Als 2019 im EU-Parlament die umstrittene Urheberrechtsrichtlinie beschlossen wurde, war dies ein dunkler Tag für das freie Internet und die Rolle Europas in der globalen Netzpolitik. Obwohl wir noch Hoffnung haben, dieses Gesetz vor dem EuGH zu Fall zu bringen, sehen wir es als unsere Aufgabe an einer möglichst grundrechtsfreundlichen Umsetzung in Österreich zu arbeiten.

Das zuständige grüne Justizministerium hat im Dezember eine Vorab-Begutachtung eines Entwurfs für die Umsetzung der umstrittenen Teile des Gesetzes gemacht. Neben unserer juristischen Analyse folgt hier eine Erklärung der wichtigsten Punkte. Der erste Eindruck ist: Der Gesetzesteil zu Uploadfiltern kommt von den Grünen und der Text zum Leistungsschutzrecht von der ÖVP.

Uploadfilter: viele gute Ansätze und einige offene Fragen

Nicht ganz geklärt ist im jetzigen Entwurf, ob zum Beispiel auch Datingplattformen wie Tinder oder Nachrichtenaggregatoren wie Reddit überhaupt in das Regelwerk fallen. Gut ist hingegen, dass nicht nur die Anzahl der Uploads, sondern auch die Größe der Plattform dabei eine Rolle spielt. 

Im Gesetzesentwurf werden die Voraussetzungen genannt, unter denen eine Online-Plattform für Verletzungen des Urheberrechts sowie verwandter Schutzrechte einzustehen haben, sofern sie ein Verschulden trifft. Eine Urheberrechtsverletzung ist den betreffenden Online-Plattformen nur dann nicht vorwerfbar, wenn sie „alle Anstrengungen” unternommen haben, um die Rechte der Rechteinhaber zu schützen. Diese Formulierung bedeutet, dass zum Beispiel eine Online-Plattform wie Flickr zum Austausch von Bildern sich um Lizenzen von allen Autor*innen und Filmemacher*innen weltweit kümmern muss, und nicht nur mit der österreichischen Verwertungsgesellschaft für Bilder einen Lizenzdeal abschließen muss. Diese Vorgabe ist nicht nur praktisch unmöglich, sie widerspricht auch der Argumentation der EU-Kommission vor dem EuGH, wonach die Verpflichtung der Plattformen, legale Inhalte online zu belassen, schwerer wiegt als die Anforderung zu sperren, da letztere lediglich eine Anforderung zur Bemühung “best effort” ist, wohingegen erstere die Verpflichtung ist, das Ziel zu erreichen. Die Formulierung widerspricht also der Richtlinie.

Genau um diese Verpflichtung, legale Inhalte nicht zu sperren, umzusetzen, haben wir uns für ein Pre-Flagging-System eingesetzt. Damit können Nutzer*innen Angaben zu den von ihnen hochgeladenen Inhalten machen und sich damit zum Beispiel auf legale Nutzungsformen berufen, die ein automatisierter Filter nicht erkennen würde. In unserer Stellungnahme gibt es konkrete Verbesserungsvorschläge für dieses Pre-Flagging-System.

Ebenso wichtig für die Meinungsfreiheit ist die enthaltene Bagatellschranke für Uploadfilter. Je kleiner der verglichene Ausschnitt einer Tonfolge oder eines Bildes ist, umso wahrscheinlicher wird ein falscher Treffer mit einem urheberrechtlich geschützten Werk, und kollateralschäden für Zitate. Deshalb dürfen Uploadfilter laut Entwurf nicht anspringen, wenn der nicht-kommerzielle Kleinstausschnitte maximal 20 Sekunden bei Film und Ton, 1000 Zeichen eines Textes oder 250 Kilobyte eines Bildes beträgt.

Was im Entwurf noch fehlt ist ein richtlinienkonformes Beschwerdeverfahren. Wenn die Plattform etwas löscht, sollten Nutzer*innen die Möglichkeit haben, diese Sperre zu beanstanden. Momentan ist nicht vorgesehen, dass eine Begründung der Plattform sofort stattfinden muss, wenn diese weiterhin auf die Sperre eines vermeintlich urheberrechtlich geschützten Werkes pocht.

Positiv bewerten wir die Möglichkeit einer Verbandsklage durch Konsumentenschutz- und Netzpolitikorganisationen. Uploadfilter sind immer fehlerbehaftet und über solche Klagen kann man wenigstens probieren, den Schaden durch Over-Blocking im Nachhinein zu begrenzen.

Leider haben wir seit vielen Jahren ein Problem von missbräuchlichen Urheberrechtsansprüchen. Solche falschen Ansprüche werden heutzutage oft verwendet, um legale Inhalte aus dem Netz zu löschen. Im Gesetzesentwurf fehlen noch Vorkehrungen gegen falsche Urheberrechtsansprüche. Wenn daher der Filter einer großen Online-Plattform wiederholt rechtmäßig hochgeladene Inhalte sperrt, haben die Plattformbetreiber ihren Sperrmechanismus zu deaktivieren und innerhalb einer angemessenen Zeit die gesetzesmäßige Lage herbeizuführen.

Leistungsschutzrecht: Bevormundung kleinerer Medienangebote

So positiv manche Bestimmungen im Bezug auf Uploadfilter auch sind, so negativ ist die Umsetzung des Leistungsschutzrechts in Österreich. Eigentlich sollten Presseverleger und Medien durch dieses Recht Geld von Google und anderen Nachrichtenaggregatoren bekommen. Die Beispiele aus Frankreich und Deutschland zeigen, wie kollosal solche Gesetze bisher gescheitert sind. In keinem dieser Länder kam es trotz mehrjährigen Bemühungen zu einer Lizenzeinigung, weshalb auch noch nie Geld geflossen ist. Viele kleinere Verlage legen auch mehr Wert auf die Sichtbarkeit für ihre Angebote und wollen sich auf keine Lizenzstreitigkeiten einlassen. Österreich geht hier noch einen Schritt weiter indem es de facto eine Verwertungsgesellschaftspflicht einführt.

Kleine Verlage und Medien können künftig nicht mehr selbst entscheiden, ob ihre Inhalte in Suchmaschinen und sozialen Medien mit Titel und Vorschaubild aufscheinen. Die Verhandlungen werden laut dem Entwurf nur noch kollektiv durch die Verwertungsgesellschaft geführt, die natürlich mehr auf die Interessen der großen Zeitungsverlage und des mächtigen Verband Österreichischer Zeitungsverleger (VÖZ) achten wird. Schon beim ursprünglichen Leistungsschutzrecht war nicht vorgesehen den Autor*innen etwas von dem Geld abzugeben. Nun sollen aber auch noch die Interessen der großen Medien den Kleinen diktieren, wie sichtbar deren Inhalte noch sein dürfen.

Deshalb empfehlen wir diesen Passus ersatzlos zu streichen. Die österreichische Umsetzung widerspricht in diesem Punkt der EU-Richtlinie und stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentumsfreiheit nach Art 5 StGG/Art 1 1. ZEMRK dar.

Der Gesetzestext muss ebenfalls angepasst werden, wenn es um Hyperlinks geht: Die EU-Richtlinie erlaubt explizit das bloße Verlinken eines Zeitungsartikels und stellt klar, dass dies alleine keine „öffentliche Zugänglichmachung“ darstellt. Hyperlinks müssen auch dann ausgenommen werden, wenn kurze Textauszüge geschützter Werke elementarer Bestandteil eines Hyperlinks sind. Gerade dies soll aber nach den Erläuterungen nicht der Fall sein.

Wie geht es jetzt weiter?

Uns wurde vom Ministerium versichert, dass es zu diesem Gesetz noch einen öffentliche Begutachtung geben wird. Bis dahin sollte sich der Gesetzestext noch verbessern. Wir rechnen mit signifikantem Lobbying-Druck durch die Unterhaltungs- und Medienindustrie, der im Hintergrund bereits ausgeübt wird. Das wird ein echter Test für die Standhaftigkeit der Grünen, die sich im Europawahlkampf 2019 doch klar gegen Uploadfilter und ein Leistungsschutzrecht ausgesprochen haben. Die Umsetzung der EU-Richtlinie in Österreich sollte spätestens im Juni 2021 abgeschlossen sein.

Die gesamte Stellungnahme kann hier runtergeladen werden und wurde von der Communia Association und Save the Internet Austria unterstützt. 

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