Ernstzunehmende Katastrophen sind in den letzten Jahren mit der Zunahme an Überschwemmungen, Waldbränden und der Pandemie immer häufiger geworden. Gefühlt gab es auch einen Anstieg an Warnmeldungen, aber sie kamen oft zu spät und waren nicht immer wirksam. Endlich bekommt Österreich nun ein neues Warnsytem. Die Verordnung, die den Rahmen dafür regelt, war gerade in Begutachtung. Die gute Nachricht ist: der technische Standard ist klug gewählt. Nicht so gut ist das unklare zeitliche Ziel, wann das Warnsystem wirklich umgesetzt wird und ob es dann technisch unterbrechungsfrei laufen wird. 

Tursky wählt stabile technische Basis

Der technisch vorgesehene Standard der Verordnung ist Cell Broadcast, den es schon seit vielen Jahren gibt und der zuverlässig funktioniert. Cell Broadcast ist vorteilhaft, weil das System ziemlich sparsam nur die nötigsten Daten in eine Richtung als Text verschickt, ohne irgendwelche Extras, wie es z.B. beim Versenden von Nachrichten über Apps wäre. Im Katastrophenfall ist das ein großer Vorteil, da bei außergewöhnlichen Ereignissen die Ressourcen automatisch extrem knapp sind. Selbst bei einem Ausfall des Internets, z.B. durch Cyberangriffe, kann man über Cell Broadcast noch Warnungen über das verbliebene Mobilfunknetz verschicken. 

Der wichtigste Vorteil ist, die Warnungen erreichen auch Menschen ohne Smartphone oder APPs. Über die Standortinformationen der Netzbetreiber können Warnungen nämlich sehr gezielt an Personen in einem bestimmten Gebiet verschickt werden, ohne vorherige Anmeldung bei einer APP, einem APP-Store oder einen Download. Somit ist das System nicht nur einfach, ressourcensparend und stabil, es ist auch inklusiv und bedenkt alle Menschen, auch jene ohne Smartphone. 

Cell Broadcast ist auch ein datenschutzfreundlicher Standard, da man keine User:innendaten benötigt. Es reicht, eine einseitige Meldung an alle Mobiltelefone in einem bestimmten geografischen Bereich zu schicken. Anders als im SMS Warnsystem aus 2020 müssen Mobilfunkanbieter dabei keine personenbezogenen Daten ihrer Kunden verarbeiten. Ohne Hürden, ohne Extras, datensparsam und ohne Anmeldung. Das ist vorbildlich effizient und für wirklich alle Bürgerinnen und Bürger, die sich in einer Gefahrenzone befinden. Genau so wurde es von uns immer gefordert.

Wir freuen uns daher über eine gelungene Gesetzesvorlage aus dem Finanzministerium vom Staatssekretär für Digitalisierung Florian Tursky. Dennoch haben wir einige Verbesserungsvorschläge. Dazu gehört zum Beispiel eine klare Linie zum Thema, wer eigentlich als Mobilfunkbetreiber (MNO) definiert wird und wer nur als Anbieter von Diensten (MVNO) im Mobilnetz gilt. Das könnte die Grundlage sein für die Antwort auf die essentielle  Frage, wer denn nun wann und auf wessen Anordnung hin an wen welche Warnmeldungen verschickt. Denn viele technische Details der Umsetzung lässt die Verordnung vermissen. Da die Mobilfunkanbieter für die Errichtung des öffentlichen Warnsystems vermutlich noch Geld vom Staat fordern werden, sollten die Vorgaben genau genug sein. 

Kein klarer Starttermin und keine Gewährleistung des unterbrechungsfreien Betriebs

Unser Vorschlag einer einfachen und effektiven Lösung wäre, der RTR als Telekomregulierungsbehörde den Auftrag zu geben, innerhalb von wenigen Monaten diese technischen Details mit den Mobilfunkanbietern zu klären. Außerdem muss man die Mobilfunkanbieter innerhalb einer gesetzten Frist zur Errichtung des öffentlichen Warnsystems verpflichten. Denn obwohl die Verordnung aus dem Finanzministerium – die dem Vernehmen nach das Innenministerium geschrieben hat – ab Kundmachung sofort gilt, ist der Betrieb des Warnsystems für Mobilfunkanbieter nur „soweit technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar“ vorgesehen. Das könnte bedeuten, dass das Datum, ab dem der Betrieb wirklich aufgenommen wird und ob dieser dann bereits unterbrechungsfrei laufen wird, vom Ministerium offen gelassen wird. 

In unserer Stellungnahme regen wir auch an, dass das Auslösen einer Warnmeldung über die RTR gebündelt werden sollte. Ansonsten müssten alle Mobilfunkanbieter bilaterale Verträge mit den 9 Katastrophenbehörden der Länder und dem Innenministerium abschließen. Sollte es hier zu Verzögerungen oder Ausfällen kommen, könnte das Menschenleben kosten. Eine Bündelung des Warnvorgangs trägt auch zur Qualitätssicherung bei. Denn so muss man nur noch die 10 Katastrophenbehörden mit einem guten FAQ für die Auslösung einer Warnmeldung ausstatten. Der fehlende Automatismus könnte im Ernstfall wertvolle Zeit kosten. 

Zuletzt ist die Effizienz der Warnmeldungen auch stark abhängig von ihrer sozialen Akzeptanz. Bisher wird wohl kaum jemand in Österreich eine Cell-Broadcast-Meldung auf seinem Telefon gesehen haben. Diese werden nämlich anders als andere Nachrichten angezeigt und lassen sich auch nicht wegklicken, bis man sie gelesen hat. Deshalb sollte ein einheitlicher Startpunkt des Systems festgelegt werden, der mit einer Kommunikationskampagne begleitet wird. Das neue System sollte auch bei den Zivilschutz-Probealarmen der Bevölkerung nähergebracht werden. Dem Vertrauen zuträglich ist sicherlich die vorgesehene verpflichtende Veröffentlichung von Warnmeldungen auf der Webseite der RTR.

Letztendlich sind die offenen Probleme aber lösbar und wir hoffen daher auf die Besonnenheit der politischischen Entscheidungsträger:innen, ein eigentlich gutes Gesetz nun in den Details nachzubessern und mit Leben zu füllen. Wir haben dazu eine Stellungnahme eingereicht, in der wir genaue Details dazu erläutert haben. Es bleibt zu hoffen, dass man sich damit schnell auseinandersetzt, denn die Katastrophen werden kommen, kleine und große, soviel ist sicher. Hoffentlich ist das Warnmeldesystem bis dahin auch sicher implementiert – es geht um nichts Geringeres als unser Leben! 

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