verbessertes Jugendprogramm aber zu kurze Verfügbarkeit
Die Reform des ORF-Gesetzes war schon längst fällig. Einige der in unserem Positionspapier vom Dezember 2021 unterbreiteten Vorschläge wurden bereits berücksichtigt. Z.B. jener, die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen mit eigens für sie zugeschnittenen Programmen auch online zu erreichen, um neben der Konkurrenz wie Netflix und YouTube bestehen und den Bildungsauftrag zielgruppenspezifisch ausüben zu können.
Nichtsdestotrotz fehlt leider immer noch ein zeitlich unbeschränkter Zugang zu Archiven, Nachrichten und Sendungen zur politischen Information. Inhalte nur wenige Tage zur Verfügung zu stellen, erscheint uns absolut unzeitgemäß. Mit öffentlichen Mitteln finanzierte Inhalte sollten im Interesse der Bevölkerung, des demokratischen Diskurses und der Allgemeinbildung unbegrenzt für die Öffentlichkeit abrufbar sein. Die praktische Ausgestaltung ist jedoch zum Teil ohne Speichermöglichkeiten und mit unübersichtlichen zeitlichen und inhaltlichen Beschränkungen bedenklich. Der Ansatz in der Novelle des ORF-Gesetzes, die eine zeitlich unbefristete Bereitstellung der Inhalte im Fall von Archiven mit zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten, Dokumentationen, Sendungen für die Zielgruppe der unmündigen Minderjährigen und Sportsendungen vorsieht, ist jedoch ausdrücklich zu begrüßen.
Unabhängige Finanzierung & Mängel bei freien Lizenzen
Ebenso ist die Klarstellung positiv zu sehen, dass die Bereitstellung des Angebots nicht gegen gesonderte einmalige oder regelmäßige, wiederkehrende Bezahlung erfolgen darf.
Die Begrenzung der Werbeanteile sehen wir ebenfalls positiv. Wir fordern trotzdem weiterhin eine werbefreie Webseite „orf.at“, um die Unabhängigkeit der Berichterstattung durch Gebührenfinanzierung zu erreichen, die so ausschließlich den zahlenden Haushalten verpflichtet wäre.
Unser Vorschlag für freie Lizenzen (creative commons) für alle abrufbaren Beiträge wurde weitestgehend nicht umgesetzt, sodass die kommerzielle (Nach-)Nutzung für Privatsender bereits durch den ORF erlaubt ist, dies aber auch nur eingeschränkt. Die nicht-kommerzielle Nutzung z.B. im Rahmen von Wikipedia wird dagegen nicht ermöglicht. Im Bildungsbereich ist sie zwar erlaubt, aber nur sehr kurz.
Eine nähere Analyse sowie weiterer Mängel im Ministerialentwurf findet ihr in unserer Stellungnahme. In dieser unterbreiten wir auch Verbesserungsvorschläge.
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