Das umstrittene Staatsschutzgesetz soll laut den Plänen der Regierung Ende Jänner beschlossen werden. Trotz heftiger Kritik würde damit ein Inlandsgeheimdienst mit weitreichenden Überwachungsbefugnissen in Österreich etabliert. Heute veröffentlicht der AKVorrat seine juristische Stellungnahme zu den rein kosmetischen Änderungsanträgen der Regierungskoalition. Um den Beschluss des Gesetzes in dieser Form zu verhindern, ruft die Bürgerrechtsorganisation die Bevölkerung dazu auf, Nationalratsabgeordnete auf act.staatsschutz.at über die Kritik am Gesetz zu informieren und Befürworter_innen umzustimmen.

Mit einer Protestaktion hat der AKVorrat heute in der Früh eine Überwachungskamera in 13 Metern Höhe auf der Pallas Athene vor dem Parlament angebracht. Sie schwebt derzeit wie ein Damokleschwert über dem hohen Haus, genauso wie der neue Inlandsgeheimdienst über den Grundrechten steht. Fotos und Presseaussendung zu dieser Aktion finden sich im Blog.

Der Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich (AKVorrat) hat in seiner 40-seitigen Stellungnahme dargelegt, warum die Änderungen der Regierungsparteien die Kritik am geplanten Staatsschutzgesetz nicht entkräften können. Die Richtervereinigung hat den bestehenden Entwurf bereits als "Mogelpackung" bezeichnet und auch der AKVorrat selbst hat zahlreiche Argumente vorgebracht, warum dieses Gesetz unverhältnismäßig in die Grundrechte der Österreicherinnen und Österreicher eingreift.

"Unsere Hoffnung liegt nun auf den 183 Nationalratsabgeordneten. Sie müssen sich für die Grundrechte stark machen und dürfen der Einführung einer unkontrollierbaren Überwachungsbehörde nicht zustimmen", so Thomas Lohninger, Geschäftsführer des  AKVorrat.

Auf act.staatsschutz.at sind alle Abgeordneten zum Nationalrat samt Kontaktmöglichkeiten und ihrer Positionierung zu den Staatsschutzplänen aufgelistet. Wenn genügend Menschen in direkten Kontakt mit ihren Abgeordneten treten und das in der Verfassung verankerte freie Mandat auch gelebt wird, gibt es noch Hoffnung, die Gründung des neuen Inlandsgeheimdienstes zu verhindern.

Der breiten Kritik, die im Begutachtungsverfahren zum Gesetzesentwurf geäußert wurde, wurde bis heute nicht entsprochen. Der Rechtsschutz fällt weit hinter das Schutzniveau des kürzlich beschlossenen Bankenpakets zurück.

Die angekündigten Änderungen sind rein kosmetisch und lassen sich an einer Hand abzählen: 

  1. Der Begriff "weltanschaulich" wurde durch "ideologisch" ersetzt. Da diese beiden Wörter synonym sind, ändert das nichts an der Kritik des viel zu breit gefassten "verfassungsgefährdenden Angriffs", für den der neue Staatsschutz zuständig ist. Journalisten, Whistleblower und zivilgesellschaftliches Engagement stehen damit weiterhin im Fadenkreuz. Eine "Präzisierung der Tatbestände“, wie von manchen Medien kolportiert, gibt es nicht.
  2. Statt zehn eigenständigen Inlandsgeheimdiensten gibt es künftig das Bundesamt für Verfassungsschutz und neun ihm unterstellte Landesämter, die weiterhin den Landespolizeidirektionen angegliedert sind und sich um die operative Tätigkeit kümmern. Auf die Kritik einer fehlenden Trennung zwischen nachrichtendienstlichem und polizeilichem Aufgabenbereich wird damit in keinster Weise eingegangen. 
  3. Minimale Änderungen bei den Informationspflichten
  4. Statt der groß angekündigten parlamentarischen Kontrolle wurden lediglich die bisher gelebten Berichtspflichten der Innenministerin und des Rechtsschutzbeauftragten gegenüber dem geheimen parlamentarischen Unterausschuss festgeschrieben.
  5. Der Rechtsschutzbeauftragte muss sich mit seinen Stellvertretern regelmäßig über Wahrnehmungen austauschen und einer seiner Stellvertreter muss mindestens 10 Jahre Berufspraxis als Richter oder Staatsanwalt aufweisen. Diese Konstruktion ist meilenweit von einem richterlichen Senat entfernt, wie er von der Bundesregierung gegenüber der Presse angekündigt wurde. Einigkeit zwischen dem Rechtsschutzbeauftragten und seinen Stellvertretern ist explizit nicht notwendig. 

Vortrag und Workshop

Der AKVorrat hat auf dem 32. Chaos Communication Congress in Hamburg einen Vortrag zu den Geschehnissen in Österreich gehalten. Die Aufzeichnung ist online. Um das neue Werkzeug zum Kontaktieren von Abgeordneten auszutesten, veranstaltet der AKVorrat gemeinsam mit Attac morgen, Dienstag, den 12. 1. um 18:30 Uhr im Wiener WUK einen Infoabend und Workshop zum geplanten Staatsschutzgesetz und dessen Auswirkungen auf Zivilgesellschaft und Aktivist_innen.

Zeitplan

Am 19. Jänner soll das Staatsschutzgesetz im Innenausschuss behandelt und kurz darauf am 27. Jänner im Plenum beschlossen werden. Das umstrittene Gesetz tritt damit vielleicht schon im Juni 2016 in Kraft. Wir fordern die Klubobmänner der Regierungsparteien dazu auf, sich an ihre eigene Kritik an der Regierungsvorlage zu erinnern und an den Verhandlungstisch mit der Opposition zurückzukehren.

Sollte das Staatsschutzgesetz in der derzeit vorliegenden Form Gesetz werden, prüft der AKVorrat eine Klage vor dem Höchstgericht und wird auf diesem Wege für die Einhaltung der Grundrechte kämpfen.

[1] https://akvorrat.at/aufstieg
[2] https://akvorrat.at/sites/default/files/Stellungnahme_PStSG_AAA.pdf
[3] http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4878332/Staatsschutz_Richter-sehen-Mogelpackung
[4] https://www.youtube.com/watch?v=MD2V8n00ARE
[5] https://akvorrat.at/info_abend_staatsschutz

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