Das völlig neu geschriebene Telekommunikationsgesetz, kurz TKG, ist bereits seit langer Zeit in Planung und wurde nun im Rahmen der öffentlichen Begutachtung von uns analysiert und kommentiert. Die Länge des Gesetzes ist natürlich beachtlich und wir haben uns auf die aus unserer Sicht relevantesten Aspekte fokussiert. Das TKG berührt wie kaum ein anderes Gesetz so viele unserer Themen: Netzneutralität, Überwachung, Konsumentenschutz und Betroffenenrechte, IT-Sicherheit und Transparenz - um nur einige zu nennen. Wir haben unsere (juristische) Stellungnahme hier nochmal in nicht-juristischen Worten zusammengefasst, um die wichtigsten und kritischsten Neuerungen und Änderungen zu beleuchten. 

Das Ende einer unabhängigen Behörde

Die Telekom Regulierungsbehörde ist eine Rarität unter den Institutionen in Österreich, denn sie wird eigentlich von allen geschätzt, die mit ihr zusammenarbeiten. Telekomregulierung funktioniert in Österreich besser als in anderen Ländern und das merkt man an den im EU-Vergleich niedrigen Preisen, der guten Netzabdeckung und der heimischen Vorreiterrolle in der Netzneutralität. Es ist dumm, nicht aus seinen Fehlern zu lernen. Es ist noch dümmer, nicht aus seinen Erfolgen zu lernen. 

Mit der vorliegenden Reform wird aus einer unabhängigen Behörde eine parteipolitische Postenbesetzung. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass diese Behörde einstimmig entscheidet und der Vorsitz bisher immer von einem ehemaligen Richter geführt wurde. Die Mitglieder werden zwar alle von der Bundesregierung bestellt, aber diese ist bei der Rolle des Vorsitzenden an einen Dreiervorschlag des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs gebunden. Anstatt dieser neutralen Stelle schlägt künftig Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger vor, wen die Bundesregierung (der sie angehört) zum Vorsitzenden macht und Richter*in muss diese Person auch keine mehr gewesen sein. 

Diese Reform gefährdet ein über viele Jahrzehnte gewachsene professionelle Behörde, deren Entscheidungen sogar von der Industrie akzeptiert werden. Aus unserer langjährigen Arbeit in Fragen der Telekomregulierung können wir nur eindringlich vor diesem Fehler warnen. Der Schaden wäre irreparabel, für das Vertrauen in die Institution und das heimische Internet. 

Verschlechterungen im Konsumentenschutz

Gewisse Regelungen des Konsumentenschutzes sollen für kleinere und mittlere Unternehmen nicht mehr zur Anwendung kommen. Damit müssten Konsument*innen jetzt genau hinsehen, bei wem sie ihren Internetvertrag abschließen. Gerade Kunden der kleineren Anbieter, die in Österreich einen vergleichsweise großen Marktanteil haben, würden dann um klassische Konsumentenschutzrechte umfallen. Wir lehnen diese Ungleichbehandlung ab und fordern, dass Konsumentenschutzrechte für alle Konsument*innen und Geschäftssituationen gelten sollen. 

Ein Grund wieso der Internetmarkt in Österreich so viel besser ist als in Deutschland, ist der starke Wettbewerb. Dieser Wettbewerb steht und fällt mit der Möglichkeit von Kund*innen, ihre Tarife zu wechseln. Vor diesem Hintergrund erscheint es wirklich sinnbefreit, wieso die gesetzliche Mindestvertragsdauer von 12 auf 24 Monate verdoppelt werden soll. In der Praxis ist es heute schon so, dass viele 12-Monatsverträge schlechtere Konditionen haben als die 24-Monatsverträge. Sinnvoll wäre vor diesem Hintergrund eine Mindestvertragslaufzeit von 12 Monaten, die auch nicht überschritten werden darf. Wenn die Kunden zufrieden sind, werden sie weiterhin Kunden bleiben. Aber ein Lock-In Effekt sollte schon alleine zum Erhalt des Wettbewerbs und der niedrigen Preise erhalten bleiben. 

Sollte man einen Vertrag mit einem Handy gekauft haben und diesen vorzeitig kündigen wollen, kann man das Handy entweder an den Hersteller zurückgeben oder man muss künftig nur noch einen aliquoten Restwert des Geräts zurückzahlen. Diese Regelung begrüßen wir. Viel häufiger ist aber der Fall, in dem Kunden ihre Sonderkündigungsrechte in Anspruch nehmen, weil der Anbieter die AGBs einseitig und zum nicht ausschließlichen Vorteil des Endnutzers geändert hat. Das ist eine gängige Praxis am Markt, um aus unliebsamen Verträgen zu kommen. Künftig sollen Kund*innen zur Zahlung des vollständigen monatlichen Entgelts und der Abschlagszahlungen für etwaige Handys verpflichtet bleiben, auch wenn der Anbieter einseitig seinen Tarif verschlechtert. Das scheint uns das größte Problem aus Konsumentenschutzperspektive zu sein und vermutlich wird diese Regelung auch vor Gericht nicht halten. 

Das unrühmliche Ende der Telefonzellen

Seit 118 Jahren gibt es in Österreich Telefonzellen und mit dieser Reform wird durch eine simple Streichung der Verpflichtung, solche Zellen zu betreiben, ihr Ende eingeläutet. Klarerweise hat die Verbreitung des Mobilfunks den ursprünglichen Bedarf obsolet gemacht, jedoch wäre ein simples Abbauen der kompletten landesweiten Infrastruktur sehr kurzsichtig. Wir haben angeregt, aus diesen Telefonzellen WLAN Hotspots zu machen, um den Bedarf für eine Internetgrundversorgung zu decken, damit zB nahegelegene Parks zu beleben und das Land für den Tourismus noch attraktiver zu machen. Zukünftige Nutzungsformen könnten von offenen Bücherregalen, Gemeinschaftskühlschränken bis zu Urban Gardening reichen. Gemeinsam mit der seit 1. Jänner 2019 geltenden Registrierungspflicht aller SIM-Karten verliert die Bevölkerung mit diesem Schritt einen weiteren Weg alltagstauglich anonym zu kommunizieren. 

Überwachung: Information der Betroffenen

Positiv bewerten wir das Beibehalten des österreichischen Instruments der Durchlaufstelle. Das ist die Firewall zwischen Polizei und Internetanbietern, über die Datenauskünfte nach Nutzer*innendaten erledigt werden. Ein größeres Problem stellt aus unserer Sicht aber die mangelnde Information von Betroffenen von Überwachungsmaßnahmen dar. Im Zuge dieser Reform wurde eine Bestimmung über die Information von Betroffenen der sie betreffenden Überwachungsmaßnahmen entfernt, die wir zum Anlass genommen haben, einen Vorschlag für eine zeitgemäße Information von Betroffenen über ihre Überwachung zu etablieren. Wer von einer Funkzellen- oder Stammdatenabfrage betroffen ist und dadurch unmittelbar in seinen Datenschutzrechten eingeschränkt wurde, wird meist niemals etwas davon erfahren. Deshalb haben wir vorgeschlagen, dass Rechtsschutzbeauftragte einerseits informiert werden müssen, wenn Behörden nach Daten von Personen anfragen. Andererseits müssen die Rechtsschutzbeauftragten den betroffenen Personen sofort mitteilen, dass Behörden Auskunft über die sie betreffenden Daten ersucht haben. Nur wenn die Ermittlungen erschwert würden, sollten Betroffene erst im Nachhinein informiert werden, sobald die Gründe für die Erschwerung von Ermittlungsmaßnahmen wegfallen. Nur über eine solche Konstruktion wären die Betroffenenrechte gewahrt. 

IT-Sicherheit wird kleingeschrieben

In der Pandemie hat sich gezeigt, wie sehr unsere Gesellschaft von einer verlässlichen Telekominfrastruktur abhängt. Die Netzbetreiber haben deshalb eine besondere Sorgfaltspflicht für die Integrität und Stabilität ihrer Netze. Der EU-Rechtsrahmen trägt dem Rechnung und verpflichtet diese Firmen, solche Maßnahmen zu ergreifen. In der österreichischen Umsetzung wird aber leider explizit darauf verzichtet, genau auszuführen, ab wann solche Maßnahmen angemessen sind. Für Sicherheitsvorfälle, die eine "besondere und erhebliche Gefahr" darstellen, sieht der EU-Rechtsrahmen sogar eine Informationsverpflichtung vor, sodass die Nutzer*innen über eine Gefahr für ihre Daten oder Versorgung informiert werden. Auch hier bleibt die österreichische Umsetzung so vage, das weder Betreiber noch Nutzer*innen sich auf eine stabile Definition verlassen können. Da sich solche Bedrohungslagen im Internet angesichts der Aufrüstung vieler Staaten im Bereich Cyberkrieg und der wachsenden Internetkriminalität sehr wandelbar sind, empfehlen wir hier eine Kompetenz für die Regulierungsbehörde, eine konkrete und ausführliche Verordnung zu erlassen und unter Einbindung von Stakeholdern aktuell zu halten. 

Dem Bereich der IT-Sicherheit widmet sich auch der neu geschaffene "Fachbeirat für Sicherheit in elektronischen Kommunikationsnetzen". Dieses Gremium soll die Ministerin dabei beraten, einzelne Hersteller von Netzwerkkomponenten auf eine Liste von "Hochrisikolieferanten" zu setzen, womit die Geräte dieser Firma im Österreichischen Internet oder Teilen davon nicht mehr verwendet werden können. Es gibt Netzwerkhersteller wie Qualcomm, Huawei oder Cisco, wo eine derartige Einstufung zum als allerletztes Mittel notwendig sein kann. Ein derartiges Embargo gegen eine einzelne Firma sollte in jedem Fall auf Basis objektiver und belegbarer technischer Fakten erfolgen und keinesfalls aus politischen oder wirtschaftlichen Motivationen. Seit einigen Jahren wird weltweit eine Debatte über die Sicherheit von Huawei geführt, die stark vom Handelskrieg der Trump-Regierung gegen China vorangetrieben wurde und auch mit politischem Druck auf die Alliierten der USA zusammenhing[1].

Deshalb warnen wir vor der derzeitigen Besetzungsform des "Fachbeirat für Sicherheit in elektronischen Kommunikationsnetzen". Von 10 Mitgliedern in diesem Gremium werden sieben aus den Ministerien entsendet. In Österreich ist durch eine solche Besetzung der politische Einfluss auf jede Entscheidung dieses Gremiums garantiert. Als die drei anderen Mitglieder werden neben der Wirtschaftskammer und dem CERT auch noch explizit die Austrian Institute of Technology GmbH genannt. Unser Vorschlag wäre, hier stärker auf die exzellente IT-Sicherheitsforschung an den österreichischen Hochschulen zu setzen. Es gibt exzellente Institute in Wien, Linz und Graz. Da in die Prüfung nicht nur technische Aspekte einfließen sollten, sondern auch Fragen der Menschenrechts- und Datenschutzsituation in den Drittstaaten, wäre auch eine Einbindung von NGOs sinnvoll.

Was tun wir für Menschen ohne ausreichendes Internet?

Österreich ist ein Land mit vergleichsweise guter Mobilfunkabdeckung und billigen Preisen. Aber die Pandemie hat uns gezeigt, dass es immer noch zu viele Menschen in unserem Land gibt, deren Datenvolumen den Anforderungen von Distance Learning, Home Office oder dem gesteigerten Medienbedarf im Lockdown nicht gerecht wird. Ca 20% der Schülerinnen und Schüler waren im Lockdown für die Lehrkräfte nicht erreichbar. Der Gesetzgeber hätte einige Möglichkeiten in der Hand, die Situation für diese Menschen zu verbessern. Laut EU-Rechtsrahmen wäre es möglich gewesen, die Erschwinglichkeitverpflichtung auf Mobilfunkangebote auszuweiten, was erlauben würde, steigenden Preisen zu begegnen. Noch viel zielgerichteter wäre es, das "Fernsprechentgelt" anzuheben. Diese Sozialleistung für die Ärmsten in unserem Land funktioniert wie ein Gutschein bei den großen Internetanbietern und erlaubt es derzeit, weder einen vollständigen Festnetztarif zu bekommen noch einen Mobilfunktarif mit einem zeitgemäßen Datenvolumen. Das Anheben des Fernsprechentgelts hätte eine 100%ige Treffsicherheit und hilft wirklich nur jenen Menschen, die gerade in der Pandemie nicht einmal mehr über das Internet an unserer Gesellschaft teilnehmen können, von Bildung und Wirtschaft ganz zu schweigen. 

Für jene ländlichen Regionen, in denen die Internetversorgung immer noch weit unter dem zeitgemäßen Niveau ist, gibt es ebenfalls eine schlechte Nachricht. Das Instrument des Universaldienstes ist dafür da, den Menschen in diesen Gebieten eine minimale Internetversorgung zu garantieren. In Österreich ist dies oft so schlecht festgelegt, dass an Distance Learning oder zeitgemäßes Wirtschaften überhaupt nicht zu denken ist. Mit dem Entwurf soll diese Verpflichtung einer Minimalversorgung für NGOs (Organisationen ohne Gewinnabsicht) und mittelständische Unternehmen jedoch wegfallen. Es erscheint fast perfide, dass mit dem Wechsel der Telekomagenden in das Landwirtschaftsministerium gerade diese ländlichen Regionen schlechter gestellt werden sollen. Von einer ÖVP Landwirtschaftsministerin hätten wir uns mehr Solidarität mit Trachtenvereinen oder den mittelständischen Betrieben am Land erwartet. 

Netzneutralität: Mehr Transparenz und hoffentlich Routerfreiheit

Jeder Internetbenutzer fragt sich hin und wieder, wie schnell das eigene Internet ist und ob man überhaupt die Geschwindigkeiten bekommt, die einem versprochen wurden. Durch 5G werden die Parameter, anhand derer ein Internetanschluss geeignet oder ungeeignet für die eigenen Bedürfnisse sein kann, noch viel komplizierter. Deshalb haben wir uns auch für eine Möglichkeit für die Regulierungsbehörde ausgesprochen, ein fixes Verhältnis zwischen den beworbenen und vertraglich zugesicherten Bandbreiten festzulegen. Wenn diese Bandbreiten nicht eingehalten werden, sollte es ein Sonderkündigungsrecht geben. 

Seit 2015 ist Netzneutralität in der EU gesetzlich garantiert, woran wir stark mitgewirkt haben, und womit auch minimale Informationspflichten für Internetanbieter festgelegt wurden. Bisher waren diese Informationen lediglich in den Vertragsbedingungen der jeweiligen Tarife versteckt und durch den vorliegenden Entwurf müssten diese Infos öffentlich im Netz stehen und damit auch zugänglich für Tarifvergleichsplattformen werden. An anderer Stelle wird sichergestellt, dass es einen solchen Tarifvergleichsrechner geben muss. Wer im konkreten heute schon wissen will, ob die versprochene Bandbreite eingehalten wird, dem sei der netztest.at der Regulierungsbehörde empfohlen. Dieser wird weiterhin als zertifiziertes Messwerkzeug beibehalten.

Schlechter sieht es in Österreich in der Frage der Routerfreiheit aus. Besonders A1 zwingt seine Kund*innen oft dazu, die eigenen Router und Modems zu verwenden. Wir sprechen uns schon lange für eine Routerfreiheit aus, also dafür, dass die User selbst entscheiden dürfen, welches Gerät bei ihnen zu Hause steht und das Internet an andere Geräte über WLAN oder Kabel verteilt. Mit dem vorliegenden Entwurf wird diese Entscheidung der Regulierungsbehörde übertragen. Wir sprechen uns hier klar für ein Modell wie in Deutschland aus, in dem der Gesetzgeber grundsätzliche Routerfreiheit festlegt und der Regulierungsbehörde dann erlaubt, für einzelne Technologien davon abzuweichen. 

Wir haben uns auch zum Thema Netzsperren geäußert. Seit vielen Jahren gibt es ja einen Streit über die Zensur von Internetseiten in Österreich, vor allem durch die Urheberrechtsindustrie vorangetrieben und mit teilweiser Rückendeckung der Glückspielindustrie oder ÖVP Abgeordneter, die Pornos verbieten wollen. Das Urheberrechtsgesetz sieht eine sehr breite Möglichkeit der Sperre von Websites vor und wir würden uns im TKG ähnlich wie für den Konsumentenschutz die Möglichkeit einer Prüfung solcher Sperrverfügungen durch die Regulierungsbehörde wünschen. 

Positiv bewerten wir die Erhöhung der Strafen für Verstöße gegen die Netzneutralität von max. EUR 58.000,- auf max. EUR 100.000,-. Damit steigt Österreich in das untere Viertel der EWR Staaten auf. Im Wiederholungsfall gibt es eine minimale Strafe von EUR 10.000,-. Damit wird Österreich aber immer noch nicht den Verpflichtungen der EU-Verordnung zur Netzneutralität gerecht. Dort ist nämlich festgeschrieben, dass Strafen abschreckend und verhältnismäßig sein sollen. Für die großen österreichischen Telekomkonzerne mit neunstelligem Umsatz ist eine solche Strafe lächerlich und für die kleinen Internetanbieter mit einer Handvoll Mitarbeiter*innen ist sie existenzbedrohend. Wie wir schon mehrmals gesagt haben, würde sich eine sinnvolle Strafhöhe mit einem Prozentsatz am Umsatz des Unternehmens berechnen. 

Die vollständige juristische Stellungnahme kann hier nachgelesen werden. Die EU-Vorgaben hätten schon bis Dezember 2020 umgesetzt werden sollen, wofür Österreich gemeinsam mit 23 anderen Mitgliedsstaaten von der EU-Kommission bereits gerügt wurde. Wir rechnen deshalb mit einer raschen Umsetzung und hoffen auf Verbesserungen.

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