Es war ein dunkler Tag für das Internet und Europas Rolle in der globalen Netzpolitik, als 2019 im EU-Parlament die umstrittene Urheberrechtsrichtlinie beschlossen wurde. Trotz unserer massiven Kampagne von 2015 bis 2019 konnten wir das leider nicht verhindern. Nun muss diese EU-Richtlinie auch in Österreich umgesetzt werden. Bereits im Dezember 2020 hatte das grüne Justizministerium eine Vorab-Begutachtung eines Entwurfs für die Umsetzung der umstrittenen Teile des Gesetzes gemacht. Wir haben uns schon damals mit einer juristischen Analyse und einem Blogpost zu Wort gemeldet.

Nun wird es aber ernst, denn eigentlich hätte die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie spätestens am 7. Juni 2021 erfolgen sollen, Österreich ist somit mal wieder im Verzug. Heute, dem 13. Oktober 2021, endet die Begutachtungsfrist für den Entwurf des Bundesgesetzes, mit dem das Urheberrechtsgesetz, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 und das KommAustria-Gesetz geändert werden sollen. Damit uns kein Gesetz mit massiven Baustellen blüht, haben wir zusammen mit der Gesellschaft für Freheitsrechte – GFF , Wikimedia,  der Communia Association, Creative Commons Österreich und dem Cultural Broadcasting Archive eine juristische Stellungnahme veröffentlicht. Außerdem haben wir unsere größten Sorgenkinder des Entwurfs für euch hier im Blogpost zusammengefasst.

In den Monaten seit der Stellungnahme im Vorabbegutachtungsverfahren wurden manche der zivilgesellschaftlichen Empfehlungen umgesetzt und finden sich nun auch im vorgelegten Entwurf wieder. Soweit so gut. Allerdings haben wir bereits im Dezember darauf hingewiesen, dass es unbedingt Änderungen und Ergänzungen im Gesetzesentwurf bedarf, um eine effektive und vor allem unionsrechtskonforme Umsetzung der Urheberrechts-Richtlinie (UrhRL) zu erzielen. Ansonsten ergeben sich erhebliche Grundrechtskonflikte, denn die österreichische Gesetzgebung ist sogar zum Teil von europarechtlichen Vorgaben abgewichen.

Uploadfilter – Overblocking als große Gefahr für die Meinungsfreiheit

Einer der wesentlichsten Bestandteile der Urheberrechtsnovelle stellen die vorgesehenen Uploadfilter dar. Diese sollen Urheberrechtsverletzungen bereits beim Upload des Inhalts automatisch erkennen und betroffene Inhalte sofort sperren. Klingt eigentlich ganz praktisch - wäre da nicht die Sache mit fehlerhaften Meldungen. In der Praxis großer Streamingplattformen hat sich bereits gezeigt, dass Inhalte überbordend gesperrt werden. Für die Plattformen, die technisch über solche Filterstrukturen überhaupt verfügen ist es im Zweifelsfall angenehmer zu viel und auch durchaus legale Inhalte zu sperren, als das Risiko einer Urheberrechtsverletzung einzugehen. Das Sperren von legalen Inhalten wäre eine ernstzunehmende Gefahr für unsere Meinungsfreiheit. Hier muss unbedingt noch nachgebessert werden, damit die Verpflichtung von Plattformen, legale Inhalte online zu belassen, schwerer wiegt, als die Anforderung zu sperren.

Ebenso braucht es dringend Instrumente gegen missbräuchliche Sperrmeldungen. Wer mit dem Urheberrecht versucht unliebsame Inhalte aus dem Netz zu zensieren, ohne überhaupt die Rechte an dem Werk zu haben, dem müssen Konsequenzen drohen. In den USA ist das Urheberrecht bereits der beliebteste Weg Inhalte aus dem Internet zu sperren. Wir müssen in Österreich dabei besonders aufpassen.

Bagatellgrenze to the rescue? Leider nein.

Gemäß der europäischen UrhRL gilt für Mitgliedsstaaten die Vorgabe, legale Inhalte im Netz zu schützen und nicht mit vermeintlichen Urheberechtsverletzungen zu verwechseln. Das grüne Justizministerium versucht dieser Vorgabe durch einer sogenannten Bagatellgranze Gerecht zu werden. Damit soll es möglich sein, kleinere Inhalte wie wenige Sekunden zur Verfügung zu stellen, ohne Probleme mit dem Filter zu bekommen. Das bedeutet, dass Uploadfilter nicht anspringen dürfen, wenn der nicht-kommerzielle Kleinausschnitt beispielsweise 15 Sekunden von einem Lied nicht überschreitet. Wir finden es sehr bedauerlich, dass im aktuellen Gesetzentwurf die Grenze von ursprünglich 20 Sekunden auf 15 reduziert wurde. Äußerst problematisch finden wir den Schwellenwert für Texte. Der beträgt nämlich lediglich 160 Zeichen. Zur Veranschaulichung: ein Tweet umfasst schon 280 Zeichen. Es geht aber noch skuriller: selbst der Titel der UrhRL liegt mit 220 Zeichen deutlich über dem Schwellenwert. Sollte das Gesetz so verabschiedet werden, verhindert dieser lächerliche Schwellenwert eine jegliche sinnvolle Berichterstattung, die Zitierfreiheit wird unverhältnismäßig eingeschränkt und wird zu einer Monopolisierung von Sprache führen. Außerdem darf der Inhalt unter der Bagatellgrenze auch nur maximal die Hälfte des Originalwerks ausmachen. Besonders bei Bildern ist diese Anforderung absolut realitätsfremd und schafft lediglich Rechtsunsicherheit für die Nutzerinnen und Nutzer.

Als würde das nicht schon an Zumutungen reichen , gibt es innerhalb des Bereichs von Bagatellnutzungen noch weitere Einschränkungen, und zwar durch das sogenannte „Earmarking“. Das bedeutet, Rechteinhaber*innen haben die Möglichkeit Inhalte, deren unerlaubtes Hochladen „ihnen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen könnte“ zu kennzeichnen („earmark"), damit diese präventiv durch Uploadfilter gesperrt werden können. Da läuten aber nicht nur bei uns die Alarmglocken, denn bereits Henrik Saugmansgaard Øe, Generalanwalt des EuGH, hat festgehalten, eine präventive Sperrung von Inhalten aufgrund der bloßen Behauptung eines drohenden wirtschaftlichen Nachteils kann nicht mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit und damit mit der EU- Grundrechtecharta vereinbar sein. Die Sache mit dem „Earmarking“ sollte die Gesetzgebung also noch einmal von Grund auf überdenken, wenn man nicht wieder das nächste grundrechtswidrige Gesetz aufs Tapet bringen möchte.

Verwertungsgesellschaftspflicht: für kleine Medien wird’s in Zukunft noch härter

Das Schaudern kommt einem spätestens dann, wenn man sieht, wie Österreich die Umsetzung des Leistungsschutzrechtes plant. Eigentlich sollten Presseverlage und Medien durch dieses Recht Geld von Google und anderen Nachrichtenaggregatoren bekommen. Die Beispiele aus Frankreich und Deutschland zeigen, wie kolossal solche Gesetze bisher in die Hose gegangen sind. In keinem dieser Länder kam es trotz mehrjährigen Bemühungen zu einer Lizenzeinigung, weshalb auch noch nie Geld geflossen ist.

Die europäische Richtlinie sieht eigentlich ein exklusives Recht von Verlagen vor, selbst zu entscheiden, wie mit ihren Inhalten durch Nachrichrichtenaggregatoren umgegangen wird.
Die österreichische Gesetzgebung zwingt sie nun aber in eine kollektive Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften. Das heißt kleine Medien könnten in Zukunft nicht mehr darüber entscheiden, wie ihre Inhalte monetarisiert werden. Wie das überhaupt mit dem Grundrecht der Pressefreiheit vereinbar sein soll, hinterlässt bei uns nur große Fragezeichen. Kleine Medien und Verlage, die besonders unter dieser vorgesehenen Regelung leiden werden, müssen geschützt werden und ihnen muss die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre Rechte selbst wahrzunehmen. Big Player werden wohl nie im Interesse von kleinen Medien agieren, wenn in Österreich weiterhin eine breite Meinungsvielfalt sichergestellt werden soll, dann muss hier dringend nachgebessert werden.

Keine Frage, es ist natürlich immer eine gewisse Herausforderung, europäische Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Warum wir bei vielen Punkten wieder den „österreichischen Sonderweg“ brauchen, erschließt sich uns aber nicht. Immerhin scheint die Gesetzgebung dadurch zum Teil Konflikte zu schaffen, wo es eigentlich gar keine geben müsste.

Eine umfassende Darstellung der hier angerissenen Problematik samt konkreten Ausführungen und möglichen Lösungsvorschlägen für die Gesetzgebung ist in unserer Stellungnahme zu finden, welche epicenter.works gemeinsam mit fünf Partnerorganisationen für die Begutachtung verfasst hat.

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