Seit Monaten ist die automatisierte Einteilung von Arbeitslosen in drei Kategorien seitens des Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) ein mediales Thema. Bereits vor der Einführung gab es viele Bedenken und Kritik, die von Expertinnen und Experten geäußert wurde. Als epicenter.works beschäftigen wir uns seit längerem damit und haben auch Details zum Modell zur Arbeitsmarktchancenberechnung veröffentlicht. Nun wollen wir noch mehr wissen und brauchen dazu deine Hilfe.

Was ist der AMS-Algorithmus?

In Österreich haben Arbeitslose teilweise die Möglichkeit, über das AMS finanzierte Weiterbildungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. In den letzten Jahren hat sich das AMS dazu entschlossen, die Vergabe dieser Weiterbildungsmöglichkeiten anders zu regeln als bislang: Arbeitslose, die hoch qualifiziert sind, sollen keine Weiterbildungen mehr erhalten. Auch für jene Menschen, für die es am Arbeitsmarkt laut statistischem Modell nur schlechte Jobaussichten gibt, soll es keine bzw. einfachere Förder- und Betreuungsmaßnahmen geben.

Wie funktioniert die Einteilung von arbeitslosen Menschen?

Der AMS-Algorithmus benützt verschiedene Arten von Daten, um Jobsuchenden zwei verschiedene Ziele zuzuweisen. Das Ziel, kurzfristig einen Job zu finden (f1), und das Ziel, langfristig einen Job zu finden (f3).

Anhand dieser Ziele werden Arbeitssuchende in drei Gruppen eingeteilt:

  • Gruppe A: Jobsuchende, deren vorhergesagte Chance f1, kurzfristig einen Job zu finden, bei zumindest 66 % liegt. Dieser Gruppe werden hohe Arbeitsmarktchancen zugesagt und aufgrund dessen sind für Personen dieser Gruppe die Chancen, AMS-Ausbildungen machen zu dürfen, sehr gering, da sie als nicht notwendig erachtet werden.
  • Gruppe C: Jobsuchende, deren vorhergesagte Chance f3, langfristig einen Job zu finden, bei unter 25 % liegt. Deren Jobchancen werden als gering klassifiziert, weswegen dieser Gruppe andere Ressourcen zugewiesen werden, damit nicht Ressourcen für Menschen mit geringen Erfolgsaussichten verwendet werden.
  • Gruppe B: Jobsuchende, die weder in Gruppe A, noch in Gruppe C fallen; ihnen werden mittlere Chancen am Arbeitsmarkt zugesagt. Auf sie konzentriert sich das AMS und sie sollen vollen Zugang zu AMS-Ressourcen haben. Weiters Teil der Gruppe B sind Personen, die z. B. aufgrund ihres Alters eine Ausbildungsgarantie haben, selbst wenn die Modelle ihre realen Arbeitmarktchancen nicht so positiv abbilden würden (z. B. Jugendliche bis 26).

Chancengleichheit vs. neoliberales Effizienzargument

Das AMS-Modell bildet geplanterweise die Realität ab – inklusive einiger in der Realität vorhandenen Diskriminierungen und Biases. 

Nun gäbe es zwei mögliche Arten, darauf zu reagieren:

  1. den Diskriminierungen entgegenzuwirken oder 
  2. die Diskriminierungen als unumstößlich zu sehen und sie zu akzeptieren – und durch ein solches Modell diese Diskriminierungen erst recht fortzuschreiben und zu verstärken.

Das AMS geht hier einen Mischweg; dort wo es gesetzlich streng vorgegeben ist (weil z. B. Jugendliche eine Ausbildungsgarantie haben), werden Personen unterstützt, Ausbildungen machen zu können. Überall anders nimmt man Diskriminierungen als marktgegeben an und stuft Menschen aufgrund dessen geringer ein.

Das AMS gibt diese niedrig eingestuften Menschen damit auf und konzentriert sich darauf die Menschen zu fördern, bei denen das statistische Modell höhere Chancen prognostiziert. Daher hat diese Gruppe von Menschen eine bei weitem geringere Chance, eine geförderte AMS-Ausbildung zu erhalten; theoretisch könnten AMS-Betreuer*innen die vorgegebene Kategorisierung auch ändern. Praktisch gesehen gibt es Studien, die belegen, dass Mitarbeiter*innen nur sehr selten Entscheidungen von Computern abändern, da sie diese als objektiv wahrnehmen.

Was sind unsere Kritikpunkte am System?

Wir wissen zu wenig – es braucht mehr Transparenz

Es wurden bislang immer noch nicht alle Modelle zum AMS-Algorithmus offengelegt. Mit dem Hinweis, dass es zu viel Geld kosten würde, wurden uns nicht alle statistischen Modelle zur Verfügung gestellt – wir verfügen lediglich über die Zahlen zum Modell f1 (das kurzfristige Modell).

Die Zahlen zum langfristigen Modell f3 fehlen uns komplett.

Auch wäre es sinnvoll, diese Modelle nicht nur in PDF-Form zur Verfügung zu stellen. Sinn ergeben würde eine Veröffentlichung in einem Dateiformat, welches Statistikprogramme einfach laden können, idealerweise mit einer Anleitung, welche Statistiksoftware verwendet wird und wie man die Daten dort einliest. Die Daten zum Beispiel als gezippte Projektdatei für gängige Statistiksoftware zur Verfügung zu stellen, würde den Aufwand für Forscher*innen merklich reduzieren, die veröffentlichten Modelle zu überprüfen – bzw. dies eigentlich erst ermöglichen.

AMS spielt auf Zeit

Um für mehr Transparenz zu sorgen, haben wir eine Anfrage an das AMS gestellt, wie wir ihnen das Geld überweisen können und was wir dafürerhalten würden; geplant war ein Crowdfunding dazu. Die Antwort war allerdings ernüchternd – wir werden die Daten nicht so rasch erhalten, da die Dokumentation erst erarbeitet wird und erst in 6–7 Monaten verfügbar sein wird. 

Auf der positiven Seite wurde uns allerdings versprochen, dass wir sie dann kostenfrei erhalten werden – zumindest eine positive Nachricht.

Wir wollen es jetzt wissen 

Welche Daten das AMS genau sammelt, wie es diese Profile erstellt und wie Personen kategorisiert werden, darüber wissen wir nicht genug, deshalb bitten wir dich um deine Hilfe. Wir wollen nicht warten, wir wollen es jetzt wissen.

Mit Hilfe >> dieses Formulars << , das du ausgefüllt gemeinsam mit einer Kopie deines Lichtbildausweises an das AMS senden musst, kannst du vom AMS all deine Daten anfordern.
Wenn du deine Daten hast, bitte melde dich bei uns, um ein weiteres Vorgehen zu besprechen. Die Mailadresse hierfür lautet ams@epicenter.works

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