Viel erreicht im Kampf gegen Überwachungspaket, Ausverkauf von Gesundheitsdaten & Co
Am Freitag, 20. April 2018 wurden zahlreiche Themen mit Grundrechts- und Datenschutzbezug im Nationalrat behandelt. Die Grundrechtsorganisation epicenter.works hat die Gesetzesflut von Beginn an kritisch begleitet und kann dabei auf viele Erfolge verweisen. Es ist gelungen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Überwachungspaket zu lenken und etliche Verbesserungen zu erwirken. Die Weitergabe persönlicher Daten aus der Gesundheitsakte ELGA an die Industrie wird aller Voraussicht nach nicht stattfinden. Die Möglichkeit einer Verbandsklage bei Datenschutzverletzungen ist in greifbare Nähe gerückt und die Übererfüllung der EU-Vorgaben für die Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten konnte vorerst einmal verhindert werden. Es wird allerdings noch große Anstrengungen brauchen, um die Bundesregierung von ihren grundrechtsfeindlichen und industriefreundlichen Plänen abzubringen.
Verheerendes Verständnis von Digitalisierung
"Seit die schwarz-blaue Regierung im Amt ist, haben wir alle Hände voll damit zu tun, verheerende Angriffe auf unsere Freiheit abzuwehren. Offensichtlich versteht die Regierung die Digitalisierung als Möglichkeit, uns stärker zu kontrollieren und unsere Daten zu Geld zu machen, und nicht als Chance, unsere Gesellschaft voranzubringen",
sagt Thomas Lohninger von epicenter.works.
"Ich bin fassungslos, wie man nach dem Skandal um Cambridge Analytica auf die Idee kommen kann, sensible Gesundheitsdaten für die Marktforschung zu öffnen. Noch nie war unsere Arbeit so notwendig wie heute."
Breite Sensibilisierung gelungen
Im Vorjahr konnte ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis die Einführung eines Überwachungspakets verhindern. Die neue Regierung wollte die gescheiterten Pläne nahezu unverändert und ohne weitere Debatte durchpeitschen. Erst massive Proteste haben dazu geführt, dass die Gesetze überhaupt in Begutachtung geschickt worden sind. Den Ausgang nahmen die Proteste bei einer Kundgebung von epicenter.works, an der Vertreterinnen und Vertreter aller im Nationalrat vertretenen Oppositionsparteien und einiger zivilgesellschaftlicher Organisationen teilgenommen haben (siehe >>hier). Im Zuge der Kampagne "Stoppt das Überwachungspaket!" wurde der Begriff "Überwachungspaket" endgültig etabliert. Fast alle Medien und alle Oppositionsparteien nennen dieses Maßnahmenbündel nicht mehr "Sicherheitspaket", sondern beim richtigen Namen.
"Die Debatte, ob Überwachung tatsächlich mehr Sicherheit bringt, wird mittlerweile sehr breit geführt. Die Bundesregierung tut sich zunehmend schwerer, diesen Trugschluss zu verbreiten",
freut sich Werner Reiter von epicenter.works.
Überwachungspaket: Tickende Zeitbombe
Inhaltlich gab es zumindest einige kleinere Verbesserungen beim Überwachungspaket. Die Juristin und Kriminologin Angelika Adensamer hat epicenter.works bei zahlreichen Terminen als Expertin vertreten. Ihr Fazit:
"Die Regierung hat bei einigen Punkten nachgebessert, etwa beim Rechtsschutz. In Summe ist das Überwachungspaket aber nach wie vor eine tickende Zeitbombe, die unsere Demokratie bedroht. Wir gehen davon aus, dass Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof sie entschärfen werden."
Das größte Problem ist weiterhin der Bundestrojaner. Der Einsatz dieser staatlichen Spionagesoftware konnte schon zwei Mal verhindert werden. Nun ist er im Gesetz verankert und stellt eine massive Bedrohung für die IT-Sicherheit aller Geräte dar. Österreich beteiligt sich ab nun aktiv daran, Sicherheitslücken für den Bundestrojaner offen zu lassen, anstatt für deren Schließung zu sorgen.
Weitergabe von Gesundheitsdaten erschwert
Am Freitag wurden auch einige Gesetze beschlossen, mit denen sich Österreich auf die Einführung der EU-Datenschutzgrundverordnung vorbereitet. Am problematischsten ist das Datenschutzanpassungsgesetz für Wissenschaft und Forschung. Dieses eröffnet die Möglichkeit, personenbezogene Daten aus öffentlichen Registern an forschungstreibende Industrieunternehmen weiterzugeben. Ohne epicenter.works hätte es möglicherweise gar keine Berichterstattung zu diesem Thema gegeben. Obwohl das Gesetz nicht verhindert wurde, kam es zu einem Entschließungsantrag, der die Weitergabe ELGA-Daten etwas erschwert. Die Betroffenenrechte sind aber nach wie vor nicht ausreichend geschützt.
Insgesamt ist das Gesetz nicht mit der EU-Datenschutzgrundverordnung vereinbar. Um unsere sensiblen Daten vor dem Ausverkauf an internationale Industrieforschung zu schützen, wird epicenter.works mit NEOS ein Vertragsverletzungsverfahren bei der EU-Kommission anstrengen.
Verbandsklage gegen Facebook & Co in greifbarer Nähe
Es gibt noch einen weiteren Erfolg zu vermelden: Da keine Einigung zur Verbandsklage wegen Datenschutzverletzungen großer Konzerne erzielt werden konnte, wurde das ganze Gesetz nicht beschlossen. Somit besteht die Möglichkeit, dass Österreich doch noch zu einer Regelung findet, die es Organisationen ermöglicht, den Datenschutz gegen internationale Konzerne vor Gericht durchzusetzen. Andernfalls müssten Einzelpersonen das gesamte Risiko tragen und gegen die Heerscharen von Anwälten antreten, die die großen Player beschäftigen.
Vorerst keine Vorratsdatenspeicherung von Reisebewegungen
Im Februar dieses Jahres hat epicenter.works darauf hingewiesen, dass die österreichische Regierung die EU-Regeln zur Vorratsdatenspeicherung überfüllen will, obwohl das EU-Gesetz sehr wahrscheinlich grundrechtswidrig ist. Das dürfte zu einem Nachdenkprozess geführt haben. Das Thema war jedenfalls nicht auf der Tagesordnung der letzten Nationalratssitzung.
epicenter.works braucht Spenden
"Als kleine Organisation haben wir wirklich große Wirkung. Um als Stimme der Zivilgesellschaft unabhängig arbeiten zu können, sind wir weiter auf Spenden angewiesen. Wer uns unterstützt, schließt eine Versicherung für seine Grundrechte im digitalen Zeitalter ab",
so Thomas Lohninger. Auf >>spenden.epicenter.works<< sind sämtliche Spenden- und Sponsoringmöglichkeiten zu finden.
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