Die lang diskutierte EU-Urheberrechtsreform ist seit Juni in Kraft und muss nun innerhalb von zwei Jahren in Österreich – genauso wie allen anderen Mitgliedstaaten – in nationales Recht umgesetzt werden. Konkret bedeutet das, dass im Justizministerium nun eine Novelle des Urheberrechtsgesetzes vorbereitet wird. Dabei ist nicht nur die praktische Ausgestaltung von Uploadfiltern ein Thema, sondern es kommen eine Fülle an Änderungen auf uns zu, die entscheidend für das freie und offene Internet sind.

Ein grundlegendes Thema ist dabei die Form des Konsultationsprozesses im Justizministerium: Zwar werden wir und andere zivilgesellschaftliche Organisationen wie Wikimedia, die Initiative für Netzfreiheit und Creative Commons zu Sitzungen eingeladen, allerdings wird die Novelle als technisches bzw. branchenspezifisches Unterfangen verstanden. An den Sitzungen nehmen daher in erster Linie eine Fülle von Verbänden von Rechteverwerter*innen, Verwertungsgesellschaften, etc. teil und es wird darauf hingearbeitet, dass sich diese untereinander auf Lösungen einigen. Dementsprechend wenig Informationen sind der Öffentlichkeit zugänglich, obwohl hier wichtige Entscheidungen getroffen werden, die direkten Einfluss auf deine Grundrechte haben.

Wir setzen uns daher für eine transparente und öffentliche Konsultationsphase ein. Insbesondere ist es wichtig, dass erste konkrete Überlegungen für Gesetzesänderungen nicht nur mündlich in den Diskussionen erwähnt, sondern auch schriftlich veröffentlicht werden und die Stellungnahmen aller Stakeholder öffentlich aufliegen. Wir halten euch auf jeden Fall weiterhin hier am Laufenden.

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Artikel 17: Uploadfilter

Trotz der heftigen Kritik – unter anderem vom UN Berichterstatter zur Meinungsfreiheit David Kaye, WWW-Erfinder Tim Berners-Lee und den führenden Urheberrechtsinstituten in Europa – drohen durch die Reform gefährliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit durch Uploadfilter. Zwar werden diese im Gesetzestext mit keinem Wort erwähnt, Online-Plattformen haften nun allerdings dafür, wenn Nutzer*innen Inhalte hochladen, für die sie keine Lizenz abgeschlossen haben. Dann hat die Plattform die Verpflichtung, solche Uploads automatisiert zu verhindern – und ohne Uploadfilter ist das nicht möglich. Diese Filter können aber nicht zwischen Urheberrechtsverstößen und legaler Nutzung von Werken, zum Beispiel durch Zitate oder Parodien, unterscheiden. Sie können nur eines – löschen!

Eine Möglichkeit, Uploadfilter im nationalen Recht zu verhindern, wäre es, Lizenzierungsmöglichkeiten so zu gestalten, dass Plattformen Lizenzen abschließen können, die alle geschützten Werk umfassen (z.B. durch sogenannte „Extended Collective Licenses“). Jedoch herrscht dafür keine Einigkeit auf Seite der Rechteinhaber*innen. Während die Musikindustrie bereit ist, Lizenzverträge mit den Plattformen abzuschließen, die möglichst alle Musikwerke abdecken, besteht in anderen Industriezweigen – beispielsweise in der Filmindustrie – kein Interesse an einer Lösung durch Lizenzen.

Nichtsdestotrotz fordern wir die Einführung von „Extended Collective Licenses“ im österreichischen Urheberrecht, um so viele Inhalte wie möglich aus dem Handlungsbereich der Uploadfilter zu entfernen.

Zudem braucht es einen wirksamen Schutz für Nutzer*innen, wenn Uploadfilter falsche Entscheidungen treffen. Dabei ist es unzureichend, wenn Nutzer*innen Einspruch erheben können nachdem der Filter bereits Inhalte entfernt hat. Das widerspricht nämlich dem Text der Richtlinie:

Die Zusammenarbeit zwischen den [Plattformen] und den Rechteinhabern (gemeint sind die Filter, Anm.) darf nicht bewirken, dass von Nutzern hochgeladene Werke […], bei denen kein Verstoß gegen das Urheberrecht […] vorliegt, nicht verfügbar sind […]

Wir fordern daher, dass Uploadfilter bei vermuteten Verstößen nicht sofort den Inhalt entfernen, sondern die Nutzer*in zuerst darüber benachrichtigt wird. Wenn diese dann bestätigt, dass der Inhalt legal – zum Beispiel aufgrund einer Lizenz oder einer Urheberrechtsausnahme – genutzt wird, muss dann eine menschliche Überprüfung der Entscheidung des Filters stattfinden. Nur wenn die Nutzer*in sich nicht innerhalb einer angemessenen Frist zurückmeldet oder die Überprüfung ergibt, dass es sich um eine Urheberrechtsverletzung handelt, wird der Inhalt wirklich entfernt.

Diese Vorgehensweise entspricht einer Empfehlung an die Mitgliedstaaten von den europäischen Urheberrechtsinstituten.

Artikel 15: Leistungsschutzrecht für Presseverlage

Weniger Handlungsspielraum für die Mitgliedstaaten besteht beim ebenso brisanten Artikel 15, der ein neues Schutzrecht für Presseverlage an von ihnen publizierten Presseartikeln bringt. Obwohl dieses Recht bereits in Deutschland und Spanien erfolglos eingeführt wurde, enthält die Richtlinie nun ähnliche Bestimmungen, die in allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen. Wichtig ist uns, dass eine Mindestlänge von erlaubten Ausschnitten definiert wird und dass Presseverlage auch freiwillig auf dieses Recht verzichten können, damit gerade kleine Verlage auch weiterhin ihre Inhalte auf Internetplattformen erfolgreich verbreiten können.

Neue Schranken und Ausnahmen

Darüber hinaus enthält die Richtlinie eine Reihe neuer Schranken und Ausnahmen vom Urheberrecht, die der Öffentlichkeit neue Rechte gibt, um geschützte Werke für bestimmte Zwecke zu nutzen. In Österreich fehlt beispielsweise bisher eine Ausnahme für Karikaturen, Parodien und Pastiches – diese sind aber als Teil von Artikel 17 zwingend vorgeschrieben und werden voraussichtlich als Erweiterung des bestehenden Zitatrechts umgesetzt.

Ebenso neu sind Ausnahmen für sogenanntes „Text and Data Mining“, also die automatische Verarbeitung von öffentlich zugänglichen Daten, um diese dann zum Beispiel für Forschungszwecke zu analysieren. Gerade Forschungseinrichtungen profitieren von den Regelungen der Richtlinie, wir setzen uns aber dafür ein, dass der Grundsatz „alles was ich lesen darf, darf ich auch minen“ für alle gilt.

Eine neue Ausnahme gibt es auch für digitale Bildungszwecke. Hier ist es wichtig, den Spielraum für Lehrer*innen, geschützte Werke im Unterricht zu verwenden, in den digitalen Raum – zum Beispiel auf Lernplattformen – zu erweitern.

Eine Reihe von neuen Regelungen soll es außerdem für sogenannte „Kulturerbe-Institutionen“ – also Museen, Galerien, Archive und Bibliotheken – erleichtern, die Werke der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, die sich in ihrem Bestand befinden. Besonders wichtig ist das bei vergriffenen Werken, also jenen, die zwar immer noch urheberrechtlichen Schutz genießen, aber nicht mehr wirtschaftlich verwertet werden. Das betrifft eine Vielzahl von Werken aus dem 20. Jahrhundert, zum Beispiel Bücher, die nicht mehr verlegt werden und daher nicht mehr erhältlich sind. In Zukunft sollen Kulturerbe-Institutionen solche Werke online veröffentlichen dürfen, wodurch dieser verlorene Kulturschatz wieder für alle nutzbar wird.

Verbesserungen für Künstler*innen?

Ebenfalls Teil der Richtlinie sind einige Punkte zum sogenannten „Urhebervertragsrecht“, die die Verhandlungsposition der Künstler*innen gegenüber den Verwerter*innen stärken sollen. Wir unterstützen die Anstrengungen von Künstler*innen eine faire und angemessene Vergütung für ihre Werke zu erhalten. Häufig werden diese nämlich mit „Buy-Out-Verträgen“ oder niedrigen Umsatzbeteiligungen abgespeist, was sich dann in einer prekären wirtschaftlichen Situation von Kunst- und Kulturschaffenden widerspiegelt. Die Urheber*innen müssen an den Erlösen aus allen Formen der Verwertung angemessen beteiligt werden. Genauso müssen bei unerwartetem Erfolg oder unzureichenden Vereinbarungen nachträgliche Vertragsanpassungen möglich sein. Wichtig ist es aber auch, dass es wie in Deutschland die „sogenannte Linux-Klauseln“ als Ausnahme gibt, die die Verwendung offener Lizenzen auch weiterhin ermöglichen.

So geht's weiter

Im neuen Jahr ist die Urheberrechtsreform weiterhin sowohl in Brüssel als auch in Wien ein großes Thema: Die Europäische Kommission erarbeitet derzeit im Rahmen eines „Stakeholderdialogs“ einen Leitfaden zu Artikel 17, der dann für die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung verwendet werden soll. Nähere Informationen dazu findet ihr laufend bei Communia, die sich dort gemeinsam mit unserem Dachverband EDRi und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren für einen Schutz der Nutzer*innenrecht einsetzen. Communia hat außerdem eine detaillierte Übersichtsseite zur Richtlinie erarbeitet, wo ihr weitere Informationen zu den einzelnen Regelungen findet.

In Österreich werden gleichzeitig die Diskussionen im Justizministerium fortgesetzt, wobei wir damit rechnen, dass die Urheberrechtsgesetz-Novelle im Herbst 2020 in Begutachtung geht. Wir hoffen, dass das Justizministerium auf unsere Forderungen nach einem transparenten Prozess eingeht. Ohne einen öffentlichen Dialog drohen die warnenden Stimmen aus der Zivilgesellschaft unterzugehen, weshalb wir auch auf deine Unterstützung angewiesen sind. Mit deiner Hilfe, dem Druck aus der Öffentlichkeit und auf der Straße hätten wir die Uploadfilter schon einmal fast auf europäischer Ebene verhindert. 2020 geht dieser Kampf in die nächste Runde.

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