Morgen beginnt die Wiederholung des Strafverfahrens, in dem der Chef des Bundeskriminalamtes Andreas Holzer Privatanklage gegen den bekannten Kabarettisten Florian Scheuba wegen übler Nachrede in einer satirischen Kolumne eingebracht hat. epicenter.works, Amnesty International Österreich und das Wiener Forum für Demokratie und Menschenrechte sehen diesen Fall als gravierenden Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit, der nicht stillschweigend hingenommen werden darf.

In dem Verfahren geht es um eine satirischen Kolumne vom September 2021, in der Florian Scheuba vorgeschlagen hat, Andreas Holzer ein Denkmal zu errichten, da dieser 2015 auf Hinweise durch einen der späteren Hintermänner des Ibiza-Videos auf Korruptionsvorwürfe gegen HC Strache mit „Arbeitsverweigerung“ reagierte und dadurch erst die Erstellung des Ibiza-Videos „auslöste“. Dies führte 2022 zu einer Klage Holzers gegen Scheuba wegen übler Nachrede, welche Scheuba in erster Instanz zwar gewann, aber das Oberlandesgericht Wien hat den Freispruch im März 2023 aufgehoben und nun muss der Prozess wiederholt werden. 

„In einem demokratischen Rechtsverständnis sind die Aussagen von Scheuba, die er eindeutig im Kontext einer satirischen Kolumne getätigt hat, klar von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt. Mit seiner Klage gegen einen der bekanntesten Kabarettisten des Landes geht der höchste Polizist des Landes auf Konfrontationskurs mit allen Journalist:innen, Komiker:innen und den Grundwerten, die er als Polizist verteidigen sollte“, sagt Thomas Lohninger, Geschäftsführer von epicenter.works - Plattform Grundrechtspolitik.

„Angriffe auf die Meinungs- und Kunstfreiheit dürfen in einer freien, demokratischen Gesellschaft nicht hingenommen werden. Schon dem Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach ist Satire eine Form des künstlerischen Ausdrucks und der gesellschaftlichen Kommentierung, die überspitzt und die Realität verzerrt, um zu provozieren und zu bewegen. Genau darum geht es in diesem Fall“, sagt Shoura Zehetner-Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich

„Der Fall zielt auf die Anforderungen von Pluralismus, Toleranz und Offenheit in einer demokratischen Gesellschaft. Selbst beleidigende, schockierende und beunruhigende Meinungen sind geschützt und müssen dies auch bleiben“, sagt Manfred Nowak vom Wiener Forum für Demokratie und Menschenrechte. 

Die Aussage von Scheuba in seiner Kolumne, dass eine gründliche Ermittlung nach den ersten Hinweisen 2015 das „Ibiza-Video“ überflüssig gemacht hätte, ist aufgrund der Ergebnisse des Ibiza-Untersuchungsausschusses naheliegend, wurde im September 2021 durch die Verfasser dieses Briefes in ihrem Statement zum Prozessbeginn gegen Julian Hessenthaler ebenfalls getätigt und auch in der Begründung des erstinstanzlichen Freispruchs als „hinreichendes Tatsachensubstrat“ gewertet. In der Urteilsaufhebung durch das OLG Wien wird jedoch der „fehlende Wahrheitsbeweis“ als entscheidendes Kriterium angeführt, um die Entscheidung des Landesgerichts für Strafsachen aufzuheben. Auch dem Umstand, dass es sich bei Florian Scheuba um einen der erfolgreichsten Satiriker des Landes handelt und er den Text klar satirisch verfasst hat, wird wegen seiner journalistischen Tätigkeit kein Gewicht beigemessen.

UPDATE:

Wir waren am 12. Dezember 2023 beim ersten Verhandlungstag des Prozesses dabei. Thomas Lohninger hat ihn in einem Live-Ticker zusammengefasst.
Auch bei der Verhandlung am 13. Februar 2024 waren wir vor Ort im Landesgericht Wien und haben in einem Live-Ticker darüber berichtet. Nach der OLG-Entscheidung folgte aber wenig überraschend ein Schuldspruch von Scheuba. Er und seine Anwältin, Maria Windhager, kündigten bereits Berufung wegen Nichtigkeit der Schuld und Strafe an.

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