Österreich ist das letzte Land in Europa ohne Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Die aus der Kaiserzeit stammende Amtsverschwiegenheit wurde oftmals – auch von uns – kritisiert. In einer modernen Demokratie hat die Bevölkerung das Recht zu wissen, was der Staat tut, wofür er unser Steuergeld ausgibt und auf welcher Grundlage Entscheidungen gefällt werden. Nach einer über zehnjährigen Diskussion scheint nun endlich der Durchbruch zum Greifen nahe. Ein IFG ist ein notwendiger Modernisierungsschritt der österreichischen Demokratie. Im Folgenden analysieren wir den vorgelegten Entwurf. Unser Urteil: Trotz einiger Kritikpunkte überwiegen die Vorteile eines neuen Grundrechts auf Informationsfreiheit.

In unserer Stellungnahme vom April 2021 haben wir den letzten Entwurf der türkis-grünen Bundesregierung analysiert. (Hier geht’s zum Blogpost.) In den folgenden Jahren wurde vieles unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt, wobei wir in einer breiten Allianz immer wieder eingemahnt haben, das IFG auf die Prioritätenliste der Regierung zu setzen. Nach vielen weiteren Diskussionsrunden gibt es nunmehr, zweieinhalb Jahre später, eine Regierungsvorlage zu diesem so wichtigen Gesetzesvorhaben mit einigen Änderungen, auf die wir nun näher eingehen werden.

Zunächst möchten wir an dieser Stelle erneut begrüßen, dass das Recht auf Veröffentlichung sowie Zugang zu Informationen von allgemeinem Interesse durch die Verfassung garantiert wird. Durch dieses Gesetzesvorhaben wird nicht weniger als ein neues Grundrecht in Österreich geschaffen – ein Schritt, der es allen Menschen, aber insbesondere Journalist:innen und Aktivist:innen einfacher macht den Staat zu kontrollieren. Damit soll der Zugang zu staatlichen Dokumenten für alle Bürgerinnen und Bürger garantiert werden. Das Gesetz ist eine historische Chance für Österreich, werden den Behörden damit doch viele beliebte Ausreden genommen, Dinge im Geheimen zu tun. Überdies soll das Recht auch gegenüber Staatsunternehmen wie der ÖBB, der österreichischen Post AG, dem Verbund oder der Bundesimmobiliengesellschaft durchsetzbar sein. Gerade angesichts der vielen Korruptionsaffären und des sinkenden Vertrauens in die Demokratie in Österreich, gibt es vielleicht kein wichtigeres Regierungsprojekt.

Wir hoffen nun auf den parlamentarischen Prozess und auf die Zustimmung der Opposition. Welche konkreten Bestimmungen in der Regierungsvorlage wir begrüßen und wo aus unserer Sicht noch Nachbesserungsbedarf besteht, wird in der Folge zusammengefasst erörtert.

Einwohnergrenze, Staatsanteil & Ewigkeitsklausel

Die verfassungsgesetzlichen Bestimmungen.

Betreffend die Verpflichtung zur proaktiven Veröffentlichung von Informationen ist zwar einerseits zu begrüßen, dass von der im Ministerialentwurf vorgesehenen Grenze von 10.000 Einwohner:innen pro Gemeinde Abstand genommen wurde. Bereits in unserer Stellungnahme haben wir auf die Problematik derartiger Hürden hingewiesen und möchten dies erneut hervorheben: Die nun in der Regierungsvorlage enthaltene Schwelle von unter 5.000 Einwohner:innen, bis zu der Gemeinden Informationen nicht proaktiv veröffentlichen müssen (jedoch freiwillig veröffentlichen können), [1] ist unserer Ansicht nach immer noch ein Wermutstropfen in der Regierungsvorlage. Schließlich ist eine große Anzahl an Gemeinden von dieser Ausnahme betroffen. Die Argumente eines übermäßigen Aufwandes für diese Gemeinden und eine notwendige Verwaltungserleichterung können wir in dieser Form nicht nachvollziehen. Es ist doch vielmehr davon auszugehen, dass mangels proaktiver Veröffentlichung eine Vielzahl an individuellen Anfragen gestellt werden, die ihrerseits Ressourcen in den Gemeinden binden und sich auch dann die Frage stellen wird, ob und gegebenenfalls was konkret veröffentlicht werden kann/darf/muss. Effizienter erscheint uns jedenfalls eine proaktive Veröffentlichung von vorneherein.

Auch wenn weiters das Informationsrecht gegenüber staatseigenen Unternehmen jedenfalls eine positive Entwicklung ist, [2] so bedauern wir es jedoch, dass nur Staatsunternehmen ab einem Staatsanteil von 50% von der Veröffentlichungspflicht erfasst sein sollen. Eine staatliche Beteiligung von 25% wäre für diese Regelung jedenfalls wünschenswert gewesen.

Weiters sieht die Regierungsvorlage unverändert das Vetorecht der Länder – eine sogenannte „Ewigkeitsklausel“ – vor. [3] Gemäß dieser könnte jedes Bundesland aus beliebigem Grund eine zukünftige Änderung des Gesetzes verhindern. Hier wird leider übersehen, dass ein Gesetz, das einen völlig neuen Informationszugang der Bürger:innen schafft und bis dato ungetestet ist, möglicherweise auch Reformen brauchen wird. Umso deutlicher wird dies, als etwa eine Evaluierung des IFG in einem gewissen Zeitraum ab seinem Inkrafttreten auch in der Regierungsvorlage nicht geplant ist. Gesetze bedürfen zuweilen auch Verbesserungen und Adaptionen; eine so sensiblen Materie wie die vorliegende in Stein zu meißeln, sehen wir als problematisch.

Informationsregister, Datenqualität & Geheimhaltungsbestimmungen

Die einfachgesetzlichen Bestimmungen.

Trotz einer Verbesserung der Begriffsbestimmungen bedauern wir, dass Verträge bis 100.000 Euro von der Definition „Informationen von allgemeinem Interesse“ ausgenommen sind. [4] Dies widerspricht vorherigen Hinweisen der Zivilgesellschaft  darauf, dass die automatische Veröffentlichung von staatlichen Verträgen und Informationen von allgemeinem Interesse möglichst ambitioniert sein sollte.

Beim Informationsregister begrüßen wir zwar, dass dieses gebührenfrei sein soll und die Informationen jederzeit zur Verfügung stehen sollen. [5] Ein Anreiz zur Veröffentlichung unter weiterverwendbaren Lizenzen (allgemeinfrei) ist jedoch leider nicht vorgesehen.

Positiv sehen wir jedenfalls eine Verbesserung im Bereich der Datenqualität [6], so insbesondere die barrierefreie Veröffentlichung und auch eine Verbesserung (§ 5 Abs. 3) im Bereich der Metadaten. [7] So sind einerseits die mindestens notwendigen Metadaten gesetzlich fixiert: etwa müssen künftig die Lizenz, Datenverantwortlicher, Beschreibungen, das Erstellungsdatum und Kategorien veröffentlicht werden. Andererseits muss das Finanzministerium für die Metadaten ein Formular bereitstellen und kann dabei weitere optionale Metadaten abfragen.

Abschließend bedauern wir, dass die Geheimhaltungsbestimmungen weiterhin sehr umfangreich gehalten sind. [8] Bereits in unserer Stellungnahme vom April 2021 (S. 7f) haben wir auf die Gefahren eines Aushöhlens der Informationsfreiheit hingewiesen und entsprechende Lösungsvorschläge erarbeitet. Es ist bedauerlich, dass etwa der Sicherheitsbereich nach wie vor pauschal vom IFG ausgenommen ist und weiters auch die Ausnahme aus wirtschaftlichen Interessen fortbesteht.

Zum konkreten Informationsbegehren

Um das Grundrecht auf Informationsfreiheit auch effektiv durchsetzen zu können, muss es möglich sein, die gewünschten Dokumente unbürokratisch und rasch zu bekommen und nicht diversen Hürden im Verfahren zu begegnen, die die Ausübung des Grundrechts verunmöglichen.

In dieser Hinsicht ist jedenfalls zu begrüßen, dass ein Informationsbegehren formfrei (mündlich, schriftlich, oder telefonisch in jeder technisch möglichen und vorgesehenen Form) gestellt werden kann. [9] Ebenso positiv sehen wir den unverzüglichen Verweis des Ansuchens an die zuständige Stelle. [10] Auch die Befreiung von Gebühren ist als positiv zu werten. [11]

Zu begrüßen wären aus unserer Sicht jedenfalls noch Änderungen der Frist, die mit vier Wochen für den Zugang zur Information und möglichen weiteren vier Wochen als Verlängerung zu lange ist. [12] Auch wäre im Sinne einer allumfassenden Inklusivität wünschenswert, [13] die Informationen in einfacher Sprache herausgeben zu müssen. Eine derartige Maßnahme wäre kein unzumutbarer Schritt für die Behörden und würde die Rechtszugänglichkeit von Personen mit Behinderung erhöhen. Bei der aktuell vorgesehenen Formulierung des § 9 könnte dies mit Verweis auf den Aufwand oder bereits veröffentliche Texte abgelehnt werden.

Zur Transparenzbehörde

Es ist sehr bedauerlich, dass es auch in der Regierungsvorlage an einer umfassenden Transparenzbehörde mangelt. Aktuell ist lediglich ein Beratungsangebot der Datenschutzbehörde im Verfassungsrang verankert. [14] Bereits in unserer Stellungnahme vom April 2021 haben wir ausführlich auf die Gefahren einer Verknüpfung der Materien Informationsfreiheit und Datenschutz bei der Datenschutzbehörde hingewiesen und die Einsetzung eines oder einer Informationsfreiheitsbeauftragten gefordert. (S. 11f) Dies wäre im Sinne einer sauberen Trennung der beiden sehr spezifischen Rechtsbereiche notwendig und wünschenswert.

Bedenken zu möglichen Einschränkungen

Hinsichtlich der Bestimmung zu von einer Anfrage betroffenen Personen [15], die zu verständigen und zu hören sind, wäre wünschenswert, dass die Behörden die Identität des Anfragestellers bzw. der Anfragestellerin schützen. Andernfalls besteht Gefahr etwa für laufende journalistische Recherchen. Mit einer kleinen Korrektur könnten Einschüchterungsversuche gegen Personen, die von ihrem Grundrecht auf Informationsfreiheit Gebrauch machen, verhindert werden.  

Die in § 16 vorgesehene Möglichkeit der Einschränkungen des Informationszuganges durch andere Gesetze darf keinesfalls dazu führen, dass das im IFG geschaffene Grundrecht im schlimmsten Fall durch andere Bundes- und Landesgesetze ausgehebelt und das IFG obsolet werden kann.

Fazit

Diese zusammenfassende Analyse soll sowohl die positiven Veränderungen in der Regierungsvorlage hervorheben, sowie auch die aus unserer Sicht noch bestehenden Unzulänglichkeiten beleuchten. Abschließend möchten wir an dieser Stelle noch einmal betonen, dass das Schaffen eines neuen Grundrechts in Österreich und eine Bewegung hin zu mehr Transparenz und Offenheit in der Verwaltung ein lange überfälliger und daher sehr begrüßenswerter Schritt ist, den wir nur unterstützen können. Es ist daher sehr zu hoffen, dass ein umfangreiches, möglichst bürgerfreundliches Informationsfreiheitsgesetz noch vor der nächsten Nationalratswahl von einer möglichst breiten Mehrheit beschlossen wird, so dass Transparenz auch im Alltag gelebt werden kann.

Verweise

[1] Artikel 22a Abs. 1 B-VG sowie § 4 Abs. 1 IFG (per Regierungsvorlage)
[2] Artikel 22a Abs 3 B-VG (per Regierungsvorlage).
[3] Artikel 22a Abs. 4 B-VG (per Regierungsvorlage).
[4] § 2 Abs. 2 IFG (per Regierungsvorlage).
[5] § 5 Abs. 1 IFG (per Regierungsvorlage).
[6] § 5 Abs. 2 IFG (per Regierungsvorlage).
[7] § 5 Abs. 3 IFG (per Regierungsvorlage).
[8] § 6 IFG (per Regierungsvorlage).
[9] § 7 Abs. 1 IFG (per Regierungsvorlage).
[10] § 7 Abs. 3 IFG (per Regierungsvorlage).
[11] § 12 Abs. 1 IFG (per Regierungsvorlage).
[12] § 8 Abs. 1 und 2 IFG (per Regierungsvorlage).
[13] § 9 Abs. 1 und 2 IFG (per Regierungsvorlage).
[14] § 15 Abs. 1 IFG (per Regierungsvorlage).
[15] § 10 IFG (per Regierungsvorlage).

 

Da du hier bist!

… haben wir eine Bitte an dich. Wenn Regierungen laufend neue Überwachungsmaßnahmen fordern, immer mehr Daten über uns sammeln, oder Konzerne auf unsere Kosten ihre Profite steigern, dann starten wir Kampagnen, schreiben Analysen oder fordern unsere Rechte vor Gerichten ein. Dafür brauchen wir deine Unterstützung. Hilf uns, eine starke Stimme für die Zivilgesellschaft zu sein!

Spenden

Ähnliche Artikel: