Laufend macht die EU neue Vorstöße für schärfere Überwachung des Internets. Was vordergründig zur Prävention von Terrorismus dienen soll, entpuppt sich als Angriff auf die Meinungsfreiheit und Rechtsstaat. Auf das Vorhaben, großflächige Zensurfilter einzuführen, folgt nun die Forderung nach vereinfachtem grenzüberschreitendem Zugriff auf die Informationen, die Telekommunikationsunternehmen über ihre Kundinnen und Kunden speichern. Im Klartext: Polizeibehörden aus einem anderen Land können ohne große Hürden auf die Daten von A1, Drei oder T-Mobile zugreifen. So sieht es der Entwurf der E-Evidence-Verordnung vor. Solche Maßnahmen sind kaum geeignet, das eigentliche Ziel zu erreichen. Sie verursachen aber enorme Kollateralschäden. – Noch können wir diese verhindern.

Die E-Evidence Verordnung (Verordnung über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen) soll es Strafverfolgungsbehörden in der EU ermöglichen, über Grenzen hinweg Kommunikationsdaten schneller bei Telekom- und Internetprovidern anzufordern und damit die langwierigeren förmlichen Rechtshilfeverfahren zu umgehen. Die EU-Innenminister haben am 7. Dezember 2018 im Ministerrat für diese Verordnung gestimmt.

Die Anbieter müssen nach der geplanten Verordnung ausländischen Behörden Daten zu einer bestimmten Person herausgeben, wenn diese angefragt werden. Zu diesen Daten gehören nicht nur Bestandsdaten (wie Name, Adresse, Bankverbindungen, Tarife), sondern auch Metadaten zur konkreten Kommunikation dieser Person bzw. zur Nutzung verschiedener Angebote im Internet und sogar Inhaltsdaten wie Texte, Videos oder Bilder.

Ein Beispiel: Polnische Behörden können bei österreichischen Providern Daten zu einer Person anfragen, die im Verdacht steht, etwas Straffälliges begangen zu haben – dafür brauchen sie keine gerichtliche Genehmigung, sofern diese auch in Polen nicht vorgesehen ist. Für Strafverfolgungsbehörden ist das eine große Vereinfachung. Das Problem an der Sache ist, dass das auch Taten betreffen kann, die in Österreich gar nicht strafbar sind. 

Noch viel problematischer ist allerdings, dass die Telekommunikationsunternehmen in Notfällen innerhalb von sechs Stunden selbst entscheiden müssen, ob eine Herausgabe von Daten gerechtfertigt ist oder nicht. Hier wird die Kompetenz der Gerichte auf Privatunternehmen abgegeben. Eine gefährliche Entwicklung! 

Provider, die diesem Ansuchen nicht nachkommen, können eine Strafe in der Höhe von zwei bis vier Prozent des jährlichen Unternehmensumsatzes ausfassen. Die Provider müssen das von Einzelfall zu Einzelfall prüfen und auch die Legitimität der Behörde bzw. ihrer Anfrage jedes Mal selbst einordnen. Dafür müssen die  Unternehmen eine Stelle einrichten, die rund um die Uhr besetzt ist.

In Kombination mit der Verordnung gegen die Verbreitung terroristischer Inhalte sollen ausländische Behörden auch die Löschung von Inhalten innerhalb einer Stunde beantragen können - und zwar nicht bei Gericht, sondern direkt bei den zuständigen Providern.

Bei Taten, die eine maximale Strafandrohung von mindestens drei Jahren haben, soll durch die E-Evidence-Verordnung nicht nur eine einmalige Herausgabe möglich sein, sondern auch eine zweimonatige Vorratsdatenspeicherung, die formlos verlängert werden kann.

Die Hauptkritikpunkte:

  • Rechtsschutz wird umgangen: Es braucht nicht unbedingt Gerichte, um Datenherausgabe zu beantragen.
  • Ausländische Behörden können grenzenlos überwachen: Prinzipiell können Provider verpflichtet werden, Daten dauerhaft auf Vorrat zu speichern, da die zweimonatige Frist jederzeit formlos verlängert werden kann.
  • Privatisierung von behördlichen Aufgaben: Provider müssen selbst entscheiden, ob das Ansuchen legitim ist und müssen selbst entscheiden, ob sie die Daten herausgeben.
  • Unklare Grenzen: Es gibt keine Ausnahmen, an denen sich Provider orientieren können. Es gibt auch keine Definition, welche Behörden die Anfragen stellen dürfen und wann Provider die Herausgabe verweigern können. 

Da der EU-Ministerrat bereits für die E-Evidence-Verordnung als auch für die Anti-Terror-Verordnung gestimmt hat, hängt die Entscheidung jetzt am EU-Parlament: Wir fordern die Abgeordneten zum Europäischen Parlament auf, beiden Verordnungen in ihrer jetzigen Form nicht zuzustimmen, da sie nicht grundrechtskonform sind!

Hier findest du auch den offenen Brief, den wir mit vielen weiteren Organisationen gegen die geplante Verordnung unterzeichnet haben.

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