Zur Zeit befindet sich die Novelle des Unterbringungsgesetzes (UbG) in Begutachtung. Das Unterbringungsgesetz regelt den Aufenthalt von psychisch erkrankten Menschen in einer psychiatrischen Abteilung. Klar ist, dass mit solch einer Unterbringung erhebliche Grundrechtseingriffe verbunden sind. Deshalb ist ein Rechtsrahmen, der die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen ausreichend wahrt, essenziell. Wir haben uns das genau angesehen und haben manches daran zu krititsieren. 

Die Novelle des Unterbringungsgesetzes 

Die Bundesregierung setzte anlässlich eines tragischen Vorfalls, bei dem ein Mann, der unter schwerer paranoider Schizophrenie leidet, eine Passantin ohne ersichtlichen Grund mit einer Eisenstange erschlagen hat, eine Sonderkommission ein. Ziel der Sonderkommission war es, Lücken und Mängel im geltenden Unterbringungsrecht festzustellen. Die Expert*innen der Kommission stellten insbesondere Defizite in der Vernetzung und bei den Informationsflüssen zwischen den zuständigen Akteuren, also den Ärzt*innen und Leiter*innen psychiatrischer Abteilungen, den Sicherheitsbehörden sowie dem Gericht, welches über die entsprechende Unterbringung entscheidet, fest. 

Mit der neuen Gesetzesnovelle sollen nun explizite Ermächtigungen zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Beteiligten geschaffen werden. Viele dieser Befugnisse sind kein Novum und sinnvoll, da man sich bislang ein wenig im „grauen Bereich“ bewegte. Einzelne Punkte schießen jedoch über das Ziel hinaus und sind deshalb abzulehnen. 

In Anbetracht der Sensibilität der Rechtsmaterie im Allgemeinen, aber auch der Tatsache, dass hier haufenweise besonders sensible Gesundheitsdaten verarbeitet werden, dürfen Grundrechtseingriffe nur dann stattfinden, wenn sie unbedingt erforderlich sind. Besondere Kategorien personenbezogener Daten, wozu unter anderem Gesundheitsdaten zählen, genießen unter der DSGVO einen besonderen Schutz. Ihre Verarbeitung ist insbesondere nur dann zulässig, wenn sie aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich ist und die Rechte der betroffenen Personen ausreichend geschützt werden. 

Einsicht in die Patient*innenakten

Nach § 39e Abs 1 UbG hat das Gericht bestimmten Einrichtungen Einsicht in die hochsensiblen Akten Betroffener zu gewähren. Dies geschieht auf Ersuchen der Leitung einer „anerkannten wissenschaftlichen Einrichtung“ zum Zweck der nicht personenbezogenen Auswertung für die Statistik, für wissenschaftliche Arbeiten oder vergleichbare im öffentlichen Interesse liegende Untersuchungen. Auch die Herstellung von Kopien oder die Übermittlung darin enthaltener Daten kann bewilligt werden.  

Ein solches Einsichtsrecht Dritter hat in einem so grundrechtssensiblen Bereich keinen Platz. Die Akten der betroffenen Personen enthalten hochsensible Daten über deren geistige Gesundheit, die von Dritten nur in besonderen Ausnahmefällen verarbeitet werden dürfen. Wissenschaftliche Einrichtungen zählen unserer Meinung nach nicht dazu. Eine denkbare und vergleichsweise einfache Lösung wäre eine Anonymisierung, bevor Einsicht in die Akten genommen wird. Ein Personenbezug wird in den allermeisten Fällen für die wissenschaftlichen und statistischen Zwecke nicht zwingend erforderlich sein und eine personenbezogene Auswertung ist ohnehin verboten (§ 219 Abs 4 ZPO). 

Entscheidungssammlung des Bundesministers

Das Gericht hat nach § 39e Abs 4 UbG alle seine Beschlüsse, mit denen es etwa Unterbringungen für unzulässig erklärt, dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu übermitteln. Dadurch sollen systematische Missstände offengelegt werden, beispielsweise eine unzureichende Schulung der Mitarbeiter*innen. 

Wenig überraschend lehnen wir auch diesen Vorschlag ab. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb derart sensible Informationen am Schreibtisch des Bundesministers gesammelt werden sollen. Ausführungen über die Notwendigkeit einer solchen Regelung bleibt auch die Bundesregierung schuldig. Zwar ist die Aufdeckung von Missständen ein legitimes Bestreben, doch kann dieses nur unter Wahrung der Rechte und Freiheiten Betroffener geschehen. 

Weitergabe sensibler Informationen 

Die Sicherheitsbehörde darf gem § 39b Abs 3 UbG unter bestimmten Voraussetzungen den Verdacht einer psychischen Krankheit und einer damit zusammenhängenden Gefährdung bestimmten Behörden weitergeben. Bisher waren das die zuständigen Behörden für das Waffen-, Schieß-, Munitions- und Sprengmittelwesen. Nun soll eine Übermittlung dieser Informationen auch an jene Behörden stattfinden dürfen,  die für das Luftfahrt- und Eisenbahnwesen zuständig sind. Die Mitteilung dürfen die Behörden zur Beurteilung der Eignung und Verlässlichkeit der betroffenen Person verwenden. 

Diese Erweiterung lehnen wir aus zwei Gründen ab. Gesundheitsdaten sind besonders risikobehaftet und ihre Verarbeitung ist nur zulässig, wenn sie aufgrund eines erheblichen öffentlichen Interesses unbedingt erforderlich ist. Es finden sich in den Erläuterungen keine ausreichenden Gründe, warum diese Erweiterung erforderlich sein soll. In diesen wird gar angemerkt, dass eine zunächst vorgeschlagene Information auch an die Führerscheinbehörde unverhältnismäßig wäre. Nichts anderes gilt unserer Meinung nach für die zuständigen Behörden des Luftfahrt- und Eisenbahnwesens. Darüber hinaus sind wir der Meinung, dass diese Regelung mit dem Grundsatz auf Datenminimierung in Konflikt steht. Demnach müssen personenbezogene Daten nämlich dem Zweck angemessen, sowie auf das notwendige Maß beschränkt sein. 

Informationen

Der § 39b Abs 3 UbG spricht von „Informationen“ über den Verdacht einer vorliegenden psychischen Krankheit einer Person. Laut den Materialien sollen nicht die Aufzeichnungen und Bescheinigungen als solche übermittelt werden, sondern nur deren „Substrat“, das an der Zuverlässigkeit zweifeln lässt. Was genau unter "Substrat" zu verstehen ist, erschließt sich uns nicht. Auch die Erläuterungen lassen Ausführungen darüber vermissen. Eine solche Einschränkung lässt sich dem Gesetz auch nicht entnehmen. Es ist abzusehen, dass Sicherheitsbehörden dazu tendieren werden, eher zu viel als zu wenig zu übermitteln. Es sollte daher auch an dieser Stelle dringend nachgebessert werden. 

Der Gesetzesvorschlag befindet sich noch bis zum 19. April 2021 in Begutachtung. Bis dahin haben Bürger*innen die Möglichkeit, Stellungnahmen einzubringen, ehe der Vorschlag im Nationalrat näher behandelt wird. Wir hoffen sehr, dass der Gesetzgeber von den geplanten Änderungen Abstand nimmt. In einem solch grundrechtssensiblen Bereich braucht es gut überlegte Anpassungen und keine voreiligen Anlassgesetze am Rücken der Betroffenen. 

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