2019 wird ein spannendes, aber auch herausforderndes Jahr für uns. Neben den Tätigkeiten, die wir bereits 2018 gegen Überwachung und für ein freies Internet begonnen und aus Vorjahren weitergezogen haben, werden uns einige neue Themen beschäftigen. In der Netzpolitik werden die Rahmenbedingungen definiert, wie Gesellschaft und Demokratie sich im Zeitalter der Digitalisierung weiterentwickeln. Wir werden weiterhin alles tun, um die Interessen der Zivilgesellschaft bestmöglich zu vertreten.

Registrierung von Wertkarten-SIMs: 4,5 Millionen Menschen unter Generalverdacht

Ab 1. Jänner 2019 tritt ein weiterer Teil des Überwachungspakets in Kraft: die Registrierung von Prepaid-SIM-Karten wird zur Pflicht. Strafverfolgungsbehörden sollen dann auf personenbezogene Daten zugreifen – wie es schon bei angemeldeten Mobilfunkverträgen der Fall ist. Trotz einer Studie der Interessensvertretung der Telekomindustrie, die bestätigt, dass diese Maßnahme weder bei der Verbrechensaufklärung noch bei der Terrorismusbekämpfung hilft, dürfen diese SIM-Karten nicht mehr anonym erworben werden. Anbieter von Prepaid-SIM-Karten müssen Name, Telefonnummer und Adresse des Käufers oder der Käuferin aufnehmen – ähnlich wie beim Abschluss eines Vertrags mit dem Netzbetreiber. Das ist mit hohem Aufwand verbunden und wird wohl auch zu einer Anhebung der Preise führen. 

Laut Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie müssen bereits erworbene Prepaid-Karten bis September 2019 angemeldet werden. Wir wissen noch nicht, wie das funktionieren soll, da das BMVIT noch keine Verordnung dazu erlassen hat. Diese Gesetzesänderung stellt 4,5 Millionen Menschen in Österreich unter Generalverdacht. Zudem wollen Mobilfunker die dadurch entstandenen Mehrkosten vom Bund rückfordern. Falls das Ansuchen der Telekomfirmen scheitert, wird sich das in höheren Preisen für die SIM-Karten niederschlagen.

Vorratsdatenspeicherung für Videoüberwachung: Öffentlicher Raum wird großflächig überwacht

Im März wird die Vorratsdatenspeicherung für Videoüberwachung Realität. Dann kann das Bundesministerium für Inneres auf die Video- und Tonaufnahmen privater und öffentlicher Einrichtungen zugreifen, denen ein öffentlicher Versorgungsauftrag zukommt. Diese bekommen somit eine vierwöchige Aufbewahrungspflicht dieser Aufzeichnungen aufgebrummt, damit Sicherheitsbehörden darauf zugreifen können –und zwar ohne einen konkreten Verdacht. Das heißt, dass die Vorbeugung von Straftaten als Begründung ausreicht, wie es beim Polizeilichen Staatsschutzgesetz bereits der Fall ist. 

Wir werden natürlich nicht nur die Maßnahmen des Überwachungspakets, die bereits eingeführt worden sind, mit einem sehr kritischen Augen beobachten, sondern natürlich unser Möglichstes tun, um dem Überwachungspaket oder zumindest Teilen davon Einhalt zu gebieten. Gemeinsam mit Verbündeten wollen wir gegen diese Maßnahmen klagen!

Ein neues Europäisches Parlament: Ungewisse Ausrichtung bei Grundrechtsfragen

Zwischen 23. und 26. Mai wird in der EU das Europäische Parlament neu gewählt. Es wird die erste Europawahl ohne die Beteiligung des Vereinigten Königreichs sein. 705 Abgeordnetensitze werden neu vergeben. Es ist schwer zu prognostizieren, wie die Wahl ausgehen wird, da es keine europaweiten Umfragen gibt, lediglich nationale Tendenzen. Zudem ist die Auswirkung des Brexits schwer vorherzusehen.

Wie auch immer die Wahl ausgeht, unser Arbeitsauftrag bleibt gleich: Wir werden uns aus unserer politischen Unabhängigkeit heraus weiterhin Verbündete im Kampf gegen Überwachung und für eine freies Internet ins Boot holen. Auch in der nächsten Legislaturperiode wird es mit Sicherheit viele netzpolitische Themen geben, bei denen wir im Namen der Zivilgesellschaft mitreden werden!

E-Evidence: Digitale Hausdurchsuchung ohne die heimischen Behörden zu involvieren

In dieser EU-Verordnung wird es den Behörden aus anderen EU-Mitgliedsstaaten erlaubt, über Grenzen hinweg personenbezogene Daten von Telekommunikationsprovidern zu bekommen. Analog würde das bedeutet, die ungarische Polizei kann in Österreich eine Hausdurchsuchung durchführen für eine Handlung, die in Österreich gar nicht strafbar ist. Die Strafverfolgungsbehörden in Österreich würden von dieser Hausdurchsuchung weder im Vorfeld noch im Nachhinein Bescheid bekommen. Was in der analogen Welt undenkbar ist, wird in diesem Gesetz für die digitale gefordert und von Justizminister Moser unterstützt.

Besonders problematisch ist, dass Provider die Rechtmäßigkeit der Herausgabe selbst beurteilen müssen – und nicht wie bisher ein Gericht dafür zuständig ist. Für Justizminister Moser hat die Verordnung "höchste Wichtigkeit", wohingegen bei e-Privacy weiterhin auf Zeit gespielt wird.

ePrivacy: Schutz der Kommunikation im Internet in der Warteschleife?

Die ePrivacy-Verordnung zum Schutz unserer Kommunikation im Internet ist längst überfällig. Mit zahlreichen Organisationen haben wir dazu einen offenen Brief an die Bundesregierung geschickt. Ein Start der Verhandlungen unter österreichischer Ratspräsidentschaft wäre möglich gewesen, wird aber voraussichtlich nicht stattfinden. Mit diesem Gesetz könnte das derzeitige Werbesystem repariert werden, in dem 70 % der Geldmittel bei Google und Facebook landen, anstatt bei den Medienhäusern.

Die ePrivacy-Verordnung schützt die Vertraulichkeit unsere Kommunikation. Mit ihr wird eine privatsphärefreundliche Technikgestaltung festgeschrieben, die den Grundsätzen des Datenschutzes gerecht wird. Ein effizienter Schutz vor Tracking im Internet und offline ist ein weiterer wichtiger Bestandteil. All dies stärkt das Recht auf Privatsphäre, Meinungsfreiheit und Datenschutz, fördert das Vertrauen in Online-Dienste und schafft die Basis für Innovation und fairen Wettbewerb.

Neuverhandlung von Netzneutralität: Gefährdet 5G die die Freiheit des Internets?

Das Prinzip der Netzneutralität ist seit 2016 Bestandteil der EU-Gesetzgebung. Eine halbe Milliarde Menschen in der EU können darauf vertrauen, dass Internetdienste nicht unterschiedlich behandelt werden. Das bedeutet, dass ein Mobilfunkanbieter oder Internetprovider nicht einer bestimmten Anwendung, Website oder sonstigem internetbasierten Dienst im Netz den Vorzug geben darf. Dieses profunde und essentielle Recht ist dank eines langjährigen Engagements zivilgesellschaftlicher Organisationen zustande gekommen. 2019 soll die Netzneutralität auf EU-Ebene reformiert werden. Der neue Mobilfunkstandard 5G und das Thema Zero-Rating werden uns in den Verhandlungen beschäftigen.

Klarnamenpflicht: Mit Ausweis auf Facebook & Co identifizieren?

2019 wird uns eine Diskussion über eines der ältesten Streitthemen des Internets wieder beschäftigen: die Klarnamenpflicht. Was die Regierung polemisch als "digitales Vermummungsverbot" angekündigt hat, muss sich erst in einem konkreten Maßnahmenkatalog bzw. Gesetzestext niederschlagen. Details gibt es dazu noch keine, die bisherigen Statements aus Regierungskreisen lassen jedoch Schlimmes vermuten:
    
Medienunternehmen, die Diskussionsforen oder ähnliches betreiben, könnten dazu verpflichtet werden, personenbezogene Daten über ihre User zu erfassen, gegebenenfalls mit einem Lichtbildausweis oder vergleichbarer Identifizierung. Bundesminister Gernot Blümel will auch ausländische Unternehmen wie Facebook oder Twitter an diese Pflicht binden. Österreichische Bürgerinnen und Bürger sollen also ihre Identifikation auf ausländische Server laden und diese zur Verfügung stellen. Nur dann, so die Bundesregierung, könne man mit einem Pseudonym auftreten, da man ja die wichtigen Daten bereits hinterlegt habe.

Abmahnungen als Geschäftsmodell für die Urheberrechtsindustrie: Bisher konnte ein Staatsanwalt einen Internetprovider dazu veranlassen, die Daten herauszugeben, die mit einer bestimmten IP-Adresse verbunden sind. Das geschieht im Normalfall nur, wenn ein Beschuldigter einer strafrechtlich relevanten Tat verdächtigt wird. Ein Privatankläger konnte das bisher nicht. Wenn also ein User jemanden im Internet beleidigt, kann die betroffene Person nicht die Daten des Beschuldigten verlangen. Das soll sich nun ändern, sodass auch Verwertungsgesellschaften und Kunstschaffende bei Urheberrechtsverstößen einfacher an die Daten der Beschuldigten kommen

Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür: Es ist anzunehmen, dass hier wieder einmal versucht wird, eine Vorratsdatenspeicherung zu schaffen. Immerhin surft der Großteil der Nutzer mit dynamischen IP-Adressen, die vom Provider regelmäßig ausgetauscht werden. Um hier eine Verfolgung überhaupt zu ermöglichen, müssten diese die Daten länger speichern als bisher. Wir werden uns weiterhin entschieden dagegen positionieren!

Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Wirksam gegen Hasspostings oder doch Zensur?

Nach deutschem Vorbild will man in Österreich Betreiber sozialer Netzwerke dazu verpflichten, Beschwerden über Postings unverzüglich zu prüfen und "offensichtlich rechtswidrige" Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Dazu gehören auch Taten wie Beleidigung, üble Nachrede oder Bedrohung. Darüber hinaus müssen diese Unternehmen in Deutschland alle drei Monate einen Bericht darüber abgeben. Beschwerdeführer und Beschuldigte müssen dann ebenfalls über die Löschung/Nichtlöschung informiert werden. Wir haben große Bedenken, dass dieses Instrument missbraucht wird, um unliebsame Inhalte schnell aus dem Netz verschwinden zu lassen. In dem kurzen Zeitraum von 24 Stunden lässt sich schwer prüfen, ob eine Äußerung nun von der Meinungsfreiheit geschützt ist oder doch als Verletzung von Persönlichkeitsrechten zensiert werden sollte.

Urheberrechtsreform: Zensurmaschinen und Linksteuer als "Goodie" für die Medienkonzerne

Im Mai 2019 wird endgültig über die Urheberrechtsreform abgestimmt. Unsere Hauptkritikpunkte sind:

Uploadfilter sollen Inhalte automatisiert prüfen. Das bedeutet, dass Plattformen bereits beim Upload von Inhalten erkennen müssen, ob diese gesetzeskonform sind. Bilder, Filme, aber auch Texte und Software würden so vorab zum Beispiel auf Urheberrechtsverletzungen überprüft werden. Inhalte vorab zu selektieren widerspricht vielen Grundrechten, die wir als europäische Bürgerinnen und Bürger haben und somit ist ein Uploadfilter nicht mit Unionsrecht vereinbar! Zudem würden diese Filter Unternehmen, die bereits sowas im Einsatz haben (z.B. YouTube), einen massiven Wettbewerbsvorteil verschaffen. 

Problematisch könnte in Zukunft bei einem Absegnen der Urheberrechtsreform auch das Verlinken werden. Was seit Anbeginn des WWW funktioniert und sich bewährt hat, könnte bald schon kompliziert werden. Wer zum Beispiel aus einer Nachrichtenseite zitiert oder auch nur die Headline verlinkt, verstößt dann gegen das Urheberrecht. News-Aggregatoren, also Seiten, die Link-Sammlungen zu bestimmten Themen zur Verfügung stellen, könnten damit bald Geschichte sein. Dazu gehört zum Beispiel Google News, das in Deutschland bereits für einige Zeit nicht funktioniert hat, da Verleger auf ein Leistungsschutzrecht pochten. Diese Verleger werden ihre Inhalte dort dann nicht mehr präsentieren können. Dazu passend will man eine Linksteuer einführen, die solche Aggregatoren dazu verpflichtet, für die Verlinkung zu zahlen.

Weiters kommt noch ein Exklusivrecht für Sportveranstaltungen, sodass Selfies aus dem Stadion oder kurze Memes über Fußballer und andere Sportler und Sportlerinnen kaum ohne Urheberrechtsverletzung möglich sein werden. 

Umsetzung der DSGVO in Österreich: Papiertiger ohne Strafen!

Die Datenschutzgrundverordnung ist bereits im Mai 2018 in Kraft getreten. An der Umsetzung hapert es aber immer noch. Unternehmen, die sich nicht an die DSGVO halten, müssen laut Umsetzungsgesetz der Bundesregierung nicht mit Strafen rechnen. Österreichs Digitalministerin Margarete Schramböck will erst beim "dritten oder vierten Verstoß" ahnden. Das entspricht nicht der EU-Verordnung und daran werden wir auch 2019 weiter erinnern!

Audiovisuelle Medienrichtlinie: Gleichbehandlung von TV-Anstalten und Streaming-Services

Anfang Oktober wurde die audiovisuelle Medienrichtlinie auf EU-Ebene beschlossen und muss nun in nationales Recht umgewandelt werden. Sie sieht zum Beispiel vor, dass Netflix und andere Streaming-Dienste eine 30-prozentige Europaquote erfüllen, also dass 30 % der Inhalte auf der Plattform aus Europa stammen. Problematisch sehen wir die unklare Haftungssituation für Online-Plattformen und die daraus resultierende Gefahr einer Vorabkontrolle nutzergenerierter Inhalte.

Immer wieder wird auch argumentiert, dass die Richtlinie Jugendliche und Kinder vor Schleichwerbung schützen soll. YouTuber müssen dann ebenfalls offenlegen, wofür sie bezahlt wurden, wenn sie Inhalte online stellen. In Österreich ist dies aber bereits ohnehin über das Mediengesetz geregelt. 

On-Demand-Streamingdienste sollen dann den gleichen Regeln unterliegen wie klassische Fernsehanstalten. Letztere wiederum sollen dadurch einen größeren Spielraum in Sachen Werbung bekommen: So soll die maximale Werbezeit von 20 % nicht mehr auf bestimmte Zeiträume beschränkt sein, sodass TV-Anstalten Werbung nun tagsüber so verteilen können wie sie möchten. Medienminister Blümel hat bereits angekündigt, diese Richtlinie so rasch wie möglich in nationales Recht zu übersetzen

E-Government-Portal oesterreich.gv.at: Ausreichende Sicherheit bei digitalen Behördenwegen?

2019 startet das neue E-Government-Portal oesterreich.gv.at. Digitalisierte Behördenwege sollen zentral angeboten werden. Mittelfristig sollen dort, so Digitalministerin Schramböck in einem Vortrag an den Ministerrat, die zehn gängigsten Use Cases abgebildet werden (z.B. Beantragen eines Reisepasses, Ummelden eines Wohnortes, Ummelden von Kraftfahrzeugen etc.). Denkbar sind für Schramböck auch "Services aus Dienstleistungsbereichen wie Bankwesen und Versicherungen". Wie sicher die Verwaltung der personenbezogenen Daten dort sein wird, bleibt abzuwarten. Wir werden auch dieses Projekt kritisch verfolgen!

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