Digitale Technologien können unser Leben erleichtern und bereichern. Das tun sie aber nur dann, wenn sie die Grundrechte aller Menschen schützen und niemanden diskriminieren. Dafür kämpfen wir z.B. bei digitalen Identitätssystemen global und in Österreich.

Die Digitalisierung schreitet immer schneller voran – auch die meisten Behördengänge lassen sich inzwischen einfach und schnell online erledigen. In Österreich z.B. mit der ID-Austria. Wichtig bei der Digitalisierung ist aber, dass auch Menschen ohne Zugang zu moderner Technik nicht außen vorgelassen werden.

Freie Wahl für Nutzer:innen!

Ein „Big-Tech-Zwang“ ist ebenfalls inakzeptabel. Ein Google- oder Apple-Smartphone darf keine Voraussetzung für staatliche Leistungen sein. Deshalb haben wir bereits im November 2023 eine Anleitung bereitgestellt, wie ihr die ID-Austria auch ohne Biometrie ( wie z.B. Gesichtserkennung) verwenden könnt.

Diskriminierungsschutz

Trotz dessen erreichen uns bis heute regelmäßig Fälle, in denen Menschen ohne ID-Austria benachteiligt werden und sogar die Berufsausübung von einzelnen Gruppen massiv eingeschränkt wird.

Auch auf EU-Ebene wird mit der eIDAS-Reform seit 2021 an einer digitalen Wallet gearbeitet, die eine europaweite rechtsverbindliche Identifizierung und vieles mehr ermöglichen soll. Wir waren von Anfang an dabei und konnten wichtige Safeguards im Anfang 2024 beschlossenen EU-Gesetz verankern. Eine der wichtigsten Schutzmaßnahmen dabei war der Diskriminierungsschutz. Bis August 2026 müssen alle Mitgliedsstaaten ihren Bürger:innen eine digitale Identität bereitstellen, aber gleichzeitig auch Alternativmöglichkeiten sicherstellen.

Für Österreich bedeutet das, dass jegliche Benachteiligungen spätestens dann europarechtswidrig werden. Die Regierung und v.a. jene Stellen, die die ID-Austria bereits nutzen (z.B. in der Lohnabrechnung, beim Einbringen von Anträgen, ...), müssen jetzt entscheiden, ob sie die Gleichberechtigung der Bürger:innen aktiv fördern oder erst unter Druck der EU die Bereitstellung von Alternativen sichern.

Diskriminierung beim Einsatz der ID Austria

Wir haben Fälle gesammelt, die zeigen, wie Menschen ohne ID-Austria derzeit benachteiligt werden. Diese Beispiele verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf, um allen Bürger:innen gleichberechtigten Zugang zu (staatlichen) Dienstleistungen zu ermöglichen.

Lohnabrechnung über ELDA

Die Onlineservices der Österreichischen Gesundheitskasse können nur mittles ID-Austria abgerufen werden. Unternehmer:innen können dadurch die Lohnabrechnung ihrer Mitarbeiter:innen über ELDA nur noch per eID durchführen.

Parkpickerl Wien über ein Viertel teurer

In Wien kann man das Parkpickerl zwar auch ohne ID Austria beantragen. Dann zahlt man jedoch rund 27% mehr für die Ausstellung.

SVS Bonus für Zahnarztbesuch

Bei einer Aktion der SVS „gemeinsam Lächeln“ bekommen Selbstständige einen Bonus von €100,- bei einem Zahnarztbesuch. Um bei der Aktion mitmachen zu können, müssen sich die Versicherten über das Kundenportal oder die App anmelden – das ist aber nur mit ID-Austria möglich.

Update: Die SVS hat inzwischen eingelenkt: Der Zahnarztbonus kann nun auch persönlich nach Terminvereinbarung beantragt werden.

Anspruch auf Umweltleistungen & EU-Zahlungen

Mit dem Mehrfachantrag können Landwirt:innen mehrere Förderungen und Zahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union gleichzeitig beantragen – eine erhebliche Aufwand- und Zeitersparnis. Die Einreichung dieses Antrags war 2024 aber nur mit ID-Austria möglich.

Keine „Psychotherapie auf Krankenschein“

In Salzburg gibt es die Möglichkeit kostenloser Therapieplätze für Menschen mit geringem Einkommen. Psychotherapeut:innen können den dafür erforderlichen Sachleistungsantrag bei der Krankenkasse aber nur mit ID-Austria stellen.

Gehaltszettel und Reiseabrechnung nur noch mit eID

Zumindest aus Oberösterreich berichten uns Lehrer:innen, dass sie nur noch mit ID-Austria auf ihre Gehaltszettel zugreifen können und auch Reiseabrechnungen ohne ID-Austria nicht mehr möglich sind. Auch aus der Steiermark erreichen uns Bericht über Gehaltszettel, die nur noch mit ID-Austria abrufbar sind, und in Salzburg entstehen Lehrer:innen ebenfalls Nachteile bei der Zustellung von Dokumenten, wenn sie keine ID-Austria haben.

Keine Gehaltszettel für Mitarbeiter:innen im Gesundheitsbereich

Zumindest in Niederösterreich können Mitarbeiter:innen der Landesgesundheitsagentur ihre Gehaltszettel nur mit ID-Austria abrufen. Ein niederschwelliger Zugang fehlt.

Bundesschatz nur mit ID-Austria

Für den österreichischen Bundesschatz ist eine Identifizierung per ID-Austria nötig.

Update 3. Juli 2024: Der Bundesschatz ist nun auch analog zugänglich. Die ID-Austria ist nicht mehr zwingend nötig.

Sozialministerium verpflichtet Mitarbeiter:innen

Im Rahmen der Projekte des „Netzwerk Berufliche Assistenz“ (NEBA) bietet das Sozialministerium kostenlose Unterstützungsleistungen für Jugendliche mit Behinderung oder Beeinträchtigung. An diesen Projekten arbeiten über 3000 Schlüsselkräfte mit. Diese müssen sich für den Umgang mit den sensiblen Daten mit der ID-Austria ausweisen, ohne Alternative. Die Mitarbeiter:innen sind dadurch obendrein gezwungen, Privatmittel (die eigene ID-Austria) für berufliche Zwecke einzubringen.

Dringender Handlungsbedarf

All diese Fälle zeigen: Digitale Technologien können unser Leben bereichern. Doch am Beispiel der ID-Austria sehen wir: Das hängt nicht nur von der technischen Ausgestaltung ab, sondern immer auch davon, wie Technologien in der Praxis eingesetzt werden.

Bei der Verwendung der ID-Austria hat Österreich dringenden Aufholbedarf – v.a. auch auf Seiten derer, die die ID Austria einsetzen.

Wir rufen daher alle Verantwortlichen auf, digitale Technologien wie eID-Systeme nicht blind zu übernehmen und die Auswirkungen ihres Einsatzes zu berücksichtigen. Diskriminierung durch die eID muss vermieden werden und dort, wo sie bereits besteht, müssen Alternativen geschaffen werden. Für ein digitales Zeitalter, von dem alle profitieren.

Digitalisierung & Gleichberechtigung sind miteinander vereinbar

Brauchen wir ein Recht auf analoges Leben? Thomas Lohninger beim ORF 2 Bürgeranwalt.

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