Heute hat das EU-Parlament über Änderungsanträge zur Urheberrechtsreform abgestimmt. Aus Sicht der Grundrechts-Organisation epicenter.works ist das Resultat eine Katastrophe. Die monatelange Lobbykampagne von Contentindustrie und Verwertungsgesellschaften war letztlich erfolgreich. Die EU muss sich nun den Vorwurf gefallen lassen, das Internet zu einer Plattform zu machen, auf der Zensur ermöglicht und Innovation gebremst wird.

Gemeinsam mit zahlreichen anderen Organisationen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft setzt sich epicenter.works seit Jahren dafür ein, eine ausgewogene Lösung für eine Urheberrechtsreform zu finden. Diese sollte einerseits eine angemessene Entlohnung für künstlerische Arbeit sicherstellen, andererseits das Internet als offene Plattform erhalten und mit den Grund- und Menschenrechten vereinbar sein. Das ist mit dem heutigen Abstimmungsergebnis misslungen.

„Es ist beschämend, wie Politikerinnen und Politiker, die dauernd über Digitalisierung reden, gleichzeitig die Grundlagen des Internets zerstören. Uploadfilter und Leistungsschutzrecht sind nicht nur Angriffe auf die Meinungsfreiheit, sie erschweren auch die Situation für junge Unternehmen der europäischen Digitalwirtschaft“,

betont Thomas Lohninger von epicenter.works.

Noch ist es nicht zu spät

Mit der heutigen Abstimmung ist noch nicht alles vorbei. Im Rahmen der Trilogverhandlungen wird zwischen Kommission, Rat und Parlament ein Vorschlag für die Richtlinie ausgearbeitet, der letztendlich noch einmal vom EU-Parlament bestätigt werden muss. Auch diesen Prozess unter der österreichischen Ratspräsidentschaft wird epicenter.works sehr genau beobachten.

„Wir werden uns als Stimme einer starken Zivilgesellschaft weiterhin zu Wort melden, um der Politik endlich klar zu machen, welche gravierenden Kollateralschäden Europa mit dieser zukunftsfeindlichen Regelung drohen“,

so Thomas Lohninger.

Uploadfilter: Zensurinfrastruktur

Mit dem heute beschlossenen Text sollen große Online-Plattformen verpflichtet werden, alle Äußerungen, die Nutzerinnen und Nutzer auf den Plattformen machen wollen, nach Urheberrechtsverletzungen zu durchsuchen. Selbst kleine Textbausteine müssen zur Vorabkontrolle von einem Filter durchsucht werden. Da die meisten dieser Unternehmen solche technischen Lösungen nicht selbst entwickeln können, läuft die Regelung auf eine Stärkung von Google hinaus. Die verpflichtende Einführung dieser Filtertechnologie in vielgenutzten Plattformen birgt die Gefahr, dass sie auch für die Zensur anderer Inhalte eingesetzt wird. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat in seiner Rede zur Lage der Union heute Morgen bereits angekündigt, dass Filter auch für Inhalte angewendet werden sollen, die als extremistisch angesehen werden.

Leistungsschutzrecht schwächt Medienvielfalt und stärkt Dominanz von Google

Als Resultat der heutigen Abstimmung kann die bloße Nennung von Ausschnitten oder Titeln von Presseerzeugnissen schon zum Problem werden. So werden News-Teaser auf wenige Worte beschränkt werden, auch die Bilderanzeige wird dadurch betroffen sein. Änderungsanträge, die wenigstens reine Faktenaussagen („Merkel trifft Trump“) oder kleinste Textausschnitte von diesem neuen Recht ausnehmen, haben leider keine Mehrheit gefunden. Erfahrungen mit dem Leistungsschutzrecht in Spanien und Deutschland haben gezeigt, dass Google nichts zur Finanzierung von Journalismus beigetragen hat, Verlagen nur zusätzliche Kosten entstanden sind, kleine Verlage weniger Besucherzahlen hatten, weil ihre Inhalte weniger gefunden wurden, und Konkurrenten von Google im Bereich Suchmaschinen und Aggregatoren vom Markt gedrängt wurden. Damit wird die Diversität im Suchmaschinenmarkt und die Medienvielfalt weiter zurückgehen.

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