TU Wien macht sich lächerlich mit ihrer Entscheidung für Microsoft
Vorige Woche erreichte uns die Meldung, dass die Technische Universität (TU) Wien ihre eigenen Email-Systeme für ca. 30.000 Mailboxen der Studierenden auf Microsoft umstellt. Neue Studierende erhalten die Exchange Online-Mailbox bereits automatisch. TU – war da nicht was mit Technik? Genau darum sollte es doch gehen, denn statt den E-Mail-Verkehr mit freier Open-Source-Software abzuwickeln, verschenkt man hier nun Wissen und Daten an ein Big-Tech-Unternehmen; und das an einer der höchsten Bildungsinstitutionen in Österreich, die noch dazu „Technik“ in der Kernkompetenz und im Namen hat.
Warum übergibt man die Daten des wissenschaftlichen Nachwuchses und der technischen Elite ohne Not in die Hände einer umstrittenen Softwarefirma, wo es doch zahlreiche lokale und bessere Alternativen gibt? Doch leider ist es nicht nur die TU. Auch die Mehrzahl der Schulen und die Verwaltung setzen in Österreich immer noch auf Microsoft-Produkte.
Microsoft-Zwang in der Bildung
Schon seit geraumer Zeit monieren Datenschutzbehörden die Nutzung von Microsoft in den Schulen, die uns auch vermehrt durch Nachrichten an uns von Lehrkräften, Eltern und Studierenden und durch unser eigenes Bildungsprojekt an Schulen in Niederösterreich aufgefallen sind. Langsam müssen wir aber von einer wirklich groß angelegten Strategie ausgehen, denn immer mehr Schüler:innen, Studierende und auch Lehrkräfte werden automatisch zu Microsoft Kund:innen wider willen. In der TU Wien muss der Zugriff zur Exchange Online-Mailbox sowie zu allen anderen Microsoft-Cloud-Apps ab dem Sommersemester mit dem Netzwerk-Passwort und einer Multifaktor-Authentifizierung (MFA) erfolgen. Diese MFA erfordert eine Identitätsprüfung mittels Microsoft-Authentifizierungs-App auf einem (privaten) Endgerät oder einer SMS bzw. Anruf. Umfangreiches Tracking auch auf dem Privatgerät inklusive.
Damit bleiben den jungen Menschen fast keine Möglichkeiten mehr, die eigenen Daten vor Big Tech zu schützen. Auch die Bedenken deutscher Datenschützer:innen scheinen bei dieser Entscheidung keine Rolle gespielt zu haben. Deren eindeutiges Urteil war, man könne diese Big-Tech-Software nicht Datenschutzkonform nutzen. Sollten wir uns in unseren Schulen und höheren Bildungseinrichtungen nicht an geltendes Recht halten?
Steuergeld für Techmonopole
Ganz abgesehen von der Frage, ob man das Geld nicht hätte besser einsetzen können. Denn selbst wenn die Lizenzen nun zur Einführung etwas günstiger sind: Es ist öffentliches Geld und deshalb fordern wir im Sinne einer nachhaltigen Zukunftsstrategie: „Public Money – Public Code!“. Denn wenn wir jetzt unsere Systeme nicht auf offene Standards anpassen, werden wir in der Zukunft immer unnötig Geld für Lizenzen zahlen und von der Willkür der Big-Tech-Unternehmen abhängig sein. Statt die Monopolstellung dieser Unternehmen noch mit Steuergeld zu subventionieren, sollten wir schleunigst anfangen, auch kleinere und lokale Anbieter zu fördern. Auch in Österreich gibt es bereits heute viele KMUs, die vertrauenswürdige Software und Infrastruktur mit offenen Standards für E-Mail, Cloud & Co zur Verfügung stellen.
Wir brauchen unabhängige Universitäten
Gerade Institutionen, wie die Technische Universität Wien sollten lieber auf die eigenen Entwickler:innen hören, die auf den TU-eigenen Servern verschiedene datenschutzkonforme Dienste hosten können, ohne auf Lösungen von Big Tech zurück greifen zu müssen. Stattdessen stehen seit Jänner 2023 selbst die Linux-Arbeitsplatzrechner für Studierende in den Internet-Räumen, kurz LIZ genannt, nicht mehr zur Verfügung, da sie ohne Begründung eingestellt wurden.
Wo, wenn nicht an der (Technischen) Universität muss man Bildung mit unabhängigen Systemen anbieten und auch Wissen und Spielwiesen für zukünftige Techies bieten? Stattdessen gibt man ohne Not die Daten der Studierenden an Big Tech preis und verhindert die Schaffung eines eigenen Mikrokosmos, aus dem nachhaltige Entwicklungen und Praktiken entstehen. Vor kurzem stellte Univ. Prof. Dr. Leonhard Dobusch die Forderung auf, unabhängige soziale Netzwerke an Institutionen wie den Unis zu fördern, um endlich eine unabhängige Infrastruktur gegen Fakenews, Algorithmen und zentral steuerbare Systeme in Gang zu bringen. Eine gute Idee, wenn man bedenkt, wie sehr die Demokratie unter den Gefahren solcher Systeme leidet.
Offene Gesellschaft – offener Code
Nun stehen wir wieder fast bei Null und je mehr Organisationen sich auf einen propritären Standard der kommerziellen Systeme einigen, desto schwieriger wird es, ihnen zu entkommen. Wer bereits in der Kindheit und Jugend nur Microsoft kennen lernt, wird später im Leben kaum alternative Softwarelösungen ausprobieren oder gar auf ihnen professionell arbeiten.
Nicht zuletzt sollte sich die Politik beim nächsten Problem mit Software, Hardware und Lieferketten einmal überlegen, wie tief man Unternehmen in die Organisation staatlicher Infrastruktur einbinden will. Bereits heute hat z.B. Deutschland ein riesen Problem, Huawei-Komponenten aus der kritischen Infrastruktur zu entfernen. Auch in Österreich haben wir es selbst dort, wo es um unsere Sicherheit geht, nicht geschafft, uns von Big Tech zu lösen. Kürzlich hat z.B. die Polizei zwar eine eigens für sie entwickelte Messenger-App bekommen. Doch der Auftrag ging – richtig – wieder an Microsoft.
Wann verstehen große Institutionen endlich, dass die Marktdominianz von Big Tech auch in ihren Einflussbereich fällt? Microsoft scheint für viele Situationen die kurzfristig naheliegenste Option zu sein, aber langfristig und in Anbetracht der Folgekosten ist dieser Konzern die teuerste Option für uns alle. Gerade von einer technischen Bildungseinrichtung muss man erwarten, dass sie langfristig denkt. Es geht nicht nur um die Daten der Studierenden, sondern auch um die Bindung künftiger Nutzer:innen, Administrator:innen und Programmierer:innen an den Konzern. Noch ist Zeit, nicht alles in die Hände von Big Tech zu geben, aber je länger wir warten, desto teurer wird es – heute und in der Zukunft.
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