Weichenstellung für mehr Überwachung: EU-Bericht zu Anti-Terror-Maßnahmen
Das „Committee on Terrorism“ des Europaparlaments, kurz TERR, hat einen Bericht verfasst, der die Weichen der europäischen Anti-Terror-Maßnahmen stellen soll. Über diesen Bericht soll im Plenum des Europarlaments am 12. Dezember abgestimmt werden. Bedeutsam ist diese Abstimmung auch für andere Dossiers, wie die Verordnung zur Vorbeugung der Verbreitung von terroristischen Inhalten im Internet, mit der Online-Plattformen u.a. verpflichtet werden sollen, Uploadfilter einzurichten oder die E-Evidence-Verordnung, mit der Ermittlungsbehörden der grenzüberschreitende Zugang zu Daten ohne rechtsstaatliche Garantien ermöglicht wird.
Der erste Entwurf des Berichts wurde bereits im Juni präsentiert. Zu diesem wurden mehr als 1500 Änderungsanträge eingebracht und nun soll am 12. Dezember darüber abgestimmt werden. Da die Abstimmung zur Verordnung aller Voraussicht nach erst kurz vor der EU-Wahl stattfinden wird, ist zu befürchten, dass dies ein Anlass für parteipolitisches Hickhack wird.
Wir wissen, wie wichtig der Kampf gegen den Terrorismus und Extremismus ist und dass es eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung braucht um diesen Phänomenen zu begegnen. Deradikalisierung und soziale Maßnahmen sollten einen höheren Stellenwert bekommen als die immer weiter ausufernde Generalüberwachung. Die Abschaffung unserer Grundrechte und der Prinzipien einer freien Gesellschaft ist das Ziel von Terrorismus. Dem sollte man nicht noch zusätzlich in die Hände spielen.
Schon beim ersten Entwurf gab es zahlreiche Zweifel und Kritik an dem Bericht von TERR. Besonders kritisiert wurde anfangs, dass keine Bürgerrechts-Konsultationen stattgefunden haben. Im Prinzip arbeitet das TERR-Komitee völlig intransparent und hinter verschlossenen Türen. Das Ergebnis ist auch nach den Änderungen mehr als ernüchternd.
Im ersten Entwurf des Berichts war beispielsweise davon die Rede, dass „das Recht auf Sicherheit wichtiger als das Recht auf Privatsphäre“ ist. Auch jetzt kommen Grundrechte im Bericht noch viel zu kurz. Trotz zahlreicher Änderungen hat es das TERR-Komitee verabsäumt, Belege anzuführen, die die Umsetzung der Verordnung rechtfertigen würden.
Die Hauptkritikpunkte am Terror-Bericht
- Upload-Filter, also proaktive Maßnahmen, die nicht nur das vorherige Filtern solcher Inhalte ermöglichen, sondern auch den Re-upload verhindern: Wenn einmal etwas gesperrt wurde, soll es laut TERR nicht mehr möglich sein, dies hochzuladen. Das ist angesichts der Tatsache, dass durch Filter oft auch legale Inhalte gelöscht werden, mehr als fragwürdig. Auch die Strafverfolgung könnte durch Upload-Filter erschwert werden.
Wir lehnen Filter im Internet generell ab und treten dafür ein, problematische Inhalte entfernen zu lassen, anstatt sie im Vorhinein zu sperren.
- Der Bericht bezieht sich auf eine andere Verordnung, die noch nicht endgültig beschlossen wurde, nämlich die E-Evidence-Verordnung, die die grenzübergreifende Herausgabe von personenbezogenen Daten regeln soll. Dort ist zum Beispiel vorgesehen, dass ungarische Behörden in Österreich Daten von vermeintlichen StraftäterInnen anfordern können, auch wenn die vorgeworfene Tat in Österreich gar nicht strafbar ist.
Jede grenzüberschreitende Datenabfrage muss mit rechtstaatlichen Garantien und lückenloser Gewährleistung unserer Grundrechte einhergehen.
- Die Entwicklung eines Entschlüsselungs-Zentrums: Das Prinzip „privacy by design“ wird mit der Planung einer europäischen Entschlüsselung-Drehscheibe völlig ignoriert. Europol soll für die Etablierung eines „decryption hubs“ fünf Millionen Euro bekommen. Das birgt auch viele Sicherheitsrisiken und ist deshalb abzulehnen.
Verschlüsselung ist ein zentraler Bestandteil jeglicher digitaler Kommunikation und sicherer Infrastruktur. Wir fordern ein Recht auf Verschlüsselung, um Sicherheitsrisiken zu minimieren und Vertraulichkeit von Kommunikation zu gewährleisten.
- Vorratsdatenspeicherung: Das TERR-Komitee sieht Vorratsdatenspeicherung vor und schreibt, dass das Speichern von Daten „ein essentieller Teil der Strafverfolgung ist“. Die Vorratsdatenspeicherung wurde bereits vom Europäischen Gerichtshof als unzulässig eingestuft. Hier wird versucht, diese illegale Maßnahme wieder einmal durch die Hintertür einzuführen. Zur Wirksamkeit von Vorratsdatenspeicherung fehlen nach wie vor jegliche Belege, die die Befürworter eben dieser seit Jahren nicht liefern können.
Wir fordern weiterhin das Aus jeglicher Vorratsdatenspeicherung! Das Aushebeln der bereits als illegal eingestuften Speicherung von personenbezogenen Daten über den Umweg einer neuen Anti-Terror-Gesetzgebung ist abzulehnen!
Der Bericht verspricht zwar die Angleichung europäischer Anti-Terror-Gesetze an die EU-Grundrechtscharta, die dort vorgestellten Maßnahmen widersprechen allerdings ihren Prinzipien. Gemeinsam mit anderen europäischen Grundrechts-NGOs setzen wir uns dafür ein, dass das EU-Parlament am 12. Dezember sich gegen diesen Bericht entscheidet, da er wegweisend für den weiterführenden Gesetzgebungsprozess sein wird.
Wir fordern die Abgeordneten des EU-Parlaments auf, am 12. Dezember gegen diesen Terrorismus-Bericht zu stimmen! Mit zahlreichen anderen europäischen NGOs haben wir die zuständigen Politiker in einem offenen Brief dazu aufgefordert, gegen die Verordnung zu stimmen.
Update
Das EU-Parlament hat am 12.12.2018 mit 474 zu 112 Stimmen für den Bericht gestimmt. Somit ist eine Zustimmung zur Verordnung seitens EU-Parlament relativ wahrscheinlich. Die Parlamentarier betonen, "wie wichtig es ist, die Grundrechte, einschließlich Datenschutz und Meinungsfreiheit, bei der Annahme oder Anwendung von Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung uneingeschränkt zu achten". Allerdings widersprechen viele der Maßnahmen genau diesem Grundsatz.
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